Mann und Weib



Dritter Band.

Vierundzwanzigstes Kapitel - Fort

Blanche trat mit einem Glase Wein in der Hand ein und ihr Blick fiel auf die ohnmächtig am Boden liegende Arme. Sie war beunruhigt, aber nicht überrascht, als Sie neben Anne niederkniete und ihren Kopf in die Hand nahm. Der Eindruck, den Anne’s Zustand auf sie vorhin schon gemacht hatte, ließ ihr diese Ohnmacht nur zu erklärlich erscheinen. Die unvermeidliche Verzögerung in der Herbeischaffung des Weines war nach ihrer Meinung die einzige Ursache dieses Zufalls. Wäre sie weniger klar über die Ursache gewesen, so wäre sie vielleicht an’s Fenster getreten, um nachzusehen, ob dort irgend etwas sei, was Anne habe erschrecken können, und würde vielleicht Geoffrey’s, bevor er Zeit hatte, um die Ecke des Hauses zu biegen, ansichtig geworden sein, und durch diese eine Entdeckung vielleicht den ganzen Lauf der Ereignisse nicht nur in ihrem eigenen, sondern auch in dem künftigen Leben Anderer geändert haben. —— So geben wir unser Bisschen Glück den Händen des launischen Zufalls preis. Es ist gewiß eine segensreiche Täuschung in welcher befangen, wir glauben, daß wir das höchste Erzeugnis; des großen Schöpfungsactes sind und zweifeln, ob andere Planeten von lebenden Wesen bewohnt werden, weil andere Planeten nicht von einer Atmosphäre umgeben sind, in der wir würden athmen können! ——

Nachdem Blanche anfänglich sorglos die einfachen Mittel zur Anwendung gebracht hatte, die ihr zur Hand waren, fing sie bald an, durch Anne’s Zustand ernsthaft beunruhigt zu werden; allem Anscheine nach lag Anne todt in ihren Arme. Blanche war im Begriff, ohne Rücksicht auf die Folgen der Entdeckung, nach Hülfe zu rufen, als sich die von der Vorhalle hereinführende Thür abermals öffnete und Hester Dethridge in’s Zimmer trat. Die Köchin hatte sich durch die Alternative, welche ihr die Botschaft ihrer Herrin für den Fall gestellt hatte, daß sie darauf bestehen würde, den Rest des Tages für sich zu haben, in ihrem Entschluß nicht wankend machen lassen. Genau wie Lady Lundie es gewünscht hatte, gab sie diesen ihren Entschluß dadurch zu erkennen, daß sie ihr Ausgabenbuch auf den Schreibtisch in der Bibliothek niederlegte. Erst nachdem sie das gethan, nahm sie von Blanches dringenden Bitten um Hülfe Notiz. Langsam und ruhig ging Hester Dethridge auf die Stelle zu, wo Blanche, Anne’s Kopf in ihren Armen haltend, kniete, und betrachtete die beiden Mädchen ohne eine Spur menschlicher Regung; in ihrem finstern und steinernen Gesicht.

»Siehst Du denn nicht, was»hier geschehen ist?« rief Blanche, »was stehst Du so leblos da? Hester, ich kann sie nicht wieder zu sich bringen, sieh sie doch nur an und steh uns bei«

Hester Dethridge sah sie an und schüttelte den Kopf, sah sie wieder an, dachte einen Augenblick nach und schrieb etwas auf ihre Tafel, hielt diese über Anne’s Körper hin und zeigte Blanche, was sie geschrieben hatte.

»Wer hat das gethan?«

»Welche einfältige Frage?« erwiderte Blanche »Wer es gethan hat? Niemand hat es gethan!«

Hester Dethridge’s Augen richteten sich fest auf das erschöpfte bleiche Antlitz, auf welchem der Kummer deutlich zu lesen war. Hester versenkte sich in die Erinnerung ihres eigenen jammervollen, ehelichen Lebens. Sie nahm ihre Tafel wieder zur Hand, schrieb abermals etwas auf dieselbe und zeigte das Geschriebene wieder an Blanche »Ein Mann hat sie dahin gebracht! Lassen Sie sie in Ruhe und Gott wird sie zu sich nehmen."

»Du abscheuliche Person, wie kannst Du Dich unterstehen, so etwas zu schreiben!« Mit diesem natürlichen Ausbruch der Entrüstung blickte Blanche wieder auf Anne und appellirte, als sie die todtenähnliche Ohnmacht noch immer unverändert fortdauern sah, abermals an das Erbarmen der unbeweglichen Hester, die regungslos vor ihr stand.

»O, Hester, um Himmelswillen hilf mir!«

Die Köchin ließ die Tafel an ihrer Seite herabsinken und nickte feierlich mit dem Kopf, zum Zeichen, daß sie sich füge. Sie trat näher heran, um Anne’s Kleid zu öffnen und legte sie dabei, während sie sich auf das eine Knie niederließ, auf ihr anderes Knie. In dem Moment, wo Hester Dethridge sie berührte, gab die Ohnmächtige ein Lebenszeichen von sich. Ein leiser Schauer durchzuckte sie von Kopf bis zu Fuß, ihre Augenlider öffneten sich ein wenig; Hester legte sie wieder in Blanche’s Arme, dachte einen Augenblick nach, nahm wieder ihre Schreibtafel zur Hand, schrieb abermals etwas darauf und zeigte das Geschriebene an Blanche, »sie hat gezittert, als ich sie berührte, das bedeutet, daß ich über ihr Grab gegangen bin!«

Blanche wandte sich mit Entsetzen von dem Weibe und ihrer Tafel ab. »Du ängstigst mich!« rief sie, »und Dein Anblick wird sie ängstigen, wenn sie erwacht! Ich will Dich nicht kränken, aber geh’ fort, bitte, geh’ fort!«

Hester nahm ihre Entlassung auf, wie sie Alles aufnahm. Sie nickte mit dem Kopf zum Zeichen, daß sie verstanden habe, warf einen letzten Blick auf Anne, verneigte sich sehr feierlich gegen ihre junge Herrin und verließ das Zimmer. —— Eine Stunde später hatte der Kellermeister ihr ihren Lohn ausgezahlt und sie hatte das Haus verlassen.

Blanche athmete auf, als sie sich wieder allein befand. Jetzt kam zu ihrer großen Freude Anne wieder zu sich. »Hörst Du mich, lieber Engel?« flüsterte sie, »kann ich Dich einen Augenblick wieder verlassen?«

Anne’s Augen öffneten sich langsam und blickten umher mit jenem Ausdruck qualvollen Entsetzens, über das wieder erwachende Leben, welcher den furchtbaren Protest des Menschen gegen seine Wiederbelebung bezeichnet, wenn er sich von der Macht des Todes gnädig umfangen geglaubt hat.

Blanche legte Anne’s Kopf gegen den nächsten Stuhl und eilte auf den Tisch zu, auf den sie beim Betreten des »Zimmers den Wein gestellt hatte. Nachdem Anne wenige Tropfen davon geschlürft hatte, fing die Wirkung des belebenden Mittels an sich geltend zu machen. Blanche bestand darauf, daß sie das Glas leeren solle und enthielt sich aller Fragen, bis sie sah, daß Anne sich durch den Wein wieder hinreichend gestärkt hatte.

»Du hast Dich diesen Morgen zu sehr angestrengt«, sagte sie, sobald es ihr gerathen schien, das Schweigen zu brechen. »Kein Mensch hat Dich gesehen, lieber Engel, nichts ist vorgefallen, fühlst Du Dich jetzt wieder besser?«

Anne machte einen Versuch sich zu erheben, um das Zimmer zu verlassen.

Blanche drückte sie sanft in den Sessel nieder und fuhr fort: »Du hast durchaus keine Veranlassung fortzueilen, wir haben noch eine volle Viertelstunde für uns, ehe irgend Jemand daran denken wird, uns zu stören. Ich habe Dir etwas zu sagen Anne, Dir einen kleinen Vorschlag zu machen, willst Du mich anhören?«

Anne ergriff Blanche’s Hand und führte sie mit dem Ausdruck gerührter Dankbarkeit an ihre Lippen. Das war ihre ganze Antwort.

Blanche fuhr fort: »Ich will Dich nicht mit Fragen belästigen, liebe Anne, ich will nicht versuchen, Dich gegen Deinen Willen hier zu halten, ich will Dich nicht einmal an meinen gestrigen Brief erinnern, aber ich kann Dich nicht verlassen, ohne mein Herz in etwas erleichtert zu haben. Du wirst mich von aller meiner Angst befreien, wenn Du mir etwas, eine Kleinigkeit zu Gefallen thun willst!«

»Und das wäre, Blanche?« Sie that diese Frage, während ihr Geist sich mit ganz anderen Dingen beschäftigte.

Blanche war zu eifrig in der Verfolgung ihres Zweckes, um den abwesenden Ton, die rein mechanische Art, wie Anne ihre Frage gethan hatte, zu bemerken, »Ich möchte«, erwiderte sie, »daß Du meinen Onkel um Rath fragtest. Sir Patrick interessirt sich für Dich. Noch heute hat Sir Patrick mir angeboten, selbst nach dem Gasthof zu gehen, um Dich aufzusuchen. Er ist der klügste, beste, freundlichste alte Herr auf der Welt und Du kannst ihm, wie keinem Menschen auf der Welt, vertrauen. Willst Du meinem Onkel Dein Vertrauen schenken und Dich von seinem Rathe leiten lassen?«

Anne, deren Geist noch immer in ganz anderen Regionen verweilte, sah mit einem abwesenden Blick nach dem Rasen hinaus und antwortete nicht.

»Komm’«, sagte Blanche, »sage das eine Wort: Ja oder Nein!«

Den Blick noch immer auf den Rasen geheftet, noch immer an andere Dinge denkend, gab Anne nach und sagte: »Ja!«

Blanche war entzückt. »Wie gut ich meine Sache gemacht haben muß«, dachte sie. »Das nennt mein Onkel, eine Sache energisch angreifen.«

Sie beugte sich über Anne hin und klopfte ihr erfreut auf die Schulter. »Das ist das klügste Ja, mein Engel, das Du je im Leben gesagt hast. Warte hier, ich will jetzt rasch zum Frühstück hineingehen, sonst, fürchte ich, schicken sie nach mir. Sir Patrick hat mir neben sich einen Platz reservirt, ich will es schon möglich machen, ihm meine Wünsche mitzutheilen und er wird es möglich machen —— o, welches Glück, mit einem klugen Mann zu thun zu haben, es giebt ihrer so wenige —— er wird es möglich machen, den Frühstückstisch, ohne daß irgend Jemand Verdacht schöpft, vor den übrigen Gästen zu verlassen. Wenn er kommt, gehe gleich mit ihm hinaus nach dem Garten-Pavillon. Wir sind Alle den ganzen Morgen im Garten-Pavillon gewesen, und kein Mensch wird daran denken wieder hinzugehen. Ich komme Euch dorthin nach, sobald ich, um bei Lady Lundie keinen Verdacht zu erregen, ein wenig gefrühstückt haben werde. Kein Mensch, außer uns Dreien, soll Etwas von der Sache erfahren, in höchstens fünf Minuten kannst Du Sir Patrick erwarten. Jetzt lass’ mich gehen, wir haben keinen Moment zu verlieren.«

Anne hielt sie zurück. In diesem Augenblick war ihre ganze Aufmerksamkeit aus Blanche gerichtet.

»Was willst Du noch, liebes Kind?« fragte Blanche.

»Bist Du glücklich mit Arnold, Blanche?«

»Arnold ist liebenswürdiger gegen mich als je!«

»Ist der Tag Eurer Hochzeit schon bestimmt?«

»Der Tag ist noch weit entfernt. Wir werden nicht eher Hochzeit machen, bis wir im Herbste nach London zurückgehen! Bitte, laß’ mich fort, Anne!«

»Blanche, küsse mich!«

Blanche küßte sie und versuchte es, ihre Hand loszumachen.

Anne aber hielt sie so fest, als ob sie in Gefahr wäre zu ertrinken, als ob sie sich an diese Hand anklammere, um ihr Leben zu retten.

»Du wirst mich immer lieben, wie Du mich jetzt liebst, Blanche, nicht wahr?«

»Wie kannst Du mich nur so fragen?«

»Ich habe Ja zu Dir gesagt, sage auch Du jetzt Ja zu mir!«

Blanche that, wie Anne sie bat. Anne’s Augen hefteten sich auf sie mit einen! letzten sehnsüchtigen Blick, und dann ließ sie Blanche’s Hand plötzlich los. Blanche lief in einem Zustand unbehaglicher Aufregung, den sie sich selbst nicht eingestehen mochte, eilig zum Zimmer hinaus. Noch nie hatte sie so dringend das Bedürfnis; gefühlt, Sir Patricks Rath einzuholen, wie sie es in diesem Augenblick empfand.

Die Gäste saßen ruhig am Frühstückstisch, als Blanche in’s Zimmer trat. Lady Lundie verfehlte nicht ihrer Ueberraschung über die Unpünktlichkeit ihrer Stieftochter, in einem sich steigernden, vorwurfsvollen Ton den unerläßlichen Ausdruck zu geben. Blanche entschuldigte sich mit einer ganz exemplarischen Demuth. Sie schlüpfte auf ihren Platz an der Seite ihres Onkels und nahm von der ersten Schüssel, die ihr gereicht wurde. —« Sir Patrick sah seine Nichte an und fragte sich, was diese bescheidene Demuth in Blanche’s Wesen wohl zu bedeuten haben möge.

Die einen Augenblick unterbrochene Unterhaltung, die sich um Politik und Wettkämpfe, und wenn man das Bedürfniß einer Abwechslung fühlte, um Wettkämpfe und Politik gedreht hatte, wurde alsbald am ganzen Tisch wieder aufgenommen. Unter dem Schutz der allgemeinen Unterhaltung und in den Pausen, die ihr die Artigkeiten der Herren übrig ließen, flüsterte Blanche Sir Patrick zu: »Erschrick nicht Onkel, Anne ist in der Bibliothek!« Der höfliche Herr Smith bot ihr etwas gekochten Schinken an. Sie dankte höflichst. »Bitte, bitte! Geh’ zu ihr hinaus, sie wartet auf Dich, sie ist in der schrecklichsten Sorge.«

Der artige Herr Jones offerirte Früchte, Torte und Sterne. Sie nahm das Angebotene dankbar an.

»Bringe sie nach dem Garten-Pavillon, ich folge Euch dahin, sobald ich kann. O, thu’ es gleich, lieber Onkel! wenn Du mich lieb hast, sonst kommst Du zu spät!«

Noch ehe Sir Patrick ein Wort erwidern konnte, verkündigte Lady Lundie, daß ein sehr gewürzten fetter schottischer Kuchen, den sie eben anschnitt, ihr eigenes Werk sei und bot ihrem Schwager ein Stück davon an. Der Kuchen bestand aus in Fett schwimmenden Pflaumen mit Zuckerwerk. Wir haben bereits früher gesagt, daß Sir Patrick die Siebenzig bereits überschritten hatte, wir brauchen daher wohl kaum hinzuzufügen, daß er es ablehnte, seinem Magen, ohne daß sich derselbe etwas gegen ihn hatte zu Schulden kommen lassen, eine solche Beleidigung anzuthun.

»Mein Kuchen?- fuhr Lady Lundie fort, indem sie die schreckliche Composition auf eine Gabel gesteckt in die Höhe hielt. »Reizt Sie der nicht?«

Sir Patrick ersah seine Gelegenheit, unter dem Vorwande eines Compliments für seine Schwägerin, aus dem Zimmer zu schlüpfen. Er bot sein verbindlichstes Lächeln auf und legte seine Hand an’s Herz. »An einen schwachen Sterblichen«, sagte er, »tritt eine Versuchung heran, der er unmöglich widerstehen kann. Was wird der schwache Sterbliche, wenn er klug ist, thun?«

»Er wird etwas vom meinen! Kuchen essen«, erwiderte die prosaische Lady Lundie.

»Nein«, entgegnete Sir Patrick mit einem Blick unaussprechlicher Ergebenheit gegen seine Schwägerin, »er wird der Versuchung entfliehen, theure Schwägerin, wie ich es in diesem Augenblick thue!« Er verneigte sich und entkam unbeargwohnt aus dem Zimmer.

Lady Lundie senkte die Blicke mit einem Ausdruck tugendhafter Nachsicht für menschliche Schwächen und nahm bescheidener Weise einen gleichen Antheil an Sir Patricks Compliment für sich und ihren Kuchen in Anspruch.

Sir Patrick, der wohl wußte, daß die Frau vom Hause in wenigen Minuten dem Beispiel seines Aufbruches folgen würde, eilte, so rasch es ihm sein lahmer Fuß gestatten, in die Bibliothek. Jetzt, wo er allein war, nahm sein ganzes Wesen das Gepräge ängstlicher Besorgniß und sein Gesicht einen ernst bekümmerten Ausdruck an. Er trat in die Bibliothek. Nirgends eine Spur von Anne Silvester, die Bibliothek war vollkommen leer. »Fort!« sagte Sir Patrick, »das sieht schlimm aus!« Nach einem Moment der Ueberraschung trat er wieder in die Vorhalle, um seinen Hut zu holen. Vielleicht, daß sie sich vor einer Entdeckung gefürchtet hatte, falls sie noch länger in der Bibliothek blieb, vielleicht, daß sie allein im Garten-Pavillon war. Wenn sie auch in diesem nicht zu finden war, so mußte, um Blanche zu beruhigen, alles aufgeboten werden, den Platz ausfindig zu machen, wohin Anne sich geflüchtet hatte. In diesem Fall kam es darauf an, die Zeit rasch und gut anzuwenden. Dies begreifen und an der Glocke ziehen, welche von der Vorhalle nach dein Dienstbotenzimmer führte, war für Sir Patrick das Werk eines Augenblicks. Das Klingeln galt seinem eigenen Diener, einem Mann von erprobter Discretion und Treue, der fast ebenso alt war, wie er selbst. »Hole Deinen Hut, Duncan«, sagte Sir Patrick, als der Kammerdiener erschien »und komm mit mir hinaus.« Schweigend gingen Herr und Diener in den Garten.

Vor dem Garten-Pavillon angelangt, befahl Sir Patrick Duncan zu warten und ging allein weiter. Leider war nicht die geringste Veranlassung zu der von ihm beobachteten Vorsicht. Der Garten-Pavillon war ebenso leer wie die Bibliothek. Er trat hinaus und sah wieder umher. Kein lebendes Wesen war sichtbar, Sir Patrick rief seinen Diener herbei. »Geh’ nach dem Stall, Duncan«, sagte er, und sage, »Miß Lundie leihe mir für heute ihren Pony-Wagen, sie sollen ihn sofort für mich in Bereitschaft setzen, ich wünsche die Aufmerksamkeit so wenig wie möglich aus mich zu lenken. Nur Du sollst mit mir kommen. Nimm einen Eisenbahn-Fahrplan mit. Hast Du Geld bei Dir?«

»Ja, Sir Patrick!«

»Hast Du vielleicht die Gouvernante Miß Silvester an dem Tage, wo wir hergekommen sind, dem Tage des Gartenfestes, gesehen?«

»Ja wohl, Sir Patrick!«

»Würdest Du sie wieder erkennen?«

»Sie machte auf mich den Eindruck einer sehr distinguirten Persönlichkeit. Gewiß würde ich sie wieder erkennen.«

»Hast Du Ursache zu glauben, daß sie Dich bemerkt hat?«

»Sie hat mich auch nicht eines Blickes gewürdigt.«

»Gut! Thue etwas reine Wäsche in Deinen Reisesack,Duncan, vielleicht mußt Du eine Reise mit der Eisenbahn machen. Warte auf mich in dem Hofe bei den Ställen. Es handelt sich hier um eine Angelegenheit, bei der Alles auf Deine und meine Discretion ankommt!«

»Ich danke Ihnen Sir Patrick!«

Mit dieser Anerkennung des Compliments, das Sir Pakrick ihm mit den letzten Worten gemacht hatte, ging Duncan seines Weges nach dem Stall und Duncan’s Herr kehrte in den Gartenpavillon zurück, um dort auf Blanche zu warten. Während der Pause der Erwartung, zu der er jetzt verurtheilt war, schien Sir Patrick die Geduld reißen zu wollen. Er nahm beständig seine Zuflucht zu der in dem Knopfe seines Spazierstocks befindlichen Schnupftabacksdose. In nervöser Aufgeregtheit ging er beständig in den Garten-Pavillon und wieder hinaus. Anne’s Verschwinden hatte ferneren Entdeckungen ein großes Hinderniß in den Weg gelegt und nun verlor er auch noch kostbare Zeit durch das Warten auf Blanche.

Endlich wurde Sir Patrick von den Stufen des Garten-Pavillons aus ihrer ansichtig. Athemlos und voll Verlangen eilte sie nach dem Ort der Zusammenkunft, so rasch ihre Füße sie nur tragen wollten. Sir Patrick ging ihr absichtlich entgegen, um ihr den Schreck der unvermeidlichen Entdeckung zu ersparen. »Blanche«, sagte er, »mache Dich auf eine Enttäuschung gefaßt, ich bin allein!«

»Du hast sie doch nicht fortgelassen?«

»Mein armes Kind, ich habe sie gar nicht gesehen!«

Blanche schlüpfte an ihm vorüber in,den Garten-Pavillon. Sir Patrick folgte ihr, aber schon kam sie ihm mit dem Ausdruck völliger Verzweiflung entgegen. »O, Onkel, ich hatte solches Mitleid mit ihr, und sieh’, wie wenig Mitleid sie mit mir hat!«

Sir Patrick schlang seinen Arm um seine Nichte und küßte den lieblichen, jungen Kopf, der an seine Schulter lehnte »Laß uns sie nicht zu vorschnell verurtheilen, mein liebes Kind, wir können nicht wissen, welche gebieterische Nothwendigkeit ihr vielleicht als Entschuldigung zur Seite steht; offenbar konnte sie sich Niemandem anvertrauen und willigte nur deshalb ein mich zu sprechen, um Dich auf diese Weise aus dem Zimmer zu bringen und Dir den Schmerz, des Abschiedes zu ersparen. Beruhige Dich Blanche, ich verzweifle nicht daran zu entdecken, wohin sie gegangen ist, wenn Du mir beistehen willst!«

Blanche erhob ihren Kopf und trocknete ihre Thränen. »Mein Vater konnte nicht gütiger gegen mich sein, als Du es bist, lieber, bester Onkel!« sagte sie, »sage mir nur was ich thun kann!«

»Erzähle mir ganz genau, was in der Bibliothek vorgefallen ist«, erwiderte Sir Patrick, »vergiß nichts, liebes Kind, so geringfügig es Dir auch erscheinen mag. Die geringfügigsten Umstände sind uns jetzt wichtig und vor Allem sind die Minuten kostbar für uns.«

Blanche befolgte die Vorschrift buchstäblich, während ihr Onkel ihr mit der gespanntesten Aufmerksamkeit zuhörte. Als sie ihre Erzählung beendigt hatte, schlug ihr Sir Patrick vor, den Garten-Pavillon wieder zu verlassen. »Ich habe Deinen Wagen beordert«, sagte er, »und ich kann Dir auf dem Wege zum Stallhof erzählen, was ich zu thun beabsichtige!«

»Laß mich Dich begleiten!«

»Verzeih’ mir mein Kind, wenn ich es Dir abschlage. Der Verdacht Deiner Stiefmutter ist sehr leicht erregt und es ist besser, wenn man Dich nicht bei mir sieht, falls meine Erkundigungen mich vielleicht nach dem Gasthof von Craig-Fernie führen sollten. Ich verspreche Dir, wenn Du hierbleibst, Dir bei meiner Rückkehr Alles zu erzählen. Schließe Dich den übrigen Gästen an, gleichviel was sie heute Nachmittag unternehmen, und Du wirst es so am besten verhindern, daß meine Abwesenheit mehr als eine vorübergehende Bemerkung veranlaßt. Willst Du thun, was ich Dir sage? So ist es recht, mein gutes Kind! Jetzt sollst Du hören, wie ich das arme Mädchen zu suchen gedenke und wie mir Deine kleine Erzählung dabei zu Statten gekommen ist.«

Er hielt inne und überlegte bei sich, ob er damit anfangen solle, Blanche von seiner Consultation mit Geoffrey zu erzählen. Abermals entschied er diese Frage verneinend.

Es erschien ihm richtiger, sie noch nicht in sein volles Vertrauen zu ziehen, bevor er die Nachforschungsreife, die er jetzt anzutreten im Begriff war, gemacht haben würde.

»Was Du mir erzählt hast, Blanche, zerfällt nach meiner Auffassung in zwei Kapitel«, fing Sir Patrick an. »Das eine umfaßt das, was vor Deinen Augen in der Bibliothek vorgefallen ist und das andere umfaßt, was Dir Miß Silvester über die Vergangenheit im Gasthofe erzählt hat. Was zunächst die Ereignisse in der Bibliothek anlangt, so ist es zu spät zu untersuchen, ob die Ohnmacht, wie Du glaubst, das bloße Ergebniß der Erschöpfung war, oder ob sie die Folge von etwas gewesen, was sich zutrug, während Du das Zimmer verlassen hattest.«

»Was kann sich. zugetragen haben, während ich das« Zimmer verlassen hatte?«

»Darüber weiß ich nicht mehr als Du! Liebes Kind, es ist eine bloße Möglichkeit und als solche erwähne ich sie, um zu der praktischen Seite der Sache überzugehen. Wenn Miß Silvester nicht so kräftig ist, so kann sie unmöglich allein zu Fuß einen von Windygates weit entfernten Ort erreichen. Vielleicht hat sie in einem der Bauernhäuser in unserer unmittelbaren Nachbarschaft eine Zuflucht gesucht, oder sie ist einem vorüberfahrenden Wagen von einem der Pachthöfe begegnet und hat den Fuhrmann gebeten, ihr einen Platz auf demselben einzuräumen. Oder sie ist gegangen, soweit ihre Füße sie tragen wollten und hat vielleicht einen geschützten Platz, unter den südwärts von hier gelegenen Hecken gesucht!«

»Ich will mich in den Bauernhäusern erkundigen, Onkel, während Du fort bist!«

»Liebes Kind! Es giebt wenigstens zwölf Bauernhäuser im Umkreise einer Meile von Windygates. Deine Erkundigungen würden wahrscheinlich den ganzen Nachmittag in Anspruch nehmen. Ich will nicht davon reden, was Lady Lundie davon denken würde, wenn Du den ganzen Nachmittag allein fort bliebest, sondern Dich nur an zweierlei erinnern. Du würdest aus einer Erkundigung, die so geheim wie möglich zu halten von der größten Wichtigkeit ist, eine öffentliche Angelegenheit machen, und selbst wenn Dir gelänge, das richtige Bauernhaus aufzufinden, so würde Deine Erkundigung doch zu gar nichts führen!«

»Warum denn das nicht?«

»Ich kenne den schottischen Bauer besser als Du, Blanche! Hinsichtlich seiner Intelligenz und seiner Selbstachtung ist er von dem englischen Bauer sehr verschieden. Er würde Dich höflich aufnehmen, weil Du eine junge Dame bist, würde Dich aber zu gleicher Zeit merken lassen, daß Du nach seiner Meinung Deine Vorzüge in der gesellschaftlichen Stellung dazu mißbraucht habest, aus eine ungebührliche Weise bei ihm einzudringen. Und wenn Miß Silvester vertrauensvoll um seine Gastfreundschaft gebeten und er ihr dieselbe gewährt hat, so würde keine Gewalt der Erde ihn dahin bringen, einem lebenden Wesen ohne ihre ausdrückliche Erlaubniß zu sagen, daß sie unter seinem Dache weilt!«

»Aber, lieber Onkel, wenn es vergebens ist, bei Jemand Erkundigungen einzuziehen, wie wollen wir sie finden!«

»Ich behaupte nicht, daß Niemand aus unsere Erkundigungen antworten wird, liebes Kind, ich behaupte nur, die Bauern würden nicht antworten, falls Deine Freundin sich ihrem Schutze anvertraut hätte. Das Mittel, sie zu finden, ist über das, was Miß Silvester vielleicht im gegenwärtigen Augenblick thut, hinaus an das zu denken, was sie, bevor der Tag zu Ende geht, zu thun beabsichtigt. Wir sind, glaube ich, nach dem was geschehen ist, zu der Annahme berechtigt, daß sie, sobald sie die Gegend hier verlassen kann, es zuversichtlich thun wird. Bist Du darin meiner Ansicht?«

»Ja, ja, fahre fort!«

»Gut! Sie ist ein Weib und noch dazu ein schwaches Weib. Sie kann die Gegend hier nicht anders verlassen, als, indem sie einen Wagen miethet oder mit der Eisenbahn fährt. Ich beabsichtige zunächst nach der Eisenbahn-Station zu gehen. Bei der Schnelligkeit mit der Dein Pony den Weg durch die Haide zurücklegt, ist eine gute Chance für uns vorhanden, daß ich trotz der verlorenen Zeit eben so früh dahin kommen werde, wie sie, wenn sie auch mit dem ersten von Norden oder Süden her vorüberkommenden Zuge weiter fahren sollte.«

»Es geht ein Zug in einer halben Stunde, Onkel, sie kann unmöglich bis dahin dort sein.«

»Vielleicht ist sie weniger erschöpft, als wir glauben, oder sie findet Gelegenheit zum Fahren, vielleicht ist sie auch nicht allein. Wir können ja nicht wissen, ob nicht Jemand in dem Heckenweg auf sie gewartet hat, —— vielleicht ihr Mann, wenn sie einen hat, um ihr behülflich zu sein. Nein, ich nehme an, daß sie jetzt auf dem Wege nach der Station ist, und ich will so rasch wie möglich dahin eilen . . . .«

»Und sie aufhalten, wenn Du sie dort findest?«

»Was ich dann thue, Blanche, muß mir überlassen bleiben. Wenn ich sie dort finde, werde ich nach bestem Wissen und Gewissen handeln; wenn ich sie nicht finde, so werde ich Duncan, der mit mir geht, dort lassen, um die übrigen im Laufe des Tages noch eintreffenden Züge zu überwachen. Er kennt Miß Silvester von Ansehen und ist überzeugt, daß sie ihn nie beachtet hat. Ich habe Duncan gemessene Ordre gegeben, ihr, gleichviel ob sie früh oder spät eintrifft, oder ob sie nord- oder südwärts reist, zu folgen. Er ist ein durchaus zuverlässiger Mensch. Wenn sie mit der Eisenbahn fährt, so stehe ich dafür, daß wir erfahren, wohin sie reist.«

»Wie klug von Dir, an Duncan zu denken!«

»Nicht im Mindesten, liebes Kind, Duncan ist mein Factotum, und das von mir eingeschlagene Verfahren liegt so nahe, daß wohl Jeder an meiner Stelle darauf gekommen wäre. Jetzt kommen wir zu dem wirklich schwierigen Punkt unserer Sache. Nehmen wir an, sie verschaffte sich einen Wagen.«

»Es giebt keine Wagen hier hemmt, außer an der Station.«

»Aber es giebt Pächter hier herum und Pächter haben leichte Wagen. ist im höchsten Grade unwahrscheinlich, daß sie ihr einen leihen würden, indessen überwinden Frauen Schwierigkeiten, vor denen Männer zurückschrecken, und Deine Freundin ist klug, Blanche. Verlaß Dich darauf, sie wird Alles aufbieten, Dich zu verhindern, ihrer Spur zu folgen. Ich gestehe, es wäre mir lieb, wenn wir Jemanden hätten, aus den wir uns verlassen könnten und der bereit wäre, an der Stelle, wo die beiden Wege sich von der nach der Eisenbahn führenden Straße abzweigen, herumzuschlendern. Ich muß nach einer anderen Richtung gehen, ich kann es daher nicht!«

»Arnold kann es thun!«

Sir Patrick sah etwas zweifelhaft aus. »Arnold ist ein vortrefflicher Junge«, sagte er, »aber können wir uns auf seine Discretion verlassen?«

»Er ist nächst Dir der discreteste Mensch, den ich kenne«, erwiderte Blanche zuversichtlich, »und was mehr ist, ich habe ihm, bis auf das, was heute vorgefallen, Alles über Anne erzählt und fürchte, ich werde ihm auch das erzählen, wenn ich mich, nachdem Du fort bist, einsam und elend fühle. Arnold hat etwas, ich kann nicht sagen was, das mich tröstet und beruhigt. Und wenn Du glaubst, daß er ein Geheimniß verrathen könnte, das ich ihm anvertraut habe, so weißt Du nicht, wie ergeben er mir ist!«

»Mein liebes Kind, ich bin nicht der bevorzugte Gegenstand seiner Verehrung, also kann ich das nicht wissen; darüber zu urtheilen bist Du allein competent —— —— —— Ich füge mich! Laß uns Arnold in’s Vertrauen ziehen! Ermahne ihn zur Vorsicht und laß ihn allein dahingehen, wo die Wege sich trennen! Jetzt giebt es nur noch einen Ort, wo sich möglicherweise eine Spur von ihr finden könnte, das ist der Gasthof von Craig-Fernie und dort die nothwendigen Erkundigungen einzuziehen, übernehme ich selbst.«

»In dem Gasthofe zu Craig-Fernie? Onkel, hast Du vergessen, was ich Dir erzählt habe?«

»Warte einen Augenblick, liebes Kind. Miß Silvester selbst hat den Gasthof verlassen, dafür stehe ich Dir, aber wenn uns unglücklicherweise alle unsere andern Mittel fehlschlagen sollten, so hat doch Miß Silvester in Craig-Fernie eine Spur zurückgelassen, diese Spur müssen wir für den Fall, daß Alles scheitern sollte, sofort verfolgen. Du scheinst mich nicht zu verstehen! Ich fahre, so rasch der Pony laufen kann, über die Haide. —— Jetzt bin ich bei dem zweiten der beiden Artikel angelangt, in welche Deine Geschichte nach, meiner Auffassung zerfällt. Was hat Dir Miß Silvester von dem, was sich im Gasthofe zugetragen hat, erzählt?«

»Sie verlor einen Brief im Gasthof?«

»Ganz richtig, sie verlor einen Brief, das ist ein Ereigniß.«

»Und der Kellner Bishopriggs hat sich mit Mrs. Inchbare gezankt und hat seine Stelle verloren.«

»Das ist ein zweites Ereigniß. Reden wir zuerst von dem Brief. Entweder sie hat ihn wirklich verloren oder er ist ihr gestohlen, und wenn wir, gleichviel welches von Beiden der Fall ist, des Briefes habhaft werden können, so ist wenigstens eine Chance vorhanden, daß er uns zu einer Entdeckung führt. Was demnächst Bishopriggs anlangt.« ——

»Du meinst doch nicht »den Kellner?«

»Allerdings! Bishopriggs besitzt zwei wichtige Eigenschaften. Er ist ein Ring in der Kette meiner Schlüsse und er gehört zu meinen alten Freunden.«

»Zu Deinen Freunden?«

»Wir leben in einer Zeit liebes Kind, wo ein Arbeiter von dem Andern, als »dem Herrn da« spricht. Ich halte mit meinem Zeitalter Schritt und fühle mich verpflichtet, meinen ehemaligen Schreiber meinen Freund zu nennen. Vor einigen Jahren bekleidete Bishopriggs die Stelle eines Schreibers auf meinem Bureau. Er ist einer der gescheitesten und gewissenlosesten alten Vagabunden in Schottland, vollkommen ehrlich bei gewöhnlichen Dingen, wo es sich um Geld handelt, aber vollkommen grundsatzlos in der Verfolgung seiner eigenen Interessen, wo es sich um einen an der feinen Grenzlinie des Strafgesetzes liegenden Vertrauensbruch handelt. Während er bei mir arbeitete, habe ich zwei unangenehme Entdeckungen gemacht. Ich fand, daß er sich ein Duplicat meines Siegels zu verschaffen gewußt und war zu dem stärksten Verdachte berechtigt, daß er mit den Papieren von zweien meiner Clienten Mißbrauch getrieben. Er hatte in beiden Fällen noch kein wirkliches Unheil angestiftet und ich hatte keine Zeit, die Sache weiter zu untersuchen. Ich entließ ihn als einen Menschen, zu dem man nicht das Vertrauen haben konnte, daß er irgend welche Papiere oder Briefe die durch seine Hand gehen, respectiren würde.«

»Ich begreife, lieber Onkel, ich begreife.«

»Jetzt ist Dir die Sache klar, nicht wahr? Wenn der von Miß Silvester vermißte Brief von keiner Wichtigkeit ist, so bin ich geneigt zu glauben, daß er in der That verloren ist und wiedergefunden werden kann, wenn aber in demselben irgend etwas enthalten ist, was der Person, die sich in seinem Besitz befindet, auch nur den entferntesten Vorteil in Aussicht stellen könnte, dann will ich, um mich der unleidlichen Ausdrucksweise unserer Tage zu bedienen, jede Wette eingehen, daß Bishopriggs den Brief in Händen hat!«

»Und nun hat er das Wirthshaus verlassen, wie unglücklich trifft sich das!«

»Unglücklich, insofern es einen Aufschub mit sich bringt, sonst nicht. Wenn ich mich nicht sehr irre, so wird Bishopriggs wieder in das Wirthshaus zurückkehren; der alte Spitzbube ist nämlich unbestreitbar ein höchst amüsanter Kerl. Ich erinnere mich auch noch sehr wohl, daß damals, als er aus meinem Bureau entlassen wurde, eine große Lücke auf demselben entstand. Glaube mir, alte Besucher von Craig-Fernie, namentlich englische, werden den Verlust Bishopriggs als den eines der Hauptanziehungspunkte des Gasthofes, beklagen. Mrs. Inchbare ist nicht die Frau, die aus Rücksichten auf ihre Würde ihrem Geschäfte zu nahe tritt. Sie und Bishopriggs werden früher oder später zusammenkommen und wieder gute Freunde werden. Nachdem ich ihr einige Fragen gestellt haben werde, die vielleicht zu sehr wichtigen Resultaten führen können, werde ich einen Brief für Bishopriggs in ihren Händen zurücklassen und ihm in diesem Briefe sagen, daß ich etwas für ihn zu thun habe. Ich werde ihm auch eine Adresse angeben, unter der er an mich schreiben kann. Und, verlaß Tich darauf, Blanche, ich werde von ihm hören, und wenn der Brief in seinem Besitz ist, denselben von ihm wieder erlangen.«

»Glaubst Du nicht, daß er, wenn er den Brief gestohlen hat, Anstand nehmen wird, es Dir zu gestehen?«

»Eine sehr richtige Frage, liebes Kind. Bei andern Leuten würde er vielleicht zaudern, aber ich habe meine eigene Art, mit ihm fertig zu werden, und ich weiß,wie ich ihn dahin bringen kann, mir die Sache zu gestehen. Nun genug von Bishopriggs, bis seine Zeit gekommen ist. Es kommt aber noch ein anderer Punkt in Bezug auf Miß Silvester in Betracht; vielleicht komme ich in den Fall, sie beschreiben zu müssen. Wie war sie gekleidet, als sie hier war? Vergiß nicht, daß ich ein Mann bin und wenn es einer Dame möglich ist, die Toilette in einer für einen Herrn verständlichen Sprache zu schildern, so sage mir, wie sie angezogen war.«

»Sie trug einen Strohhut mit Kornblumen und einem weißen Schleier. Kornblumen an der Seite, Onkel, was feiner ist, als in der Mitte. Ferner hatte sie einen leichten grauen Shawl und ein Piqué. . .«

»Laß mich mit Deinem Französisch in Ruhe! Kein Wort mehr! Ein Strohhut mit einem weißen Schleier und mit Kornblumen an der einen Seite des Hutes und ein leichter grauer Shawl. Mehr kann ein gewöhnlicher männlicher Geist nicht in sich aufnehmen und das ist genug. Jetzt bin ich orientirt und werde dadurch viel kostbare Zeit sparen können, soweit ist Alles in Ordnung. Jetzt sind wir am Ende unserer Conferenz, mit anderen Worten an der Thür des Stallhofes. Du weißt, was Du zu thun hast, während ich fort bin?«

»Ich habe Arnold nach dem Kreuzwege zu schicken und ich muß mich, wenn es mir möglich ist, benehmen, als wenn nichts vorgefallen wäre!«

»So ist es recht, mein Kind. Du verstehst auf ein halbes Wort und das ist eine unschätzbare Eigenschaft; Du wirst Dein künftiges häusliches Königreich zu regieren verstehen. Arnold wird nichts als ein constitutioneller Gemahl sein und das sind die einzigen Ehemänner, die wirklich glücklich sind. Wenn ich wiederkomme, erzähle ich Dir Alles, liebes Kind!

»Duncan, ist Dein Reisesack gepackt? Gut! Hast Du auch die Eisenbahntabelle? Gut! Nimm Du die Zügel, ich will nicht fahren, ich muß nachdenken und Fahren verträgt sich nicht mit geistiger Thätigkeit. Ein Mann der kutschirt, versetzt sich in den Geist seines Pferdes und muß, wenn er sein Ziel, ohne Gefahr umzuwerfen erreichen will, zu dem Niveau dieses nützlichen Hausthiers hinabsteigen. Gott segne Dich, Blanche! Duncan! Nach der Eisenbahn-Station!«


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