Mann und Weib



Einundzwanzigstes Kapitel - Windygates

»Nun also,« fing Sir Patrick an, »um was handelt es sich?«

»Es handelt sich darum,« erwiderte Geoffrey, »ob mein Freund mit ihr verheirathet ist oder nicht?«

»War es seine Absicht, sie zu heirathen?«

»Nein!«

»Er war unverheirathet und sie war unverheirathet und beide in Schottland?«

»!Ja«

»Gut, nun erzählen Sie mir die näheren Umstände.«

Geoffrey zauderte. Die Kunst, Umstände mitzutheilen, setzt die Pflege einer sehr seltenen Gabe, der Gabe, Ideen zu ordnen, voraus. Das ist eine Wahrheit, von der Niemand mehr durchdrungen war, als Sir Patrick. Absichtlich fing er gleich damit an, Geoffrey in Verwirrung zu sehen, in der festen Ueberzeugung, daß sein Client etwas vor ihm verbergen wolle. Das einzige Mittel, das ihm unter diesen Umständen dazu verhelfen konnte, die Wahrheit heraus zu bringen, bestand im Frage-Verfahren. Wenn er aber gleich mit Fragen anfing, so konnte Geoffrey bei seiner Schlauheit dadurch beunruhigt werden. Sir Patricks Zweck war daher, Geoffrey dahin zu bringen, ihn gewissermaßen zum Fragen aufzufordern.

Eine solche indirecte Aufforderung ergab sich alsbald, als Geoffrey bei dem Versuch, die Umstände mitzutheilen, sofort in Verwirrung gerieth. Sir Patrick wartete bis Geoffrey den Faden seiner Erzählung völlig verloren hatte und fing dann das Spiel an, das ihn zum Ziele führen sollte.

»Würde es Ihnen vielleicht leichter sein, wenn ich einige Fragen an Sie richtete?« fragte er in ganz harmlosem Tone.

»Viel leichter!«

»Das werde ich mit Vergnügen thun. Erleichtern wir uns die Sache durch eine vorgängige Verständigung über einige Punkte. Dürfen Sie Namen nennen?«

»Nein!«

»Orte?«

»Nein!«

»Zeitpunkt?«

»Muß ich damit genau sein?«

»So genau Sie können.«

»Ist es genug, wenn ich sage, daß es in diesem Jahre war?«

»Ja!«

»Sind Ihr Freund und die Dame zu irgend einer Zeit dieses Jahres in Schottland zusammen gereift?«

»Nein!«

»Haben sie zusammen in Schottland gelebt?«

»Nein!«

»Was haben sie denn zusammen in Schottland gethan?«

»Sie sind in einem Gasthofe zusammengetroffen.«

»O, in einem Gasthofe zusammengetroffen. Wer war denn der erste im Gasthofe?«

»Die Dame war die erste! Warten Sie einen Augenblick —— jetzt kommen wir der Sache schon näher.« Er zog die schriftlichen Notizen über Arnold’s Erlebnisse in Craig-Fernie, welche er sich unmittelbar, nachdem ihm Arnold berichtet, gemacht hatte, aus der Tasche »Ich habe einige Notizen hier,« fuhr er fort, »vielleicht würden Sie dieselben gern einsehen!«

Sir Patrick nahm die Notizen in die Hand, las sie rasch durch und las sie dann noch einmal Satz für Satz Geoffrey vor, indem er einen jeden derselben als Text für seine ferneren Fragen benutzte. »Er fragte nach ihr als nach seiner Frau beim Eintritt,« las Sir Patrick. »Das soll wohl heißen bei dem Eintritt in den Gasthof? —— Hatte die Dame sich vorher gegen die Leute im Gasthof für eine verheirathete Frau ausgegeben?«

»Wie lange war sie im Gasthofe, bevor der Herr mit ihr dort zusammentraf?«

»Etwa eine Stunde.«

»Nannte sie ihren Namen?«

»Ich weiß es nicht genau, ich glaube aber nicht!«

»Nannte der Herr sich?«

»Nein, das weiß ich ganz gewiß.«

Sir Patrick richtete den Blick wieder auf die Notizen. »Er erklärte bei Tisch vor der Wirthin und dem Kellner, »Ich nehme diese Zimmer für meine Frau, und veranlaßte die Dame gleichzeitig zu sagen, daß er ihr Mann sei« — Geschah das von Seiten der Dame oder des Herrn vielleicht im Scherz, Mr. Delamayn?«

»Nein, es geschah im vollen Ernst.«

»Sie wollen sagen, es geschah mit der Absicht für Ernst gehalten zu werden, um so die Wirthin und den Kellner zu täuschen?«

»Ja.«

Sir Patrick sah wieder auf die Notizen: »Darauf blieb er die ganze Nacht. —— »Blieb er in den Zimmern, die er für sich und seine Frau genommen hatte?«

»Ja.«

»Und was geschah am nächsten Tage?«

Er ging fort und sagte zu seiner Entschuldigung, er habe Geschäfte.«

»Das heißt, er hielt die gegen die Leute im Gasthofe vorgenommene Täuschung aufrecht und ließ die Dame als seine Frau zurück?«

»Grade so ist es.«

»Kam er wieder zurück nach dem Gasthofe?«

»Nein!«

»Wie lange blieb die Dame noch dort, nachdem er fortgegangen war?«

»Sie blieb dort —— noch einige Tage.«

»Und Ihr Freund hat sie seitdem nicht wieder gesehen?«

»Nein!«

»Sind die Dame und Ihr Freund Engländer oder Schotten?«

»Beide Engländer!«

»War einer von ihnen in dem Augenblick, wo sie sich in dem Gasthofe trafen, seit weniger als einundzwanzig Tagen in Schottland?«

Geoffrey zauderte; in Betreff Anne’s konnte er die Frage leicht beantworten. Lady Lundie und ihr Hauspersonal hatten seit viel länger als drei Wochen vor dem Gartenfeste in Windygates gelebt! Nur in Betreff Arnold’s bedurfte die Antwort einigen Nachdenkens. Nachdem er sich der Einzelheiten der Unterhaltung, die er mit Arnold bei dem Gartenfeste gehabt, zu erinnern gesucht, fiel ihm ein Wort seines Freundes über eine Ausführung in einem Edinburgher Theater ein, welches die Zeitfrage sofort entschied. Arnold war durch Geschäfte, die mit seiner Erbschaft zusammenhingen, in Edinburgh aufgehalten worden, bevor er nach Windygates kommen konnte und war, wie Arme, unzweifelhaft drei Wochen in Schottland gewesen, ehe er im Gasthofe zu Craig-Fernie erschien. Demgemäß theilte er Sir Patrick mit, das sowohl die Dame als der Herr seit länger als einundzwanzig Tagen in Schottland gewesen seien und fügte dann seinerseits eine Frage hinzu:

»Ich will Sie gewiß nicht drängen, Sir Patrick, aber find sie bald zu Ende?«

»Ich habe Ihnen noch zwei Fragen vorzulegen und dann bin ich fertig. —— Soll ich Sie dahin verstehen, daß die Dame auf Grund der Umstände, die Sie mir mitgetheilt haben, den Anspruch erhebt, die Frau Ihres Freundes zu sein?«

Geoffrey bejahte die Frage. Das beste Mittel, Sir Patricks Ansicht zu erfahren, war in diesem Falle »ja« zu sagen, mit anderen Worten, die Sache so darzustellen, als ob Anne (die Dame, von der er sprach) den Anspruch erhebe, Arnold’s (den er als seinen Freund eingeführt hatte) Frau zu sein. Nachdem er den Umständen nach diese Concession gemacht, war er doch schlau genug, zu begreifen, daß es für seinen Zweck von der höchsten Wichtigkeit sei, sich auf diese eine Fälschung der Wahrheit zu beschränken. Offenbar konnte die Ansicht des Advokaten für ihn nur dann von Werth sein, wenn sie auf der genauesten Kenntniß der Thatsachen, wie sie sich im Gasthofe zugetragen hatten, beruhte. Und die Thatsachen hatte er bis jetzt richtig angegeben; er beschloß, dieselben, mit der einen unerläßlichen Abweichung, die ihm eben aufgedrungen war, auch bis an’s Ende richtig anzugeben.

»Wurden keine Briefe zwischen dem Herrn und der Dame gewechselt?« fuhr Sir Patrick fort.

Nicht, daß ich wüßte«, antwortete Geoffrey wieder wahrheitsgemäß.

»Ich bin zu Ende, Mr. Delamayn!«

»Nun? Und was ist Ihre Ansicht?«

»Bevor ich Ihnen meine Ansicht mittheile, finde ich mich zu einer persönlichen Bemerkung veranlaßt, die Sie gefälligst nicht mit einer juristischen Auskunft verwechseln wollen. Sie fordern mich auf, Ihnen auf Grund der Thatsachen, die Sie mir mitgetheilt haben, meine Ansicht darüber zu sagen, ob Ihr Freund nach schottischem Recht verheirathet ist oder nicht?«

Geoffrey nickte! »So ist es«, rief er eifrig.

»Nach meiner Erfahrung, Mr. Delamayn, kann in Schottland jeder unverheirathete Mann, jedes unverheirathete Frauenzimmer zu jeder Zeit und unter irgend welchen Umständen heirathen. Kurz, nach einer dreißigjährigen Praxis als Advokat weiß ich nicht zu sagen, was eigentlich in Schottland keine Heirath ist.«

Deutlich gesprochen«, sagte Geoffrey. »Ihre Ansicht ist, daß sie seine Frau ist.«

Trotz seiner Schlauheit und trotz seiner Selbstbeherrschung funkelten seine Augen bei diesen Worten, und war der Ton, in dem er sprach, obgleich zu vorsichtig gehalten, als daß er wie ein Ausruf des Triumphs hätte erscheinen können, doch für ein feines Ohr ein unzweideutiger Ton der Erlösung. Weder Blick noch Ton entgingen Sir Patrick Sein erster Gedanke, als er die Conferenz eröffnet hatte, war der naheliegende Verdacht gewesen, daß Geoffrey mit dem Freunde von dem er sprach, sich selber meine. Aber wie alle Juristen, hatte er sich gewöhnt, dem ersten Eindruck zu mißtrauen und der Zweck seines bisherigen Verfahrens war gewesen, die wahre Situation und die wahren Motive Geoffrey’s zu ermitteln. Demgemäß hatte er seine Schlingen aufgestellt und hatte seinen Vogel darinnen gefangen. Es war ihm jetzt klar, erstens, daß dieser Mann, der ihn um Rath fragte, aller Wahrscheinlichkeit nach wirklich von dem Fall einer andern Person sprach. Zweitens, daß er ein dringendes Bedürfniß habe, —— welches, war für jetzt noch unmöglich zu sagen, —— sich die Ueberzeugung zu verschaffen, daß sein Freund nach schottischem Recht unbestreitbar verheirathet sei. Nachdem er soweit hinter das Geheimnis das Geoffrey vor ihm zu verbergen suchte, gekommen war, gab er die Hoffnung auf, bei dieser gegenwärtigen Conferenz noch mehr aus Geoffrey herauszubringen. Die nächste für ihn aufzuklärende Frage war, wer wohl die ungenannte Dame sein möchte und ob sie mit Anne Silvester identisch sei oder nicht. Während des unvermeidlichen Aufschubs bis zur Aufklärung dieses Punktes war der beste Weg, den Sir Patrick bei der obwaltenden Unsicherheit einschlagen konnte, der gerade Weg der Darlegung der schottischen Gesetze. Ohne Weiteres ging er auf die Sache ein, ohne seinen Clienten irgend einen für das Recht in Betracht kommenden Umstand vor zu enthalten. »Hüten Sie sich, voreilige Schlüsse zu ziehen«, sagte er, »ich habe Ihnen bis jetzt nur meine eigenen Erfahrungen mitgetheilt. Meine juristische Ansicht über den speciellen Fall Ihres Freundes habe ich Ihnen noch nicht dargelegt.«

Geoffrey’s Züge verdüsterten sich wieder. Auch dieser Wechsel seines Gesichtsausdruckes entging Sir Patrick nicht.

»Das schottische Recht ist«, fuhr er fort, »soweit es sich auf unregelmäßige Heirathen bezieht, eine schmachvolle Verhöhnung der guten Sitte und des gesunden Menschenverstandes. Wenn Sie meine Ausdrücke für zu stark halten sollten, so kann ich mich auf die Sprache einer richterlichen Autorität berufen. Lord Deas gab kürzlich in einem, eine schottische Heirath betreffenden Fall ein Erkenntniß beider Parteien zum Abschluß einer gültigen Heirath. Keine kirchliche oder civile Formalität oder Ceremonie, keine vorhergehende oder nachfolgende Bekanntmachung, keine Cohabitation, nichts Schriftliches, selbst keine Zeugen, sind zum Abschluß des wichtigsten Contractes, den zwei Menschen mit einander abschließen können, erforderlich.« —— Da haben Sie die eigene Angabe eines schottischen Richters über das Recht, das er zur Anwendung zu bringen hat. Dabei bemerke ich, daß wir die aller ausführlichsten Bestimmungen in Schottland über Contracte in Betreff des Kaufs von Häusern und Länderein, Pferden und Hunden haben. Der einzige Contract, den wir ohne jede schützende Sicherungsmaßregel lassen, ist der Contract, der einen Mann und ein Frauenzimmer auf Lebenszeit verbindet. Weder aus die Autorität der Eltern, noch auf das kindliche Alter der Verheiratheten nimmt das Gesetz die mindeste Rücksicht. Ein Mädchen von zwölf und ein Junge von vierzehn Jahren brauchen nur über die Grenze zu gehen, um mit einander verheirathet zu sein, ohne daß das Gesetz die Erfüllung irgend einer Formalität oder auch nur eine vorgängige Mittheilung an ihre Eltern von ihnen verlangte. Selbst das Einverständniß, welches, wie Sie soeben gehört haben, zur Herstellung einer gültigen Ehe genügt, bedarf keines direkten Beweises, sondern kann durch Schlußfolgerungen bewiesen werden. Ja, noch mehr. Selbst das Wenige, was das Gesetz in dieser Beziehung verlangt, wird in der Praxis ganz außer Acht gelassen und Paare werden in Schottland in Fällen als verheirathet betrachtet, wo ein Einverständniß gar nicht stattgefunden hat und wo die Betreffenden selbst keine Ahnung davon haben, daß das geltende Recht sie als verheirathet betrachtet. Sind Ihre Begriffe von dem in Betreff unregelmäßiger Heirathen in Schottland geltenden Recht jetzt hinreichend verwirrt, Herr Delamayn? Und habe ich genug gesagt, um die starken Ausdrücke zu rechtfertigen, deren ich mich im Beginn meiner Darlegung bedient habe?«

»Wer ist die juristische Autorität, deren Sie vorhin Erwähnung thaten? Könnte ich mich nicht direct an diese Autorität wenden?«

»Es könnte Ihnen begegnen, daß eine andere von Ihnen consultirte ebenso gelehrte und ebenso bedeutende Autorität ganz das Gegentheil von dem aussagte, was die vorhin von mir erwähnte Autorität behauptet«, antwortete Sir Patrick. »Ich scherze nicht, ich constatire nur Thatsachen Haben Sie von der königlichen Commission gehört?«

»Nein!«

»So lassen Sie sich Folgendes erzählen: Im März 1865 setzte die Königin eine Commission zu dem Zwecke nieder, die im vereinigten Königreiche geltenden Ehegesetze zu untersuchen. Der Bericht dieser Commission ist in London veröffentlicht worden und ist Jedermann für den Preis von zwei oder drei Schillingen zugänglich. Eines der Ergebnisse dieser Untersuchung war die Entdeckung, daß bedeutende Autoritäten völlig entgegengesetzter Ansicht über eine der Lebensfragen des schottischen Eherechts seien und die Commission fügte bei der Mittheilung dieser Thatsache hinzu, daß die Frage, welche dieser Ansichten die richtige sei, noch streitig und noch niemals zum Gegenstande einer gesetzlichen Entscheidung gemacht worden sei. Die Autoritäten sind, wie der Bericht auf jeder Seite zeigt, über jeden Punkt verschiedener Ansicht. Die Bedingungen der Gültigkeit des mächtigsten im bürgerlichen Leben vorkommenden Contracts sind in Schottland in einen dichten Nebel von Zweifel und Ungewißheit gehüllt. Wenn es keinen andern Grund gäbe, die schottischen Ehegesetze zu reformiren, so würde diese eine Thatsache ein hinreichender Grund sein. Ein unsicheres Ehegesetz ist ein nationales Unglück!«

»Aber Sie haben doch Ihre eigenen Ansichten über den Fall meines Freundes?« sagte Geoffrey, noch immer beharrlich sein Ziel im Auge haltend.«

»Ganz gewiß! Jetzt, nachdem ich Sie gebührendermaßen vor den Gefahren gewarnt habe, die mit dem Vertrauen auf die Ansichten irgend eines Einzelnen verknüpft sind, kann ich Ihnen ruhig meine eigene Ansicht sagen. Ich erkläre, daß man in diesem Fall nicht positiv behaupten kann, daß eine Heirath stattgefunden hat. Es sind Indicien vorhanden, die möglicherweise zur Herstellung des Beweises einer stattgehabten Heirath benutzt werden können, nicht mehr!«

Die in dieser Antwort liegende Erklärung war viel zu fein, als daß Geoffrey sie hätte verstehen können. Verwirrt und unzufrieden runzelte er die Stirn und rief unwillig aus: »Nicht verheirathet! Wenn sie doch vor Zeugen erklärt haben, sie seien Mann und Frau.«

»Das ist ein sehr verbreiteter Irrthum«, antwortete Sir Patrick »Wie ich Ihnen bereits bemerkt habe, bedarf es nach dem Gesetze gar keiner Zeugen um eine Ehe in Schottland zu Stande zu bringen, sie können nur, wie in diesem Falle, dazu dienen, künftig einmal eine streitige Ehe zu beweisen.«

An diese letzten Worte hielt sich Geoffrey. »Also die Wirthin und der Kellner könnten doch vielleicht den Beweis vorbringen, daß eine Ehe stattgefunden hat?«

»Ja, und merken Sie wohl, falls Sie sich an einen meiner Collegen wenden sollten, so wird er Ihnen vielleicht sagen, daß das Paar nach seiner Ansicht bereits verheirathet ist. Ein gesetzlicher Zustand, der es gestattet, die gegenseitige Einwilligung zum Abschluß einer Ehe, durch Schlüsse zu beweisen, öffnet Muthmaßungen Thür und Thor. Ihr Freund erklärt in bestimmten Worten, daß eine gewisse Dame seine Frau sei; die Dame erklärt ebenso bestimmt, daß Ihr Freund ihr Mann sei, sie bleiben in den Zimmern, die sie gemiethet haben, als Mann und Frau bis zum nächsten Morgen. Ihr Freund verläßt das Haus, ohne irgend Jemand aufzuklären, die Dame aber ist noch einige Tage als seine Frau im Gasthofe und alle diese Umstände finden in Gegenwart competenter Zeugen statt. Hier ist also unfehlbar der logische wenn nicht juristische Schluß gestattet, daß in diesem Falle eine gegenseitige Einwilligung zum Abschluß einer Ehe stattgefunden hat. Ich bleibe nichtsdestoweniger bei meiner Meinung: es sind Indicien, die vielleicht zur Herstellung des Beweises einer Ehe behilflich sein können, weiter nichts!«

Während der letzten Worte Sir Patricks war Geoffrey mit sich zu Rathe gegangen und war mit großer Anstrengung dahin gelangt, seinerseits eine entscheidende Frage zu stellen.

»Hören Sie mal«, rief er, indem er seine schwere Hand auf den Tisch fallen ließ, »darauf werden Sie mir doch eine bestimmte Antwort geben können: »angenommen, mein Freund hätte es auf eine andere Dame abgesehen?«

»Nun?«

»Würden Sie ihm unter den obwaltenden Umständen rathen, diese Dame zu heirathen?«

»Unter den obwaltenden Umständen, sicherlich nicht!«

Geofftey sprang rasch auf und machte der Conferenz ein Ende. »Das genügt«, sagte er »für ihn und für mich!«

Mit diesen Worten ging er ohne alle Förmlichkeit in den mittleren Raum der Bibliothek.

»Ich weiß nicht, wer Dein Freund ist«, dachte Sir Patrick bei sich, »aber wenn Dein Interesse an der Frage seiner Verheirathung ein rechtschaffenes und harmloses ist, so verstehe ich mich auf die menschliche Natur nicht besser als ein neugebornes Kind.«

Unmittelbar, nachdem er Sir Patrick verlassen hatte, stieß Geoffrey auf einen Diener, der ihn eben aufsuchte. »Ich bitte um Verzeihung, Mr. Delamayn«, fing der Mann an, »der Stallknecht des Mr. Julius Delamayn —— ——«

»Der Bursche, der mir diesen Morgen ein Billet von meinem Bruder brachte.«

»Er wird zurückerwartet, und glaubt, er dürfe nicht länger verweilen.«

»Kommen Sie her, ich will Ihnen gleich eine Antwort für ihn mitgeben!«

Er trat an den Schreibtisch und sah sich den Brief seines Bruders Julius noch einmal an. Achtlos überflog er ihn, bis ihm die Schlußzeile in die Augen fiel, »komm morgen her und hilf uns Mrs. Glenarm zu empfangen.« Er hielt, die Augen auf diesen Satz geheftet, einen Moment inne, —— einen Moment, während dessen er über das Glück dreier Menschen, Annes, die ihn geliebt, Arnold’s, der ihm einen wahren Freundesdienst geleistet, und Blanche’s, die ihm nie etwas zu Leide gethan hatte, verfügen sollte. Nach dem, was diesen Morgen zwischen Arnold und Blanche verabredet worden war, blieb ihm, wenn er in Lady Limdie’s Haus noch länger verweilte, keine andere Wahl, als sein Versprechen gegen Anne zu erfüllen. Wenn er nach seines Bruders Haus zurückkehrte, so blieb ihm nichts übrig, als Anne unter dem niederträchtigen Vorwande, daß sie Arnold’s Weib sei, zu verlassen. Plötzlich schob er den vor ihm auf dem Tisch liegenden Brief bei Seite und nahm ein Blatt Papier ans dem Schreibkasten. »Die Losung heißt Mrs. Glenarm!« sagte er zu sich selbst, und schrieb an seinen Bruder die kurzen Worte: »Lieber Julius erwarte mich morgen.«

Der Diener stand, während Geoffrey schrieb, in die Betrachtung seines prachtvollen Brustkastens versanken, unbeweglich da und dachte bei sich: Mit einer solchen Brust wird der schon beim nächsten Wettlauf bis zum letzten Augenblick ausharren!

»Hier, mein Freund»sagte Geoffrey und überreichte dem Diener das Billet.

»Alles in Ordnung?« fragte eine freundliche Stimme hinter ihm.

»Er wandte sich um und sah Arnold, der begierig war, etwas über das Ergebniß der Cousultation mit Sir Patrick zu hören.

»Ja«, antwortete er, »Alles in Ordnung!«


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