Zwei Schicksalswege

Die verwandten GeisterTHE KINDRED SPIRITS
Der Morgensonnenschein, der in ein schlecht verhängtes Fenster schien; ein ungeschicktes, hölzernes Bett, mit dicken Pfosten, die bis zur Decke reichten; an einer Seite des Bettes meiner Mutter willkommenes Gesicht; an der anderen Seite ein ältlicher Herr, der mir im Augenblick fremd erschien - das waren die Gegenstände, die sich meinen Blicken darboten, als ich zuerst wieder mit Bewusstsein zu der Welt zurückkehrte, in der wir leben.THE morning sunlight shining in at a badly curtained window; a clumsy wooden bed, with big twisted posts that reached to the ceiling; on one side of the bed, my mother's welcome face; on the other side, an elderly gentleman unremembered by me at that moment--such were the objects that presented themselves to my view, when I first consciously returned to the world that we live in.
»Sehen Sie, sehen Sie Doktor, er kommt wieder zur Besinnung.«"Look, doctor, look! He has come to his senses at last."
»Öffnen sie den Mund, mein Herr, und nehmen Sie einen Schluck hiervon.«"Open your mouth, sir, and take a sup of this."
An einer Seite des Bettes saß meine Mutter und erfreute sich an meinem Anblick und von der andern reichte mir der unbekannte Herr, der als »Doktor« angeredet wurde, einen Löffel voll Branntwein und Wasser. Er nannte das »das Lebenselixier« und bat mich zu beachten, er sprach mit starkem, schottischem Akzent, dass er selbst auch davon genösse, um mich von der Wahrheit seiner Aussage zu überzeugen.My mother was rejoicing over me on one side of the bed; and the unknown gentleman, addressed as "doctor," was offering me a spoonful of whisky-and-water on the other. He called it the "elixir of life"; and he bid me remark (speaking in a strong Scotch accent) that he tasted it himself to show he was in earnest.
Das Reizmittel tat seine guten Dienste. Mein Kopf war weniger schwindlig; mein Bewusstsein wurde klarer. Ich konnte mich einigermaßen auf die Hauptereignisse des letzten Abends besinnen. Eine oder zwei Minuten später - und in meinem Gedächtnis tauchte lebhaft das Bild derjenigen auf, um deren Person sich alle diese Ereignisse gedreht hatten. Ich versuchte mich im Bett auszurichten und fragte ungeduldig: »Wo ist sie?« Der Doktor reichte mir einen zweiten Löffel voll von dem Lebenselixier und wiederholte mir ernst seine erste Anrede.The stimulant did its good work. My head felt less giddy, my mind became clearer. I could speak collectedly to my mother; I could vaguely recall the more marked events of the previous evening. A minute or two more, and the image of the person in whom those events had all centered became a living image in my memory. I tried to raise myself in the bed; I asked, impatiently, "Where is she?" The doctor produced another spoonful of the elixir of life, and gravely repeated his first address to me.
»Öffnen Sie den Mund, mein Herr, und nehmen Sie einen Schluck hiervon.«"Open your mouth, sir, and take a sup of this."
Ich beharrte auf meiner Frage.I persisted in repeating my question:
»Wo ist sie?«"Where is she?"
Der Doktor beharrte auf seiner Verordnung.The doctor persisted in repeating his formula:
»Nehmen Sie einen Schluck hiervon.«"Take a sup of this."
Ich war zu schwach, um über die Sache zu streiten und - gehorchte.I was too weak to contest the matter; I obeyed.
Mein ärztlicher Beistand nickte meiner Mutter über mein Bett hin zu, und sagte: »Nun wird es werden!« Meine Mutter empfand Mitleid mit mir und befreite mich mit einigen Worten aus meiner Unruhe:My medical attendant nodded across the bed to my mother, and said, "Now, he'll do." My mother had some compassion on me. She relieved my anxiety in these plain words:
»Dank der Hilfe des Herrn Doktors hier wird die Dame bald wieder hergestellt sein, George.«"The lady has quite recovered, George, thanks to the doctor here."
Ich sah meinen ärztlichen Kollegen mit erneutem Interesse an. Er war also der rechtmäßige Urquell der Überzeugung, die mir beigebracht worden war, dass ich sterben müsse.I looked at my professional colleague with a new interest. He was the legitimate fountainhead of the information that I was dying to have poured into my mind.
»Wie haben Sie sie wieder zum Leben zurückgebracht?« fragte ich. »Wo ist sie jetzt?«"How did you revive her?" I asked. "Where is she now?"
Der Doktor erhob seine Hand und gemahnte mich zu schweigen.The doctor held up his hand, warning me to stop.
»Es wird Alles gut werden, mein Herr, wenn wir systematisch vorschreiten,« begann er in sehr entschiedener Weise. »Jedes Mal, wenn Sie den Mund öffnen, darf es nur geschehen, um einen Schluck hiervon zu nehmen, nicht aber um zu sprechen. Zur gehörigen Zeit werde ich sowohl als Ihre gute Frau Mutter Ihnen Alles sagen, was für Sie wissenswert ist. Da ich zufällig der Erste war, der, wie man es zu nennen pflegt auf dem Schauplatz der Tat erschien, so liegt es in der Natur der Sache, dass ich auch zuerst spreche. Erlauben Sie mir nur noch einen Löffel voll von dem Lebenselixier zu mischen - und dann werde ich, wie der Dichter sagt, meine schlichte ungeschmückte Geschichte erzählen.«"We shall do well, sir, if we proceed systematically," he began, in a very positive manner. "You will understand, that every time you open your mouth, it will be to take a sup of this, and not to speak. I shall tell you, in due course, and the good lady, your mother, will tell you, all that you have any need to know. As I happen to have been first on what you may call the scene of action, it stands in the fit order of things that I should speak first. You will just permit me to mix a little more of the elixir of life, and then, as the poet says, my plain unvarnished tale I shall deliver."
In dem sorgfältig gewähltesten Englisch, das ich je gehört habe, sprach er diese Worte mit seinem scharfen schottischen Akzent. Ein dickköpfiger, breitschultriger, halsstarriger Mann - es war vollkommen nutzlos mit ihm zu streiten. Zu meiner Ermutigung blickte ich meiner Mutter in ihr liebes Gesicht und ließ dem Doktor seinen Willen.So he spoke, pronouncing in his strong Scotch accent the most carefully selected English I had ever heard. A hard-headed, square-shouldered, pertinaciously self-willed man--it was plainly useless to contend with him. I turned to my mother's gentle face for encouragement; and I let my doctor have his own way.
»Mein Name ist Mac Glue,« fuhr er fort. »Bald nachdem Sie Ihren Wohnsitz in dieser Gegend aufgeschlagen hatten, gab ich mir die Ehre, Ihnen meine Aufwartung zu machen. Sie erinnern sich meiner jetzt nicht, was bei dem unsicheren Zustand Ihres Gedächtnisses sehr begreiflich ist. Da Sie selbst Arzt sind, werden Sie sich erklären, dass dieser Zustand von dem starken Blutverlust herrührt.«"My name," he proceeded, "is MacGlue. I had the honor of presenting my respects at your house yonder when you first came to live in this neighborhood. You don't remember me at present, which is natural enough in the unbalanced condition of your mind, consequent, you will understand (as a professional person yourself) on copious loss of blood."
Hier riss mir die Geduld.There my patience gave way.
»Bitte, lassen Sie mich ganz aus dem Spiel,« warf ich ein. »Sprechen Sie mir nur von der Dame.«"Never mind me!" I interposed. "Tell me about the lady!"
»Sie haben den Mund geöffnet, mein Herr!« rief Mr. Mac Glue streng. »Sie wissen die Strafe, die darauf steht - nehmen Sie einen Schluck hiervon. Ich sagte Ihnen, dass wir systematisch vorgehen müssten,« fuhr er fort, nachdem er mich gezwungen hatte, mich seiner Strafe zu unterziehen. »Jedes Ding zu seiner Zeit, Mr. Germaine, jedes Ding zu seiner Zeit. Ich sprach von Ihrem körperlichen Zustand. Nun mein Herr, wie entdeckte ich Ihren körperlichen Zustand? Zu Ihrem Glück fuhr ich gestern Abend auf dem unteren Wege, das ist der Weg am Ufer des Flusses, nach Hause; als ich mich in der Nähe dieses Gasthauses, sie nennen es zwar Hotel, aber es ist nur ein Gasthaus, befand, hörte ich das Geschrei der Wirtin schon eine halbe Meile vorher. Wenn Alles im Geleise ist, sehen Sie, dann ist sie eine gute Frau, aber ganz unbrauchbar im Notfall. Halten Sie sich ruhig, ich komme nun zur Sache. Ich ging also hinein, um zu hören, ob das Geschrei durch irgendetwas veranlasst sei, was ärztliche Hilfe wünschenswert mache und da fand ich Sie und die fremde Dame - in einer Lage, die aufrichtig gesagt, was die Schicklichkeit anlangte, einiges zu wünschen übrig ließ. Still! Still! Ich spreche im Scherz - Sie waren beide ohnmächtig. Als ich die Erzählung der Wirtin angehört und nach besten Kräften Erzählung und Erregung voneinander getrennt hatte, befand ich mich, während die Frau weiter sprach, im Zwiespalt, welchem von zwei Gesetzen ich zuerst gehorchen sollte. Das Gesetz der Galanterie gebot mir zuerst die Dame zum Gegenstande meiner ärztlichen Fürsorge zu machen - während das Gesetz der Menschlichkeit, da ich Sie noch immer bluten sah, mich gebieterisch an Sie wies. Ich bin kein Jüngling mehr - so ließ ich die Dame warten. Auf mein Wort! Mr. Germaine, Ihr Fall war kein leichter, besonders da wir Sie hier hinaufschaffen mussten. Mit Ihrer alten Wunde ist nicht zu scherzen mein Herr. Hüten Sie sich davor sie je wieder aufzureißen. Wenn Sie das nächste Mal abends spazieren gehen und eine Dame im Wasser finden - werden Sie im Interesse Ihrer Gesundheit am Besten tun, sie ruhig darin liegen zu lassen. Was sehe ich? Öffnen Sie schon wieder den Mund? Wünschen Sie wieder einen Schluck?«"You have opened your mouth, sir!" cried Mr. MacGlue, severely. "You know the penalty--take a sup of this. I told you we should proceed systematically," he went on, after he had forced me to submit to the penalty. "Everything in its place, Mr. Germaine--everything in its place. I was speaking of your bodily condition. Well, sir, and how did I discover your bodily condition? Providentially for you I was driving home yesterday evening by the lower road (which is the road by the river bank), and, drawing near to the inn here (they call it a hotel; it's nothing but an inn), I heard the screeching of the landlady half a mile off. A good woman enough, you will understand, as times go; but a poor creature in any emergency. Keep still, I'm coming to it now. Well, I went in to see if the screeching related to anything wanted in the medical way; and there I found you and the stranger lady in a position which I may truthfully describe as standing in some need of improvement on the score of propriety. Tut! tut! I speak jocosely--you were both in a dead swoon. Having heard what the landlady had to tell me, and having, to the best of my ability, separated history from hysterics in the course of the woman's narrative, I found myself, as it were, placed between two laws. The law of gallantry, you see, pointed to the lady as the first object of my professional services, while the law of humanity (seeing that you were still bleeding) pointed no less imperatively to you. I am no longer a young man: I left the lady to wait. My word! it was no light matter, Mr. Germaine, to deal with your case, and get you carried up here out of the way. That old wound of yours, sir, is not to be trifled with. I bid you beware how you open it again. The next time you go out for an evening walk and you see a lady in the water, you will do well for your own health to leave her there. What's that I see? Are you opening your mouth again? Do you want another sup already?"
»Er möchte mehr über die Dame hören,« sagte meine Mutter, meine Wünsche verdolmetschend."He wants to hear more about the lady," said my mother, interpreting my wishes for me.
»Ach so über die Dame,« fuhr Mac Glue fort. Er machte dabei den Eindruck eines Mannes, dem das vorgeschlagene Gesprächsthema nicht sehr anziehend erschien. »Über die Dame weiß ich nicht viel zu sagen. Sie ist ohne Zweifel eine schöne Frau. Wenn man ihr das Fleisch von den Knochen abziehen könnte, würde man ein herrliches Skelett darunter finden. Denn, glauben Sie mir, es gibt keine schön geformte Frau, die nicht bei ihrer Entstehung ein gutes Knochengerüst mitbekommen hat. Ich halte nicht viel von dieser Dame, - vom sittlichen Standpunkte aus, verstehen Sie. Wenn Sie mir gestatten, Madame, meine Ansicht auszusprechen, so glaube ich unbedingt, dass im Hintergrund dieser dramatischen Aufführung auf der Brücke, die sie gemacht hat, ein Mann steckt. Da ich aber entschieden nicht der Mann bin so geht mich die Sache nichts an. Ich hatte nur die Pflicht, die lebende Maschine wieder in Gang zu bringen und, weiß der Himmel, das war ein gutes Stück Arbeit! Der Fall war noch schwieriger als der Ihre, mein Herr. In meinen langen Erfahrungen sind mir noch nie zwei Menschen begegnet, die so wenig bereit waren zu dieser Welt und ihren Mängeln zurückzukehren als Sie beide. Als mir nun endlich das Werk gelungen war und ich selbst vor Anstrengung und Ermüdung fast ohnmächtig wurde, raten Sie - dieses eine Mal erlaube ich Ihnen zu sprechen - raten Sie, welches die ersten Worte der Dame waren, als sie wieder zum Bewusstsein kam!«"Oh, the lady," resumed Mr. MacGlue, with the air of a man who found no great attraction in the subject proposed to him. "There's not much that I know of to be said about the lady. A fine woman, no doubt. If you could strip the flesh off her bones, you would find a splendid skeleton underneath. For, mind this! there's no such thing as a finely made woman without a good bony scaffolding to build her on at starting. I don't think much of this lady--morally speaking, you will understand. If I may be permitted to say so in your presence, ma'am, there's a man in the background of that dramatic scene of hers on the bridge. However, not being the man myself, I have nothing to do with that. My business with the lady was just to set her vital machinery going again. And, Heaven knows, she proved a heavy handful! It was even a more obstinate case to deal with, sir, than yours. I never, in all my experience, met with two people more unwilling to come back to this world and its troubles than you two were. And when I had done the business at last, when I was wellnigh swooning myself with the work and the worry of it, guess--I give you leave to speak for this once--guess what were the first words the, lady said to me when she came to herself again."
Ich war zu erregt, um nachdenken zu können. »Ich kann nicht raten!« sagte ich ungeduldig.I was too much excited to be able to exercise my ingenuity. "I give it up!" I said, impatiently.
»Ja, geben Sie es nur auf,« bemerkte Mr. Mac Glue. »Die ersten Worte, die sie an den Mann richtete, der sie dem Rachen des Todes entrissen hatte«, waren diese: »Wie konnten Sie wagen mein Vorhaben zu stören? Warum ließen Sie mich nicht sterben?« Ich kann einen Eid darauf leisten, dass dieses ihre eigenen Worte sind. Ich war so gereizt dadurch, dass ich sie mit ihrer eigenen Münze bezahlte, wie man zu sagen pflegt. »Der Fluss ist hier ganz nah, Madame«, sagte ich. »Führen Sie Ihr Vorhaben aus. Ich verspreche Ihnen, dass ich meinerseits keine Hand rühren werde, um sie zu retten.« Sie sah mich scharf an. »Sind Sie der Mann, der mich aus dem Wasser zog?« fragte sie. »Gott bewahre! Nein,« sagte ich. »Ich bin nur der Arzt, der töricht genug war sich nachher an Ihre Behandlung zu wagen.« Sie wendete sich zur Wirtin: »Wer zog mich aus dem Flusse?« fragte sie. Die Wirtin sagte es ihr - und nannte Ihren Namen. »Germaine?« sprach sie zu sich selbst. »Ich kenne niemand des Namens; ob er der Mann sein mag, der auf der Brücke mit mir sprach?« »Ja,« sagte die Wirtin; »Mr. Germaine sagte, dass er Sie auf der Brücke traf.« Als sie das hörte, dachte sie ein Weilchen nach und dann verlangte sie Mr. Germaine zu sehen. »Wer er auch sei,« sagte sie, »er hat sein Leben für meine Rettung eingesetzt und dafür bin ich ihm Dank schuldig.« »Heute Abend können Sie ihm nicht mehr danken,« versetzte ich, »er liegt hier oben und befindet sich zwischen Leben und Sterben; ich habe nach seiner Mutter geschickt - warten Sie bis morgen.« Sie drehte sich nach mir um, und sah halb erschreckt, halb erzürnt aus. »Ich kann nicht warten« sagte sie, »Sie wissen nicht, was Sie dadurch hier angerichtet haben, dass Sie mich zum Leben zurückbrachten; ich muss morgen diese Gegend verlassen; ich muss morgen aus Pertshire fort sein, wann kommt die erste Post, die nach Süden geht, hier vorüber?« Da mich die erste Post, die nach Süden geht, nichts anging, verwies ich sie an die Bewohner des Gasthauses. Nun die Dame hergestellt war, führte mich mein Beruf hinauf in dieses Zimmer, um zu sehen, wie es bei Ihnen ging. Sie befanden sich ganz nach Wunsch; ich fand Ihre gute Mutter an Ihrem Bett. So ging ich denn nach Hause, um zu sehen, wer von meinen gewöhnlichen Kranken mich erwartete. Als ich diesen Morgen zurückkam - erzählte mir die alberne Wirtin eine neue Geschichte. »Sie ist fort!« rief sie. »Wer ist fort?« fragte ich. »Die Dame,« sagte sie, »sie fuhr heute früh mit der ersten Post ab!«"You may well give it up," remarked Mr. MacGlue. "The first words she addressed, sir, to the man who had dragged her out of the very jaws of death were these: 'How dare you meddle with me? why didn't you leave me to die?' Her exact language--I'll take my Bible oath of it. I was so provoked that I gave her the change back (as the saying is) in her own coin. 'There's the river handy, ma'am,' I said; 'do it again. I, for one, won't stir a hand to save you; I promise you that.' She looked up sharply. 'Are you the man who took me out of the river?' she said. 'God forbid!' says I. 'I'm only the doctor who was fool enough to meddle with you afterward.' She turned to the landlady. 'Who took me out of the river?' she asked. The landlady told her, and mentioned your name. 'Germaine?' she said to herself; 'I know nobody named Germaine; I wonder whether it was the man who spoke to me on the bridge?' 'Yes,' says the landlady; 'Mr. Germaine said he met you on the bridge.' Hearing that, she took a little time to think; and then she asked if she could see Mr. Germaine. 'Whoever he is,' she says, 'he has risked his life to save me, and I ought to thank him for doing that.' 'You can't thank him tonight,' I said; 'I've got him upstairs between life and death, and I've sent for his mother: wait till to-morrow.' She turned on me, looking half frightened, half angry. 'I can't wait,' she says; 'you don't know what you have done among you in bringing me back to life. I must leave this neighborhood; I must be out of Perthshire to-morrow: when does the first coach southward pass this way?' Having nothing to do with the first coach southward, I referred her to the people of the inn. My business (now I had done with the lady) was upstairs in this room, to see how you were getting on. You were getting on as well as I could wish, and your mother was at your bedside. I went home to see what sick people might be waiting for me in the regular way. When I came back this morning, there was the foolish landlady with a new tale to tell 'Gone!' says she. 'Who's gone?' says I. 'The lady,' says she, 'by the first coach this morning!' "
»Sie wollen mir doch nicht sagen, dass sie dieses Haus verlassen hat?« rief ich aus."You don't mean to tell me that she has left the house?" I exclaimed.
»Ja, gewiss!« sagte der Doktor, so bestimmt wie immer. »Fragen Sie Ihre Frau Mutter, die wird es Ihnen nach Herzenslust bestätigen. Ich muss noch andere Kranke besuchen - und bin eben auf meiner Rundfahrt begriffen. Sie werden nichts mehr von der Dame sehen und ich denke das ist das Beste! In zwei Stunden bin ich wieder zurück und wenn sich Ihr Zustand inzwischen nicht verschlimmert hat, will ich versuchen Sie aus diesem unbehaglichen Ort in Ihr bequemes, wohlbekanntes Bett daheim zu übersiedeln. Aber lassen Sie ihn nicht sprechen, Madame, - lassen Sie ihn nicht sprechen!«"Oh, but I do!" said the doctor, as positively as ever. "Ask madam your mother here, and she'll certify it to your heart's content. I've got other sick ones to visit, and I'm away on my rounds. You'll see no more of the lady; and so much the better, I'm thinking. In two hours' time I'll be back again; and if I don't find you the worse in the interim, I'll see about having you transported from this strange place to the snug bed that knows you at home. Don't let him talk, ma'am, don't let him talk."
Mit diesen Abschiedsworten verließ uns Mr. Mac Glue.With those parting words, Mr. MacGlue left us to ourselves.
»Ist es wirklich wahr?« fragte ich meine Mutter."Is it really true?" I said to my mother.
»Hat Sie das Gasthaus ohne mich zu sehen, verlassen?«"Has she left the inn, without waiting to see me?"
»Sie war nicht aufzuhalten, George,« antwortete meine Mutter. »Die Dame verließ das Gasthaus heute früh mit der Edinburgher Post.«"Nobody could stop her, George," my mother answered. "The lady left the inn this morning by the coach for Edinburgh."
Ich war tief betrübt und bitter enttäuscht. Ja »bitter« ist das rechte Wort, obgleich sie mir eine Fremde war.I was bitterly disappointed. Yes: "bitterly" is the word--though she was a stranger to me.
»Sahst Du sie selbst?« fragte ich."Did you see her yourself?" I asked.
»Ich sah sie einige Minuten lang, lieber Sohn, als ich auf dem Wege zu Deinem Zimmer war.«"I saw her for a few minutes, my dear, on my way up to your room."
»Was sagte sie?«"What did she say?"
»Sie bat mich, sie bei Dir zu entschuldigen. Sie sagte: »Teilen Sie Mr. Germaine mit, dass meine Lage furchtbar ist: mir kann kein Mensch helfen. Ich muss fort von hier. Mein verflossenes Leben ist in diesem Augenblicke ebenso entschieden beendet, als hätte Ihr Sohn mich gestern in dem Flusse ertrinken lassen. Ich muss an einem neuen Ort ein neues Leben zu beginnen versuchen. Bitten Sie Mr. Germaine in meinem Namen um Vergebung, dass ich abreise, ohne ihm gedankt zu haben. Ich darf nicht zögern! Man könnte mich verfolgen und auffinden. Es gibt einen Menschen, den ich entschlossen bin nie wieder zu sehen - nie! nie! nie! Leben Sie wohl; versuchen Sie mir zu vergeben.«"She begged me to make her excuses to you. She said, 'Tell Mr. Germaine that my situation is dreadful; no human creature can help me. I must go away. My old life is as much at an end as if your son had left me to drown in the river. I must find a new life for myself, in a new place. Ask Mr. Germaine to forgive me for going away without thanking him. I daren't wait! I may be followed and found out. There is a person whom I am determined never to see again--never! never! never! Good-by; and try to forgive me!'
Sie barg ihr Gesicht in ihre Hände und schwieg. Ich bemühte mich ihr Vertrauen zu gewinnen - es war vergebens; ich musste sie verlassen. Diese unglückliche Frau, George, muss maßlos elend sein und sie ist ein so herzgewinnendes Geschöpf! Es war mir unmöglich ihr mein Mitleid zu versagen, ob sie es verdient oder nicht. Ein tiefes Geheimnis umgibt sie, lieber Sohn. Sie spricht Englisch ohne jeden fremdartigen Akzent - und doch trägt sie einen fremden Namen.She hid her face in her hands, and said no more. I tried to win her confidence; it was not to be done; I was compelled to leave her. There is some dreadful calamity, George, in that wretched woman's life. And such an interesting creature, too! It was impossible not to pity her, whether she deserved it or not. Everything about her is a mystery, my dear. She speaks English without the slightest foreign accent, and yet she has a foreign name."
»Sagte sie Dir ihren Namen?«"Did she give you her name?"
»Nein - und ich wollte sie nicht danach fragen. Die Wirtin hier ist aber keine sehr rückhaltende Person, sie erzählte mir, dass sie die Wäsche der Unglücklichen noch gesehen habe, während sie am Feuer getrocknet wurde. Der Name, den sie trug war: »Van Brandt.«"No, and I was afraid to ask her to give it. But the landlady here is not a very scrupulous person. She told me she looked at the poor creature's linen while it was drying by the fire. The name marked on it was, 'Van Brandt.' "
»Van Brandt?« wiederholte ich. »Das klingt, wie ein holländischer Name. Du sagst aber, dass sie wie eine Engländerin sprach, vielleicht ist sie in England geboren.«"Van Brandt?" I repeated. "That sounds like a Dutch name. And yet you say she spoke like an Englishwoman. Perhaps she was born in England."
»Oder vielleicht ist sie verheiratet,« fügte meine Mutter hinzu, »und van Brandt ist der Name ihres Mannes.«"Or perhaps she may be married," suggested my mother; "and Van Brandt may be the name of her husband."
Der Gedanke, dass sie verheiratet sein möchte, war mir unbehaglich. Ich wünschte meine Mutter hätte diese Vermutung nicht ausgesprochen. Ich weigerte mich sie zu teilen und beharrte in meinem Glauben, dass die Fremde unvermählt sei, dann konnte ich mir ja gestatten, ungehindert an sie zu denken; ich konnte dann ja hoffen die Spur der reizenden Fliehenden zu entdecken, die mir ein so hohes Interesse eingeflößt hatte und deren Selbstmordversuch mich fast das Leben gekostet hätte. Freilich war die Hoffnung sie wiederzufinden zweifelhaft genug, wenn sie wirklich bis Edinburgh gereist war, - was ziemlich sicher schien, da sie unentdeckt bleiben wollte. Die große Stadt und mein schwacher Gesundheitszustand machten das Suchen dort sehr schwer und dennoch belebte mich die Hoffnung so, dass ich kein Gefühl der Niedergeschlagenheit empfand. Ich hatte die feste Überzeugung, oder ich sollte besser sagen, den sicheren Aberglauben, dass wir beide, die wir beinah mit einander gestorben wären, die wir vereint zum Leben zurückgerufen waren, auch bestimmt sein mussten in Zukunft noch gemeinsame Freuden oder Schmerzen zu durchleben. »Ich denke, ich werde sie wiedersehen,« war mein letzter Gedanke, ehe die Schwäche mich übermannte und ich in einen friedlichen Schlummer sank.The idea of her being a married woman had something in it repellent to me. I wished my mother had not thought of that last suggestion. I refused to receive it. I persisted in my own belief that the stranger was a single woman. In that character, I could indulge myself in the luxury of thinking of her; I could consider the chances of my being able to trace this charming fugitive, who had taken so strong a hold on my interest--whose desperate attempt at suicide had so nearly cost me my own life. If she had gone as far as Edinburgh (which she would surely do, being bent on avoiding discovery), the prospect of finding her again--in that great city. and in my present weak state of health--looked doubtful indeed. Still, there was an underlying hopefulness in me which kept my spirits from being seriously depressed. I felt a purely imaginary (perhaps I ought to say, a purely superstitious) conviction that we who had nearly died together, we who had been brought to life together, were surely destined to be involved in some future joys or sorrows common to us both. "I fancy I shall see her again," was my last thought before my weakness overpowered me, and I sunk into a peaceful sleep.
In derselben Nacht wurde ich von dem Gasthause nach meinem eigenen Zimmer gebracht und in dieser Nacht sah ich sie im Traum wieder.That night I was removed from the inn to my own room at home; and that night I saw her again in a dream.
Ihr Bild war mir ebenso lebhaft gegenwärtig, als das so ganz verschiedene der kleinen Mary, wie ich sie in früheren Tagen erblickt hatte. Die Traumgestalt der Frau war gekleidet wie ich sie auf der Brücke gesehen hatte. Sie trug denselben breitgeränderten Gartenhut von Stroh. Sie sah mich an, wie sie mich angesehen hatte, als ich mich ihr in dem matten Abendlicht genähert hatte, bald aber verklärte sich ihr Gesicht durch ein göttlich schönes Lächeln und sie flüsterte in mein Ohr: »Freund, kennst du mich?«The image of her was as vividly impressed on me as the far different image of the child Mary, when I used to see it in the days of old. The dream-figure of the woman was robed as I had seen it robed on the bridge. She wore the same broad-brimmed garden-hat of straw. She looked at me as she had looked when I approached her in the dim evening light. After a little her face brightened with a divinely beautiful smile; and she whispered in my ear, "Friend, do you know me?"
Ich kannte sie sicherlich und - doch hatte ich ein unbegreifliches Gefühl von Zweifel. Obgleich ich sie im Traum als die Fremde erkannte, die mich so lebhaft beschäftigte, war ich doch unzufrieden mit mir selbst, als hätte ich sie nicht recht erkannt. Mit diesem Gedanken erwachte ich und schlief die Nacht über nicht mehr.I knew her, most assuredly; and yet it was with an incomprehensible after-feeling of doubt. Recognizing her in my dream as the stranger who had so warmly interested me, I was, nevertheless, dissatisfied with myself, as if it had not been the right recognition. I awoke with this idea; and I slept no more that night.
In drei Tagen war ich kräftig genug mit meiner Mutter auszufahren und zwar in dem bequemen, altmodischen, offenen Wagen, der Mr. Germaine gehört hatte.In three days' time I was strong enough to go out driving with my mother, in the comfortable, old-fashioned, open carriage which had once belonged to Mr. Germaine.
Am vierten Tage beschlossen wir einen Ausflug nach einem kleinen Wasserfall in unserer Nachbarschaft zu machen. Meine Mutter hatte eine große Vorliebe für diesen Ort und hatte den Wunsch ausgesprochen, ein Andenken daran zu besitzen. Ich beschloss mein Skizzenbuch mitzunehmen, für den Fall, dass ich mich kräftig genug fühlen würde, um ihr eine Zeichnung von ihrer Lieblingslandschaft zu machen. Ich fand das Skizzenbuch, das ich suchte und das ich seit Jahren nicht benutzt hatte, in einem alten Schreibtisch, der seit meiner Abreise nach Indien nicht geöffnet worden war. Während des Suchens zog ich einen Schubkasten in dem Tisch auf und fand darin eine Reliquie aus alter Zeit - meiner armen, kleinen Mary erste Stickerei - die grüne Flagge!On the fourth day we arranged to make an excursion to a little waterfall in our neighborhood. My mother had a great admiration of the place, and had often expressed a wish to possess some memorial of it. I resolved to take my sketch-book: with me, on the chance that I might be able to please her by making a drawing of her favorite scene. Searching for the sketch-book (which I had not used for years), I found it in an old desk of mine that had remained unopened since my departure for India. In the course of my investigation, I opened a drawer in the desk, and discovered a relic of the old times--my poor little Mary's first work in embroidery, the green flag!
Der Anblick des vergessenen Talismanes führte meine Erinnerung zu des Vogtes Hause zurück, ich gedachte der Dame Dermody und ihrer vertrauensvollen Prophezeiung für Mary und mich.The sight of the forgotten keepsake took my mind back to the bailiff's cottage, and reminded me of Dame Dermody, and her confident prediction about Mary and me.
Ich lächelte, als ich mir die Behauptung der alten Frau zurückrief, dass es in Zukunft keiner menschlichen Macht gelingen würde, die verwandten Geister dieser Kinder zu trennen. Was war aus den prophezeiten Träumen geworden, durch die wir während unserer Trennungszeit miteinander verkehren sollten? Jahre waren vergangen und ich hatte weder schlafend noch wachend etwas von Mary gesehen. Jahre waren vergangen und das erste Traumbild, das mir von einem Weibe erschienen, war, vor wenigen Nächten, das Bild der Frau gewesen, die ich vom Ertrinken gerettet hatte! Ich dachte über diese Ereignisse und Wechsel in meinem Leben nach - aber ohne Zorn und Bitterkeit. Die neue Liebe, die sich in mein Herz geschlichen hatte, machte mich sanfter und milder. Ich sprach zu mir selbst: »Arme kleine Mary!« - und küsste die grüne Flagge in dankbarer Erinnerung an jene Tage, die nimmer wiederkehren konnten.I smiled as I recalled the old woman's assertion that no human power could "hinder the union of the kindred spirits of the children in the time to come." What had become of the prophesied dreams in which we were to communicate with each other through the term of our separation? Years had passed; and, sleeping or waking, I had seen nothing of Mary. Years had passed; and the first vision of a woman that had come to me had been my dream a few nights since of the stranger whom I had saved from drowning. I thought of these chances and changes in my life, but not contemptuously or bitterly. The new love that was now stealing its way into my heart had softened and humanized me. I said to myself, "Ah, poor little Mary!" and I kissed the green flag, in grateful memory of the days that were gone forever.
Wir fuhren nach dem Wasserfall.We drove to the waterfall.
Es war ein herrlicher Tag: die einsame Waldgegend war so strahlend und schön! Der Besitzer des Ortes hatte ein hölzernes Lusthaus, das eine Aussicht auf den niederstürzenden Strom bot, zur Bequemlichkeit der Besucher erbaut. Meine Mutter bat mich, zu versuchen, ob ich nicht von dieser Stelle aus die Aussicht aufnehmen könnte. Ich bemühte mich ihr den Gefallen zu tun, aber das Resultat befriedigte mich nicht und ich gab das Zeichnen auf, ehe ich halb fertig war. Skizzenbuch und Bleistift auf dem Tische des Lusthauses zurücklassend, schlug ich meiner Mutter vor einen Gang über die kleine hölzerne Brücke zu machen, die den Strom dicht bei seinem Fall überspannt, um zu sehen, wie sich die Landschaft von dem neuen Gesichtspunkte aus ausnahm.It was a beautiful day; the lonely sylvan scene was at its brightest and best. A wooden summer-house, commanding a prospect of the falling stream, had been built for the accommodation of pleasure parties by the proprietor of the place. My mother suggested that I should try to make a sketch of the view from this point. I did my best to please her, but I was not satisfied with the result; and I abandoned my drawing before it was half finished. Leaving my sketch-book and pencil on the table of the summer-house, I proposed to my mother to cross a little wooden bridge which spanned the stream, below the fall, and to see how the landscape looked from a new point of view.
Die Ansicht des Wasserfalles, vom entgegengesetzten Ufer aus gesehen, bot für einen mittelmäßigen Zeichner, wie ich es war, noch größere Schwierigkeiten, als die eben verlassene. Wir kehrten also zum Lusthause zurück.The prospect of the waterfall, as seen from the opposite bank, presented even greater difficulties, to an amateur artist like me, than the prospect which he had just left. We returned to the summer-house.
Ich näherte mich zuerst der geöffneten Tür, stand aber, durch eine unerwartete Entdeckung am Eintreten gehindert, plötzlich still. Das Haus war nicht mehr leer, wie wir es verlassen hatten. Eine Dame saß am Tisch, meinen Bleistift in der Hand, in meinem Skizzenbuche schreibend!I was the first to approach the open door. I stopped, checked in my advance by an unexpected discovery. The summer-house was no longer empty as we had left it. A lady was seated at the table with my pencil in her hand, writing in my sketch-book!
Nach einigem Zögern trat ich näher zur Tür und hielt dann wieder, in atemlosem Erstaunen, inne. Die Fremde in dem Lusthause war keine Andere, als die Frau, die sich von der Brücke aus den Tod geben wollte!After waiting a moment, I advanced a few steps nearer to the door, and stopped again in breathless amazement. The stranger in the summer-house was now plainly revealed to me as the woman who had attempted to destroy herself from the bridge!
Darüber war kein Zweifel. Es war dasselbe Kleid; es war das unvergessliche Gesicht, das ich im Abendlicht gesehn, das mir noch vor wenigen Nächten im Traum erschienen war! Ja, es war dieselbe Frau - ich sah sie so deutlich, wie ich die Sonne auf den Wasserfall scheinen sah - es war dieselbe, mit meinem Bleistift in der Hand, in meinem Buche schreibend!There was no doubt about it. There was the dress; there was the memorable face which I had seen in the evening light, which I had dreamed of only a few nights since! The woman herself--I saw her as plainly as I saw the sun shining on the waterfall--the woman herself, with my pencil in her hand, writing in my book!
Meine Mutter stand dicht hinter mir: sie sah meine Erregung. »George, was ist Dir!« rief sie aus.My mother was close behind me. She noticed my agitation. "George!" she exclaimed, "what is the matter with you?"
Ich wies durch die offene Tür des Lusthauses.I pointed through the open door of the summer-house.
»Nun?« fragte meine Mutter, »was ist da zu sehen?«"Well?" said my mother. "What am I to look at?"
»Siehst Du nicht jemand am Tisch sitzen und in meinem Skizzenbuche schreiben?«"Don't you see somebody sitting at the table and writing in my sketch-book?"
Meine Mutter blickte mich erstaunt an. »Sollte er wieder krank werden?« sagte sie zu sich selbst.My mother eyed me quickly. "Is he going to be ill again?" I heard her say to herself.
Im selben Augenblick legte die Frau den Bleistift aus der Hand und erhob sich langsam.At the same moment the woman laid down the pencil and rose slowly to her feet.
Sie sah mich mit traurigen, bittenden Augen an, und erhob ihre Hand, indem sie mir winkte. Ich gehorchte. Mich unwillkürlich vorwärts bewegend, fühlte ich mich durch eine unwiderstehliche Macht näher und näher zu ihr gezogen, ich erstieg die kleine Treppe, die zu dem Lusthause führte. Wenige Schritte vor ihr stand ich still. Sie trat zu mir heran und legte ihre Hand auf meine Brust. Ihre Berührung erfüllte mich mit einem wunderbar gemischten Gefühl von Entzücken und Ehrfurcht. Nach einigen Augenblicken sprach sie, in leisen, melodischen Tönen, die sich in meinem Ohr mit dem fernen Rauschen des Wasserfalls vermischten, bis sie zu einem Tone verschwammen. Ich hörte das Rauschen, ich hörte von ihrer Stimme die Worte: »Gedenke mein. Komm zu mir.« Ihre Hand sank von meiner Brust herab. Das helle Tageslicht in dem Zimmer verdunkelte sich einen Augenblick, wie durch einen flüchtigen Schatten. Ich sah mich nach ihr um, als es wieder hell wurde. Sie war verschwunden.She looked at me with sorrowful and pleading eyes: she lifted her hand and beckoned me to approach her. I obeyed. Moving without conscious will of my own, drawn nearer and nearer to her by an irresistible power, I ascended the short flight of stairs which led into the summer-house. Within a few paces of her I stopped. She advanced a step toward me, and laid her hand gently on my bosom. Her touch filled me with strangely united sensations of rapture and awe. After a while, she spoke in low melodious tones, which mingled in my ear with the distant murmur of the falling water, until the two sounds became one. I heard in the murmur, I heard in the voice, these words: "Remember me. Come to me." Her hand dropped from my bosom; a momentary obscurity passed like a flying shadow over the bright daylight in the room. I looked for her when the light came back. She was gone.
Ich kehrte zum Bewusstsein der Wirklichkeit zurück.My consciousness of passing events returned.
Die länger werdenden Schatten draußen machten mir klar, dass der Abend herannahte. Der Wagen stand vor dem Lusthause, um uns abzuholen. Meine Mutter hatte ihre Hand auf meinen Arm gelegt und sprach ängstlich zu mir. Es gelang mir, ihr durch ein Zeichen zu sagen, dass sie unbesorgt über mich sein möchte - mehr konnte ich nicht tun. Der Wunsch, mein Skizzenbuch zu sehen, erfüllte mich ganz und gar. So bestimmt ich die Frau gesehen hatte, so sicher hatte ich sie mit meinem Bleistift in der Hand, etwas in mein Buch schreiben sehen.I saw the lengthening shadows outside, which told me that the evening was at hand. I saw the carriage approaching the summerhouse to take us away. I felt my mother's hand on my arm, and heard her voice speaking to me anxiously. I was able to reply by a sign entreating her not to be uneasy about me, but I could do no more. I was absorbed, body and soul, in the one desire to look at the sketch-book. As certainly as I had seen the woman, so certainly I had seen her, with my pencil in her hand, writing in my book.
Ich trat an den Tisch, auf dem das geöffnete Buch lag. Ich sah den leeren Raum auf dem unteren Teil der Seite, auf der ich meine unvollendete Zeichnung begonnen hatte. Meine Mutter, die mir gefolgt war, blickte ebenfalls darauf.I advanced to the table on which the book was lying open. I looked at the blank space on the lower part of the page, under the foreground lines of my unfinished drawing. My mother, following me, looked at the page too.
Da war die Schrift! Die Frau war verschwunden - aber sie hatte die geschriebenen Worte zurückgelassen, die meiner Mutter sowohl, als mir sichtbar waren, die meine Mutter ebenso deutlich lesen konnte, als ich!There was the writing! The woman had disappeared, but there were her written words left behind her: visible to my mother as well as to me, readable by my mother's eyes as well as by mine!
Die Worte, die wir sahen, lauteten, in zwei Reihen geschrieben, wie ich sie hier abschreibe:These were the words we saw, arranged in two lines, as I copy them here:
Wenn der Vollmond scheint When the full moon shines
An Sankt Antonios Brunnen. On Saint Anthony's Well.


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