Mann und Weib



Anhang.

Anmerkung. A.

Ich habe nicht die Absicht, die letzten Seiten dieses Buches mit nutzlosen Zeitungsnachrichten zu überladen, die Jedermann zugänglich sind. Aber der Scandal bei der Oxforder »Commenmoration« 1869 und die Plünderung der Christchurch-Bibliothek sind so merkwürdig in ihren Beziehungen von Ursache und Wirkung, daß man mir einen kurzen Bericht über beide Vorgänge hier erlauben wird, da sie eine Episode in der socialen Geschichte Englands unserer Tage bilden. Zur Instruction der Leser bemerke ich, daß die »Commemoration« in Oxford eine jährlich stattfindende Versammlung der Spitzen der Universität, der Studenten und von Gästen ist und den Gegenstand der Festlichkeit in der Ertheilung von akademischen Ehrengraden und im Anhören der Vorlesung von Preisarbeiten in Prosa und Versen besteht. Noch ist zu bemerken, daß schon seit vielen Jahren solche scandalöse Auftritte in den Studentengalerien gewöhnlich und geduldet waren. Die Zerstörung der Kunstwerke in der Christchurch-Bibliothek unparteiisch betrachtet, wird sich als die nothwendige Folge des scblechten bei der Verwaltung der Universität befolgten Systems ergeben, das glücklicherweise in der civilisirten Welt seines Gleichen nicht hat.

Sitten und Gebränche junger englischer Herren.
Erster Bericht.

(Kurzer Bericht über die Vorgänge bei der Oxforder »Commemoration« 1869. (Times, Donnerstag 10. Juni 1869)

». . . . Der Sturm begann mit Geheul, als man sah, daß einige Fremde, die eben in den Raum getreten waren, die Hüte aufbehalten hatten; aber dieses»Geheul wurde bald überboten durch den wüthenden Angriff auf einen unglücklichen Baccalaureus, der unachtsamer Weise ein etwas auffälliges Halstuch trug. Da schrie man: »grüne Binde«, und so ging es drei Viertel Stunden fort. Man bat den Baccalaureus sich zu entfernen; die in der Nähe Stehenden wollten ihn hinausdrängeln; man verlangte, daß er seine Binde wechseln oder ganz weglegen sollte. Eine Stunde lang schien alles Bitten umsonst; aber Drängen half; unter einer wahren Fluth von Beifallrufen verließ der Arme das Haus, und die akademische Jugend konnte ihre Thätigkeit auf andere Dinge richten.

». . . . Der Vicekanzler eröffnete bei friedlicher Ruhe die feierliche Handlung, aber die Vorlesung der Crew’schen Rede durch den öffentlichen Redner war das Zeichen für erneuerten Ausbruch. des Lärms Der Redner wurde dnrch ein wahres Lauffeuer von Fragen und Bemerkungen unterbrochen, die mehr witzig als anständig waren, und nur wenige Worte der Rede konnten von den Zuhörern verstanden werden. Als der Redner sich endlich setzte, erhob sich der Vicekanzler und erklärte, nachdem er mit großer Mühe Ruhe erzielt hatte, daß, wenn man die Handlung abermals unterbräche, er die Encänien sofort schließen würde. Hierauf begann die Bekanntmachung der Preise (akademische Grade wurden nicht vertheilt), aber man konnte nicht viel verstehen; nur beim Newdigater-Preis war ziemliche Ruhe und weniger Unterbrechung als sonst. Als diese Vorlefung beendigt war, wurde unglücklicherweise die Aufmerksamkeit von einem Hute in Anspruch genommen, den ein Herr in der Area, wenn auch nicht auf dem Kopfe, so doch im Arme hatte.

Der Untergraduirte (so nennt man die Oxforder Studenten) leidet an einer eigenthümlichen Krankheit, die wir aus Mangel an einem bessern Namen »Pileoalbo phobia« (Weißehutschau) nennen wollen. Kaum sahen die Studenten den Hut mit der verbrecherischen Farbe, so schäumen sie auf vor Wuth, sie quieken und kreischen und wissen nicht mehr was sie thun. Der Vicekanzler hatte die feierliche Warnung gegeben, diese Warnung konnte von einer Abschaffung der Commemoration für künftige Zeiten verstanden werden —— eine schreckliche Folge, welche die Anwesenden in ihrem ganzen Umfange zu schätzen wissen möchten. Aber alles war vergeblich. So lange die wüthende Schaar der Untergraduirten den weißen Hut sah, konnte sie nichts als rasen und toben, und der Vicekanzler, außer Stande, Aufmerksamkeit zu erlangen, stand auf von seinem Sitze und verließ mit den Doctoren das Haus.«

Zweiter Bericht.

Unterhaltungen der Studenten in ihren Mußstunden. Brennmaterial zu einem Universitätsfreudenfeuer aus einer Universitätsbibliothek. Bemerkungen zu den Vorgängen in Christchurch in Oxford. (Times. 18. Mai 1870,

». . .. Der brutalste und unvernünftigste Akt des Scandalismus unserer Zeit ist von Mitgliedern der Christchurch-Universität begangen worden, von jungen Männern, die den höheren Classen Englands angehören, die in der rafinirtesten Civilisation ausgewachsen sind und den ausgewähltesten Unterricht genießen, den das Land nur gewähren kann. In der Dinstagnacht der vorigen Woche drangen die Untergraduirten in die Christchurch-Bibliothek und schleppten mehrere Büsten, darunter eine Marmorstatue der Venus von hohem Werthe hinaus. Im Laufe der Nacht errichtete man einen Scheiterhaufen von Holzbündeln und Matten, warf die Sculpturen darauf, zündete Feuer an, und die Kunstwerke wurden total zerstört. Bis jetzt ist noch kein officieller Bericht über Verbrecher und ihre Schandthat erschienen, aber in den Kreisen der Untergraduirten ziemlich verbreitet. Es sollen zwei Abtheilungen dabei betheiligt gewesen sein. Die einen nahmen sie aus der Bibliothek und stellten sie zum Spaß in Peckwater (einem der hauptsächlichsten viereckigen Räume) auf; die andern fanden sie in Peckwater nahmen sie herab, machten das Freudenfeuer und zerstörten sie.

». . .. Ganz von selbst drängt sich hierbei der Gedanke auf, daß es Fehler in der Disciplin sein müssen, welche dem Uebermuth der Untergraduirten solche verbrecherische Unthaten begehen lassen. Wenn man nicht annehmen darf, daß jemand ganz auf einmal so schlecht wird, so kann die Gesellschaft eine solche Schaar von Verbrechern nur dann hervorbringen, wenn bereits in früheren Jahren dergleichen wenn auch vielleicht in weniger gefährlicher und ernster Weise, geduldet worden sind. Wenn dies so ist, so müssen wir es als die Pflicht der Vorgesetzten ansehen, es den Untergraduirten einzuschärfen, daß künftig bei Excessen solcher Art weit ernster verfahren werden soll. Diese Vorkommnisse sind nichts weiter als einfältige Tradition, die von einem Jahr in das andere mit hinübergeschleppt werden. Männer können kein Vergnügen an solchen sogenannten Witzen finden, und finden auch keines daran. Es ist eben Mode, und die Mode macht man mit. In der Armee war es vor nicht langen Jahren noch schlimmer; ein unbeliebter neuer Ankömmling war zum Beispiel an Person und Eigenthum den unglaublichsten Verfolgungen ausgesetzt, bis endlich in einem besondern Falle der öffentliche Unwille die berittene Leibwache veranlaßte, einzugreifen und mit dem muthwilligen Zerstören von Möbeln u. s. w. war es auf einmal vorbei. Dasselbe energische Auftreten würde von der Universität die gleiche wohlthätige Wirkung haben.«

Wir wollen übrigens hoffen, daß die bei der erzählten Schandthat betheiligt gewesenen Individuen die höchste Strafe erhalten haben, welche die Universitätsbehörde zu ertheilen die Macht hat. Was diese Behörden, nach solcher unangenehmen Erfahrung thun werden, um die Disciplin an der Universität zu verbessern und die Segnungen der Civilisation unter ihren Untergraduirten zu verbreiten, bleibt abzuwarten.

Anmerkung. B.

Quellen über den Stand der Ehegesetze in Irland und Schottland.

Manche Leser sind geneigt Thatsachen in Zweifel zu ziehen, die sie in einer erdichteten Erzählung finden. Diese verweise ich auf dasjenige Buch, welches mir zuerst den Gedanken für Veröffentlichung gegenwärtiger Novelle gab. Dieses Buch ist der »Bericht der Königlichen Commission über die Ehegesetze.« Veröffentlicht in der Buchdruckerei der Königin. Für Ihrer Majestät Stationery Officce (London 1868.) Was Sir Patrick in seiner Stellung von den schottischen Ehen sagt ist dieser hohen Autorität entnommen. Was der Advocat (im Prolog) in seiner Stellung von der irischen Ehre sagt, stammt aus der nämlichen Quelle. Als Hilfsmittel, auf die sie sich verlassen können will ich meinen Lesern eine ausführliche Liste aus dem Bericht der Ehecommission angeben, damit sie meine Angaben prüfen können.

Irische Ehen (im Prolog) — S. Bericht S. XII. XIII. XXIV. Ungesetzmäßige Ehen in Schottland. —— Gesetzentwurf von Lord Deas. Bericht S. XVI. —— Ehen von Kindern im zarten Alter. Prüfung Mr. Muirhead’s von Lord Chelmsford (Quästion 689 ——) Gegenseitige Einwilligung aus Schlußfolgerung entnommen. Prüfung Mr. Muirhead’s durch den Lord Justice Clerk (Quästion 654). —— Ehe ohne gegenseitige Einwilligung Bemerkungen von Lord Deas. Bericht S. XIX. —— Widerspruch in den Ansichten der Autoritäten. Bericht S. XIX —— XX. —— Gesetzliche Verfügungen im Pferde- und Hundehandel Keine gesetzliche Verfügungen betreffs der Ehe zwischen Männern und Frauen. Mr. Seeton’s Bemerkungen. Bericht S. XXX. —— Beschluß der Commission. Trotz der ihnen entgegengehaltenen Gründe zu Gunsten der Nichtintervention in die ungesetzlichen Ehen in Schottland, gibt die Commission ihre Meinung dahin, daß solche Ehen nicht fortdauern dürfen. (Bericht S. XXXIV.)

Unter den Gründen zur Erlaubniß der Fortdauer des gegenwärtigen traurigen Zustandes stützt man sich namentlich auf folgende: In Schottland darf England nicht interveniren (!); (unregelmäßige Ehen kosten nichts (!! ); sie werden immer weniger an Zahl, und man darf hoffen, daß sie im Laufe der Zeit von selbst aufhören (!!!); sie sind in manchen Fällen eine moralische Falle um einen liederlichen Mann zufangen (!!!!). Das ist der Gesichtspunkt, von dem aus die Institution der Ehe von einigen der frömmsten und gelehrtesten Gönner Schottlands betrachtet wird. Eine gesetzliche Verfügung, welche erlaubt, daß der Mann seine Frau verkaufen dürfe, namentlich wenn er mit ihr zu thun gehabt hat, oder eine Frau ihren Mann wenn sie wirklich nicht länger mit ihm auskommen kann, scheint alles zu sein, was noch fehlt, um die nordbritische Würdigung des Ehestandes praktisch zu vervollständigen. Es ist nur gut, daß von denen, welche mündlich oder schriftlich vor der Commission ihr Zeugniß ablegten die volle Hälfte die ungesetzlichen Ehen in Schottland vom Standpunkte des Christenthums und der Civilisation betrachtet und vollständig mit dem schon victirten Beschluß der Behörde übereinstimmt, daß solche Ehen abgeschafft werden müssen.


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