Wilkie Collins - Logo - Klicken, um Navigationsmenü einzublenden
 

Namenlos



X.
Magdalene an Miss Garth.

Den 15. Juli.

Liebe Miss Garth!

Ich habe Sie lange auf diese Antwort warten lassen, nachdem Sie mir geschrieben; allein Sie wissen wohl, was vorgefallen ist, und werden mir verzeihen. Alles was ich zu sagen habe, kann in wenigen Worten gesagt werden. Sie können sich darauf verlassen, ich werde nimmer wieder das Gefühl für Wohlanständigkeit verletzen: ich habe die Welt genug kennen gelernt, um sie über das nächste Mal leicht selbst zu meiner Mitschuldigen zu machen. —— Nora wird meinetwillen nicht wieder eine Stelle aufzugeben brauchen —: mein Leben als öffentliche Künstlerin ist zu Ende. Es war —— Gott ist mein Zeuge! —— harmlos genug. Ich erlebe es vielleicht, Sie vielleicht auch noch, den Tag zu beklagen, wo ich es aufgab, allein nimmer werde ich dazu zurückkehren. Es hat mich verlassen, wie Frank mich verlassen hat, wie all mein besseres Denken und Fühlen außer meinen Gedanken an Nora mich verlassen hat.

Genug über mich selbst! Soll ich Ihnen einige Nachrichten geben, um diesen Brief ein wenig heiter zu machen? Mr. Michael Vanstone ist todt, und Mr. Noël Vanstone hat das Erbe meines Vermögens und Noras Vermögens angetreten. Er ist ganz würdig dieser Erbschaft. An der Stelle seines Vaters würde er uns ebenso zu Grunde gerichtet haben, wie es sein Vater gethan hat.

Weiter habe ich Ihnen Nichts mitzutheilen, das Sie interessieren könnte. Machen Sie sich keine Sorge um mich. Ich bemühe mich, meinen Geist wieder aufzurichten, ich bemühe mich, das arme betrogene Mädchen zu vergessen, welches in der guten alten Zeit zu Combe-Raven so thöricht war, sich in Frank zu verlieben. Manchmal kommt noch ein Weh über mich, welches mir anzeigt, daß jenes Mädchen noch nicht vergessen ist, aber es kommt nicht oft.

Es war recht lieb von Ihnen, daß Sie, als Sie an ein so verlorenes Geschöpf, wie ich bin, sich selbst als »allezeit meine Freundin« unterzeichnet haben. »Allezeit« ist ein kühnes Wort, meine liebe alte Gouvernante! Es soll mich verlangen, ob Sie jemals wünschen werden, es zurücknehmen zu können? Es würde keinen Unterschied machen, wenn Sie es wirklich zurücknähmen; bin ich doch dankbar eingedenk der Mühe, die Sie mit mir gehabt haben, als ich noch ein kleines Kind war. Ich habe Ihnen diese Mühe schlecht vergolten, habe Ihnen Ihre Liebe mir auch in der spätern Zeit schlecht vergolten. Ich bitte Sie um Verzeihung, und bemitleiden Sie mich. Das Beste, was Sie für uns Beide thun können, ist, mich vergessen.

Mit inniger Liebe

Ihre
Magdalene

NS. Ich öffne das Couvert, um noch eine Zeile hinzuzufügen. Um Gotteswillen zeigen Sie diesen Brief Nora nicht!


Vorheriges Kapitel
Nächstes Kapitel
Inhaltsverzeichnis für diese Geschichte