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Die Neue Magdalena - Buch 2

Kapitel 7

Julian verreist

Julian schloss die Tür und hieß Grace durch eine Handbewegung sich setzen; sie gehorchte und blickte ihm innerlich verwundert nach, als er im Zimmer auf und ab schritt.

In diesem Augenblick war sein Geist allerdings mit ganz anderen Dingen beschäftigt. Ein Mann von seiner feinen Beobachtungsgabe konnte Horacens Benehmen unmöglich missverstehen. Er fragte sich ernst und rücksichtslos, wie er es stets tat, ob Mercys erster Anblick wirklich einen so mächtigen Eindruck auf ihn gemacht hatte, dass Horace es bemerken konnte, ehe er sich selbst dessen bewusst war. Sollte es schon so weit gekommen sein, dass meine Freundespflicht es fordert, ihr nie wieder zu begegnen? Er blieb ärgerlich stehen. Als ein Mann, der sein Leben einem ernsten Beruf geweiht, konnte er den bloßen Gedanken daran nicht ertragen, dass er sich eine rein sentimentale Übereilung, wie „das Verlieben beim ersten Anblick”, habe zu Schulden kommen lassen.

Er war zufällig gerade Grace gegenüber stehengeblieben, welche, des langen Schweigens überdrüssig, diese Gelegenheit ergriff, um ihn anzureden.

„Ich bin hierher gekommen, weil Sie es so gewünscht haben”, sagte sie. „Wollen Sie mir auch weiter helfen, und kann ich auf Sie, als meinen Freund, zählen?”

Er sah sie zerstreut an; nur mit einiger Mühe vermochte er, ihr die geforderte Aufmerksamkeit zuzuwenden.

„Sie haben mir viel zugemutet”, fuhr Grace fort, „aber ich erkenne dabei doch dankbar Ihre Güte an, mit der Sie mir Gehör zu verschaffen suchten. Nun frage ich Sie auf Ihr Gewissen, zweifeln Sie noch, dass diese Person eine Betrügerin ist und sich an meine Stelle gedrängt hat? War dies Bekenntnis noch nicht deutlich genug, wie sie bei meinem Anblick ohnmächtig zusammenbrach?”

Julian schritt ohne ein Wort der Erwiderung durch das Zimmer und zog an der Glocke; als der Diener eintrat, befahl er ihm, einen Wagen zu holen.

Grace erhob sich. „Weshalb brauchen Sie einen Wagen?” fragte sie scharf.

„Für uns beide”, versetzte Julian. „Ich bringe Sie nach Ihrer Wohnung zurück.”

„Dem widersetze ich mich entschieden. Mein Platz ist hier in diesem Hause. Lady Janet sowohl, wie Sie selbst können die eben geschehenen Tatsachen nicht widerlegen. Ich verlangte nichts weiter, als ihr Auge in Auge gegenübergestellt zu werden; und sie fiel in Ohnmacht, als sie mich sah.”

Bei diesem Worten blickte sie siegesgewiss auf Julian, als könnte er diese Behauptung nie entkräften. Allein er tat es doch, und das auf der Stelle.

„Sie scheinen sonach als selbstverständlich anzunehmen”, sagte er, „dass das Ohnmächtigwerden jener Dame bei Ihrem Anblick den deutlichen Beweis für deren Schuld liefert. Nun will ich Ihnen aber etwas sagen, was Ihre Ansicht etwas ändern dürfte. Die Dame erzählte, als sie hierher kam, meiner Tante von ihrem zufälligen Zusammentreffen mit Ihnen an der französischen Grenze, und dass Sie dort fast an Ihrer Seite durch eine Granate getötet worden seien. Bedenken Sie, dass sie Sie nun plötzlich, ohne jede Vorbereitung lebend vor sich stehen sieht, gerade jetzt, wo, wie man auf den ersten Blick erkennt, ihre Gesundheit tief erschüttert ist; Sie können deshalb darin gar nichts Merkwürdiges und Unerklärliches finden, dass ihr dies im Augenblick die Besinnung raubte.”

Diesen Umstand konnte Grace allerdings nicht widerlegen.

Darauf gab es überhaupt keine Erwiderung. Mercy hatte mit der wohl ausgedachten, scheinbar offenen Erzählung ihres Zusammentreffens mit Grace und des darauffolgenden Unfalles ihren Zweck nur zu sehr erreicht; denn alle, welche die Geschichte kannten, ließen es sich nicht einfallen, dass sich hinter der Bewusstlosigkeit wirklich die Schuld verbarg. Die falsche Grace blieb nach wie vor für jeden geringsten Verdacht unerreichbar, und die wahre Grace wurde das sogleich inne. Sie sank auf den Stuhl zurück, von dem sie sich eben erhoben hatte, und ließ ihre Hände hoffnungslos und verzweifelnd in den Schoß fallen.

„Alles ist gegen mich”, sagte sie tonlos. „Sogar die Wahrheit wird hier zur Lügnerin, die sich der Fälscherin annimmt.” Sie hielt inne, um sich zu fassen und Mut zu sammeln.

„Nein!” rief sie entschlossen aus, „mein Name und meine Stellung in diesem Hause sollen mir nimmermehr von einer elenden Abenteurerin entrissen werden! Tun Sie, was Sie wollen. Ich muss ihren Betrug aufdecken; eher gehe ich nicht von der Stelle!”

In diesem Augenblick meldete der eintretende Diener, dass der Wagen vor dem Hause warte.

Grace wandte sich mit einer trotzigen Gebärde zu Julian und sagte: „Ich will Sie nicht aufhalten, doch weiß ich jetzt, dass ich von Ihnen weder Rat noch Hilfe zu erwarten habe, Mister Julian Gray.”

Dieser trat mit dem Diener beiseite: „Wissen Sie nicht”, sagte er, „ist der Arzt geholt worden?”

„Ich glaube nicht, Sir. Wenigstens habe ich draußen sagen hören, es sei nicht nötig.”

Julian war dadurch nicht beruhigt; er schrieb auf einen Papierstreifen: „Hat sie sich erholt?” und händigte diesen dem Diener ein, um ihn Lady Janet zu übergeben.

„Haben Sie gehört, was ich sagte?” forschte Grace, als sie wieder allein waren.

„Sogleich werde ich Ihnen antworten”, sagte Julian.

Eben trat der Diener wieder ein und überbrachte ihm die von Lady Janet mit Bleistift auf die Rückseite des Papiers geschriebene Antwort: „Gott sei Danke, ihr Bewusstsein ist wieder zurückgekehrt. Wir werden sie in einigen Minuten auf ihr Zimmer bringen können.”

Da musste sie hier durch. Es war daher dringend notwendig, Grace zu entfernen. Julian bereitete sich, sobald sie allein im Zimmer waren, die schwierige Aufgabe zu vollführen.

„Hören Sie mich an”, sagte er. „Der Wagen wartet draußen, ich sage Ihnen hiermit mein letztes Wort. Sie sind jetzt, dank der Empfehlung des Konsuls, meinem Schutz übergeben. Entscheiden Sie sich auf der Stelle, ob Sie das bleiben, oder ob Sie an die Polizei gewiesen werden wollen?”

Grace sprang auf. „Was soll das heißen?” sagte sie zornig. „Wenn Sie unter meiner Obhut bleiben wollen”, fuhr Julian fort, „so kommen Sie sogleich mit zum Wagen. Ich werde dafür sorgen, dass Sie Ihre ganze Angelegenheit meinem Advokaten vorlegen können; er wird eher als ich in der Lage sein, Ihnen einen Rat zu geben. Mich kann vorläufig nichts glauben machen, dass das von Ihnen so schwer angeklagte Wesen einen solchen Betrug begangen habe, oder dessen auch nur fähig sei, wie Sie behaupten. Übrigens sollen Sie das Urteil meines Rechtsfreundes hören, wenn Sie mit mir kommen wollen. Sonst bleibt mir nichts übrig, als dort hinein sagen zu lassen”, er deutete nach dem Speisezimmer, „dass Sie noch hier sind, was Sie ohne Zweifel in die Hände der Polizei bringen wird. Wählen Sie, was Sie wollen; ich gebe Ihnen eine Minute Bedenkzeit. Übrigens vergessen Sie nicht, dass meine scheinbar harte Ausdrucksweise durch Ihr Benehmen hervorgerufen wurde; ich bin Ihnen freundlich gesinnt, und rate Ihnen ehrlich nur zu Ihrem Besten.”

Dabei zog er die Uhr heraus, um die Minute ablaufen zu lassen.

Grace warf einen verstohlenen Blick auf seine festen, entschlossenen Züge. Julians letzte Worte ließen sie ziemlich unberührt; sie verstand bloß, dass mit diesem Manne nicht zu spaßen war. Mit dem Gedanken, in der Zukunft schon eine Gelegenheit zu finden, um heimlich in dieses Haus zurückzukehren, beschloss sie für jetzt nachzugeben - und ihn zu hintergehen.

„Ich gehe”, sagte sie und hob sich mit unwirscher Ergebung von ihrem Sitze. „Jetzt handeln Sie”, murmelte sie vor sich hin, als sie vor dem Spiegel ihren Anzug zurecht machte. „Dann werde ich handeln.”

Julian näherte sich ihr, um ihr seinen Arm zu geben; allein er blieb auf halbem Wege stehen. Obwohl überzeugt, in ihr eine Geisteskranke und darum ein höchst bemitleidenswertes Geschöpf zu sehen, welches die größte Nachsicht beanspruchen durfte - überkam ihn doch in diesem Augenblicke ein förmlicher Widerwille bei dem bloßen Gedanken, sie zu berühren. Vor seine Seele trat Mercys Bild - wie sie hilflos in seinen Armen gelegen hatte - das Bild jenes schönen Wesens, das Grace eben so furchtbar angeklagt. Er öffnete die Tür in die Vorhalle und blieb einen Schritt zurück, um ihr den Vortritt zu lassen. Der Diener half ihr beim Einsteigen in den Wagen und wandte sich dann ehrerbietig an Julian, der unterdessen Grace gegenüber Platz genommen hatte.

„Ich soll Ihnen melden, Sir, dass das Zimmer für Sie bereit ist, und dass Lady Janet Sie zu Tische erwartet.”

Julian hatte über den letzten Ereignissen ganz darauf vergessen, dass er Lady Janets Einladung, in Mablethorpe-House zu bleiben, angenommen hatte. Konnte er jetzt, wo er sich nunmehr seiner Gefühle bewusst geworden, dies auch tun, um vielleicht Wochen hindurch in Mercys Gesellschaft zu leben, die, wie er sich eben klar geworden, keinen bloß vorübergehenden Eindruck auf ihn gemacht hatte? Nein. Als Mann von Ehre blieb ihm keine andere Wahl, als sich auf irgendeine Weise von dieser Verpflichtung loszumachen. „Melden Sie Lady Janet, dass ich sie bitte, mich zum Tische nicht zu erwarten”, sagte er. „Ich werde mich schriftlich bei ihr entschuldigen.” Der Wagen rollte davon. Der Diener sah ihm, auf der Türschwelle stehend, verwundert nach. „Ich beneide Mister Julian wahrlich nicht”, dachte er im Hinblick auf die Lage, in der sich der junge Geistliche jetzt befand. „Da hat er sie nun mit sich im Wagen, und was wird er nur hernach mit ihr anfangen?”

Diese Frage hätte Julian selbst - wenn sie ihm in diesem Augenblicke vorgelegt worden wäre - nicht zu beantworten vermocht.

Lady Janet fühlte sich über Mercy, obwohl sie nun wieder vollkommen bei Bewusstsein und auf ihr Zimmer gebracht worden war, doch keineswegs beruhigt.

Mercy war in fortwährender Angst und Aufregung befangen und durch nichts davon zu befreien. Man hatte ihr wiederholt gesagt, dass die Fremde, welche sie in solchen Schrecken versetzt, das Haus bereits verlassen habe und es nie wieder betreten werde; ihre Umgebung versicherte sie immer wieder, dass die wahnsinnigen Worte, welche die Fremde gesprochen, von ihnen gar keiner ernsteren Aufmerksamkeit gewürdigt; und doch vermochte sie nicht an die Wahrheit des Gesagten zu glauben. Ein unerklärliches Misstrauen gegen ihre Freunde schien sie plötzlich ergriffen zu haben. Wenn Lady Janet an ihr Bett trat und sie küssen wollte, fuhr sie erschreckt zusammen; Horace zu sehen, weigerte sie sich geradezu; dann stellte sie wieder die sonderbarsten Fragen über Julian Gray und schüttelte ungläubig mit dem Kopf, als ihr gesagt wurde, er sei vom Hause abwesend. Zuweilen verbarg sie ihr Gesicht in die Kissen und murmelte trostlos vor sich hin: „Ach Gott! Was soll aus mir werden? Was soll aus mir werden?” Ein anderes Mal war es wieder ihre einzige flehende Bitte, sie allein zu lassen, ihr Ruhe zu gönnen.

Es kam der Abend, aber mit ihm keine Besserung in Mercys Zustand, so dass Lady Janet, von Horace dazu bestimmt, ihren Hausarzt rufen ließ.

Dieser schüttelte den Kopf und erklärte den Fall für eine nicht unbedeutende Erschütterung des Nervensystems; er schrieb eine kalmierende Arznei auf und empfahl weiter, als die heilsamste Verordnung, eine Reise nach der Seeküste. Lady Janet griff mit gewohnter Energie diesen Rat sogleich auf und befahl, ohne Verzug die Koffer zu packen, damit sie am nächsten Morgen abreisen könnten.

Der Arzt hatte sich kaum entfernt, als ein Bote Lady Janet einen Brief von Julian überbrachte, in welchem dieser nach den ersten üblichen Entschuldigungen wegen seines Nichterscheinens folgendermaßen fortfuhr:

„Bevor ich meiner Begleiterin gestattete, mit meinem Advokaten zu sprechen, befragte ich diesen bezüglich meiner eigenen Stellung ihr gegenüber.

Ich sagte ihm - und es ist nur billig, dass ich Ihnen dasselbe wiederhole - dass ich, nach meiner Beurteilung ihres Geisteszustandes, nicht allein handeln wollte, sondern dass ich hierfür den Ausspruch einer ärztlichen Autorität verlangte, die mit Beweisen mein Gewissen beruhigen und meine Ansicht bestätigen könnte.

Da ich darauf bestand, ließ sich mein Advokat herbei, sofort an einen in solchen Dingen erfahrenen Arzt zu schreiben und erhielt von diesem die Antwort, dass er bereit sei, noch heute mit der Dame bei dem Advokaten zusammenzutreffen. Dieser teilte mir dies mit und setzte hinzu, dass sie ihre ganze Angelegenheit gleich dem Arzt, statt ihm selbst erzählen sollte. Ich war über diesen Vorschlag einigermaßen betroffen; denn ich wusste, dass die Fremde sich dazu niemals entschließen würde. Allein mein Rechtsfreund fand ein Auskunftsmittel: er wollte ihr nämlich den Arzt als seinen älteren und erfahreneren Kollegen vorstellen, der ihr in allem am besten raten würde. So sehr ich jede Art des Betruges verabscheue, diesmal musste ich darein willigen, weil die Sache sonst einen Aufschub erlitt, der ernste Folgen haben konnte.

Ich wartete - mit ziemlichem Unbehagen, ich gestehe es - allein in einem Zimmer, bis der Arzt nach beendeter Unterredung zu mir hereintrat.

Seine Ansicht ist kurz diese:

Nach sorgfältiger Untersuchung des unglücklichen Wesens kann er einen gewissen Grad von Geistesstörung bei ihr nicht in Abrede stellen; aber inwieweit dieselbe berechtigte, die Kranke tatsächlich in ihrer Freiheit einzuschränken, kann er bis jetzt, wo wir in Betreff des wahren Sachverhaltes gar nichts Bestimmtes wissen, nicht sagen. Gerade ihre fixe Idee bezüglich Mercy Merricks enthalte, nach seiner Meinung, die Lösung der schwierigen Frage; und er stimme darin überein, dass die Nachforschungen des Konsuls in Mannheim keineswegs ausreichend gewesen seien. Sobald man ihm eine bestimmte Angabe über die Existenz oder Nichtexistenz einer Person wie Mercy Merrick liefern könne, sei er jeden Augenblick bereit, sein endgültiges Urteil über den vorliegenden Fall abzugeben.

Dieser Ausspruch veranlasst mich, sofort nach dem Kontinent abzureisen, um die Nachforschungen in Betreff Mercy Merricks zu erneuern.

Mein Rechtsfreund lacht mich aus und meint, ich sei nicht recht bei Sinnen. Nach seinem Rate sollte ich die Angelegenheit der nächstbesten Behörde übergeben und Sie und mich nicht weiter deshalb bemühen.

Vielleicht sind Sie derselben Ansicht? Allein Sie sagen selbst immer, teuere Tante, dass ich stets das tue, was andere Leute unterlassen; und so bekenne ich auch hier, dass mich der Fall interessiert. Außerdem brächte ich es nicht über das Herz, ein verlassenes Geschöpf, das mir überdies empfohlen wurde, von mir zu stoßen, wenn ich noch Hoffnung habe, mit etwaigen Entdeckungen sie sich selbst und vielleicht auch ihren Freunden wiederzugeben.

Ich reise mit dem Postzug heute abend ab. Zuerst will ich nach Mannheim, um mich dort mit dem Konsul und den Hospitalärzten zu beraten; dann werde ich trachten, den Wundarzt aufzufinden, um ihn auszufragen, und schließlich versuche ich das Schwierigste - nämlich die französische Ambulanz zu verfolgen, um dort dem Geheimnis Mercy Merricks auf den Grund zu kommen.

Sogleich nach meiner Rückkehr werde ich Ihnen mitteilen, ob ich etwas ausgerichtet habe oder nicht.

Unterdessen seien Sie unbesorgt, dass die unglückliche Fremde sich nicht in Ihrem Hause zeigen wird. Sie ist, auf mein Anraten, vollauf beschäftigt, an ihre Bekannten in Kanada zu schreiben und bleibt überdies unter der Aufsicht ihrer Hauswirtin - einer erfahrenen und verlässlichen Frau, die dem Arzt sowohl wie mir als ihrer Aufgabe vollkommen gewachsen erscheint.

Ich bitte Sie, dies, falls sie es nötig finden, Miss Roseberry zu sagen, mit der Versicherung meiner Verehrung und des aufrichtigsten Wunsches für ihre baldige Genesung. Nun, verzeihen Sie nochmals, dass ich durch so dringende Umstände verhindert bin, von Ihrer Gastfreundschaft Gebrauch zu machen.”

Lady Janet faltete keineswegs befriedigt Julians Brief zusammen und überdachte, was ihr Neffe ihr darin geschrieben hatte.

„Es kann nur zweierlei sein”, dachte die scharfsinnige alte Dame; „weshalb mein Neffe diese unsinnige Reise unternimmt, entweder der Advokat hat recht, ihn als das würdige Seitenstück zu jener Wahnsinnigen anzusehen, oder Julian hat noch einen besonderen Grund für seine Nachforschung, den er sorgfältig vor mir verbirgt. Welches mag wohl das Richtige sein?”

Diese Frage drängte sich Lady Janet die ganze Nacht hindurch immer wieder von neuem auf. Soviel sie sich auch bemühte, eine Antwort darauf zu finden, es gelang ihr nicht, und sie entschloss sich endlich, Julians Rückkehr geduldig abzuwarten, um es dann von ihm, wie sie mit Vorliebe zu sagen pflegte, heraus zu bekommen.

Am nächsten Morgen verließ Lady Janet mit ihrer Adoptivtochter Mablethorpe-House, um nach Brighton zu reisen; Horace, der sich ausgebeten hatte, sie begleiten zu dürfe, musste auf Mercys ausdrücklichen Wunsch in London zurückbleiben. Warum - das konnte niemand erraten; und Mercy weigerte sich, es zu sagen.


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