Zwei Schicksalswege

Miss Dunroß --
Meinen einzigen Trost bei dem gänzlichen Zusammensturz meiner Hoffnungen auf eine Heirat mit Frau van Brandt fand ich darin, dass ich mich ganz der heiligen Pflicht widmete, meine Mutter in ihren letzten Lebenstagen treu zu pflegen.I am writing prematurely of the time when the light came to me. My narrative must return to the time when I was still walking in darkness. Absorbed in watching over the closing days of my mother's life, I found in the performance of this sacred duty my only consolation under the overthrow of my last hope of marriage with Mrs. Van Brandt.
Ihr wurde allmählig der erfrischende Einfluss einer ruhigen Lebensweise und milderen Luft fühlbar. Leider konnte die Besserung in ihrer Gesundheit nur eine vorübergehende sein, das wusste ich nur zu wohl, dennoch war es mir ein Trost sie schmerzfrei zu wissen und sie in der Nähe ihres Sohnes harmlos glücklich zu sehen. Außer den Tages- und Nachtstunden, die der Ruhe gewidmet werden mussten, verließ ich sie nie. Bis zu dieser Stunde gedenke ich noch der Bücher, die ich ihr vorlas, der sonnigen Stelle am Meeresstrande, wo ich mit ihr saß, der Kartenspiele, die wir miteinander spielten, des unbedeutenden Alltagsgesprächs, das sie belustigte, wenn sie sich zu angegriffen für andere Beschäftigungen fühlte, mit einer Innigkeit wie sie an keiner anderen meiner Erinnerungen haftet. Das sind meine unvergänglichen Reliquien; auf diese Taten aus meinem Leben werde ich am freudigsten zurücksehen, wenn die Alles verhüllenden Schatten des Todes mich umschließen.By slow degrees my mother felt the reviving influences of a quiet life and a soft, pure air. The improvement in her health could, as I but too well knew, be only an improvement for a time. Still, it was a relief to see her free from pain, and innocently happy in the presence of her son. Excepting those hours of the day and night which were dedicated to repose, I was never away from her. To this day I remember, with a tenderness which attaches to no other memories of mine, the books that I read to her, the sunny corner on the seashore where I sat with her, the games of cards that we played together, the little trivial gossip that amused her when she was strong enough for nothing else. These are my imperishable relics; these are the deeds of my life that I shall love best to look back on, when the all-infolding shadows of death are closing round me.
Meine Gedanken, die sich in einsamen Stunden meist mit Personen und Ereignissen aus der Vergangenheit beschäftigten, wanderten unzählige Male zu Miß Dunroß und Shetland zurück. Kein Gefühl des Grauens begleitete nun mehr meine lästigen Zweifel über das, was der schwarze Schleier mir in Wirklichkeit verborgen haben mochte, wenn ich jetzt daran zurückdachte. Je entschiedener meine späteren Erinnerungen an Miss Dunroß mit der Vorstellung eines unsagbaren, körperlichen Gebrechens verknüpft waren, um so höher stieg die edle Natur dieses Weibes in meiner Achtung.In the hours when I was alone, my thoughts--occupying themselves mostly among the persons and events of the past--wandered back, many and many a time, to Shetland and Miss Dunross. My haunting doubt as to what the black veil had really hidden from me was no longer accompanied by a feeling of horror when it now recurred to my mind. The more vividly my later remembrances of Miss Dunross were associated with the idea of an unutterable bodily affliction, the higher the noble nature of the woman seemed to rise in my esteem.
Die Versuchung, dem Versprechen, das ich scheidend ihrem Vater gegeben hatte, ungetreu zu werden, trat zum ersten Male seit ich Shetland verlassen hatte an mich heran. Wenn ich wieder des in tiefer Nacht gestohlenen Kusses gedachte, wenn ich mir die zarte weiße Hand vergegenwärtigte, die mir durch die dunklen Vorhänge ihr letztes Lebewohl zuwinkte und wenn sich zu diesen Bildern die Erinnerung an das gesellte, was meine Mutter vermutete und Frau van Brandt im Traume gesehen hatte, wurde mein Verlangen, Miss Dunroß auf irgend eine Weise zu versichern, dass ihr Platz in meiner Erinnerung und in meinem Herzen unnehmbar sei, stärker, als dass menschliche Kraft ihr widerstehen konnte. Ich hatte mein Ehrenwort verpfändet, dass ich weder schreiben noch nach Shetland zurückkehren wollte. Tag für Tag erwog ich nun die Frage, wie ich auf irgend eine Weise im Geheimen mit ihr in Verbindung treten bunte. Es bedurfte nur eines Winkes, um mich auf die Fährte zu bringen und, aus Ironie des Zufalls, war es gerade meine Mutter durch die ich diesen Wink erhielt.For the first time since I had left Shetland, the temptation now came to me to disregard the injunction which her father had laid on me at parting. When I thought again of the stolen kiss in the dead of night; when I recalled the appearance of the frail white hand, waving to me through the dark curtains its last farewell; and when there mingled with these memories the later remembrance of what my mother had suspected, and of what Mrs. Van Brandt had seen in her dream--the longing in me to find a means of assuring Miss Dunross that she still held her place apart in my memory and my heart was more than mortal fortitude could resist. I was pledged in honor not to return to Shetland, and not to write. How to communicate with her secretly, in some other way, was the constant question in my mind as the days went on. A hint to enlighten me was all that I wanted; and, as the irony of circumstances ordered it, my mother was the person who gave me the hint.
Von Zeit zu Zeit sprachen wir immer noch von Frau van Brandt. Meine Mutter hatte sich vollkommen überzeugt, indem sie mich bei Gelegenheiten, wo wir mit Bekannten in Torquay zusammen waren, beobachtet hatte, dass keine andere Frau, welches auch immer ihre Reize sein mochten, in meinem Herzen den Platz einnehmen konnte, den die Frau besaß, die ich verloren hatte. Sie wollte, weil sie nur auf diesem Wege ein Glück für mich absah, den Gedanken an meine Verheiratung mit Frau van Brandt nicht aufgeben. Meine Mutter äußerte sich dahin, dass wenn eine Frau einem Manne ihre Liebe eingestanden hat, es nur an dem Manne selbst liegen kann, wenn er sie trotz aller ersinnlichen Hindernisse nicht doch zu seiner Gattin macht· Nachdem sie wiederholentlich ihre Ansicht dahin ausgesprochen hatte, zwang sie mich durch folgende Worte, sie auch eines Tages in Erwägung zu ziehen:We still spoke, at intervals, of Mrs. Van Brandt. Watching me on those occasions when we were in the company of friends and acquaintances at Torquay, my mother plainly discerned that no other woman, whatever her attractions might be, could take the place in my heart of the woman whom I had lost. Seeing but one prospect of happiness for me, she steadily refused to abandon the idea of my marriage. When a woman has owned that she loves a man (so my mother used to express her opinion), it is that man's fault, no matter what the obstacles may be, if he fails to make her his wife. Reverting to this view in various ways, she pressed it on my consideration one day in these words:
»Eines stört während unseres hiesigen Aufenthalts mein Glück, Georg. Ich bin Dir in Deinem Verkehr mit Frau van Brandt hinderlich.«"There is one drawback, George, to my happiness in being here with you. I am an obstacle in the way of your communicating with Mrs. Van Brandt."
»Du vergisst, dass sie England verlassen hat,« sagte ich, »ohne mir zu sagen, wo sie zu finden ist.«"You forget," I said, "that she has left England without telling me where to find her."
»Wäre ich Dir jetzt nicht eine Bürde, mein lieber Sohn, so würdest Du sie bald genug auffinden. Aber warum kannst Du ihr nicht unter den obwaltenden Verhältnissen wenigstens schreiben? Missdeute meine Gründe nicht, George! Wenn ich die geringste Hoffnung hätte, dass Du sie vergessen könntest, wenn ich Dich von einer der reizenden Frauen, die wir hier kennen, nur einigermaßen angezogen sähe, so würde ich sagen, wir wollen nie mehr an Frau van Brandt denken oder von ihr sprechen. Dein Herz, mein lieber Sohn, ist aber allen Weibern bis auf dieses eine verschlossen. Sei denn auf Deine Weise glücklich und lass mich das noch sehen bevor ich sterbe. Sicher wird der Elende, dem dieses arme Geschöpf sein Leben opfert, sie früher oder später schlecht behandeln oder verlassen und dann muss sie sich zu dir wenden. Benimm ihr also den Glauben, dass Du ihren Verlust ruhig erträgst. Je entschlossener Du ihren Bedenken entgegentrittst, je mehr wird sie Dich im Stillen lieben und verehren. Das ist so Frauenart. Schreibe ihr erst und sende ihr dann irgend ein kleines Geschenk. Du hattest neulich die Absicht, mich in das Atelier des jungen Künstlers zu führen, der kürzlich hier seine Karte abgegeben hat. Ich höre, dass er wundervolle Miniaturbilder malt. Warum willst Du Frau van Brandt nicht Dein Bild schicken?"If you were free from the incumbrance of your mother, my dear, you would easily find her. Even as things are, you might surely write to her. Don't mistake my motives, George. If I had any hope of your forgetting her--if I saw you only moderately attracted by one or other of the charming women whom we know here--I should say, let us never speak again or think again of Mrs. Van Brandt. But, my dear, your heart is closed to every woman but one. Be happy in your own way, and let me see it before I die. The wretch to whom that poor creature is sacrificing her life will, sooner or later, ill-treat her or desert her and then she must turn to you. Don't let her think that you are resigned to the loss of her. The more resolutely you set her scruples at defiance, the more she will love you and admire you in secret. Women are like that. Send her a letter, and follow it with a little present. You talked of taking me to the studio of the young artist here who left his card the other day. I am told that he paints admirable portraits in miniatures. Why not send your portrait to Mrs. Van Brandt?"
Das war ein Einfall, nach dem ich vergeblich gesucht hatte! Wenn das Bild auch ganz überflüssig war, um meine Sache bei Frau van Brandt zu vertreten, so war es das günstigste Mittel mit Miss Dunroß in Beziehungen zu treten, ohne gerade entschieden das Versprechen zu brechen, das ihr Vater mir abgefordert hatte. Ohne ihr ein Wort zu schreiben, ohne ihr eine Botschaft zu senden, konnte ich ihr auf diese Weise sagen, wie dankbar ich ihrer gedachte und konnte in den bittersten Augenblicken ihres trüben, einsamen Lebens, freundlich mein Andenken in ihr wach rufen.Here was the idea of which I had been vainly in search! Quite superfluous as a method of pleading my cause with Mrs. Van Brandt, the portrait offered the best of all means of communicating with Miss Dunross, without absolutely violating the engagement to which her father had pledged me. In this way, without writing a word, without even sending a message, I might tell her how gratefully she was remembered; I might remind her of me tenderly in the bitterest moments of her sad and solitary life.
Gleich an demselben Tage ging ich allein zu dem Künstler. Während der Stunden, die meine Mutter in ihrem Zimmer verbrachte, wurden die Sitzungen gehalten, bis das Bild vollendet war. Ich ließ es in ein einfaches, goldenes Medaillon mit einer Kette fassen und übergab sofort mein Geschenk der einzigen Person, von der ich sicher war, dass sie es an seinen Bestimmungsort befördern würde. Diese war der alte Freund, dessen in dieser Erzählung als Sir James erwähnt worden ist und der mich auf dem Regierungsschiff mit nach Shetland nahm.The same day I went to the artist privately. The sittings were afterward continued during the hours while my mother was resting in her room, until the portrait was completed. I caused it to be inclosed in a plain gold locket, with a chain attached; and I forwarded my gift, in the first instance, to the one person whom I could trust to assist me in arranging for the conveyance of it to its destination. This was the old friend (alluded to in these pages as "Sir James") who had taken me with him to Shetland in the Government yacht.
Es bedurfte keiner Rückhaltung als ich Sir James die nötigen Auseinandersetzungen schrieb, denn wir hatten damals auf der Rückreise mehr denn einmal vertraulich über Miss Dunroß gesprochen. Sir James hatte ihre traurige Geschichte von dem in Lerwick wohnenden Arzte gehört, da dieser ein alter Universitätsfreund war. Diesem Herrn bat ich ihn, mein Geschenk anzuvertrauen, und zögerte nicht, ihm bei diese Gelegenheit die Zweifel auszusprechen, die ich über das Geheimnis hegte, das der schwarze Schleier barg. Freilich war es unmöglich vorauszusagen, ob der Doktor diesen Zweifel heben konnte. Ich erlaubte mir nur den Vorschlag, durch eine ganz gebräuchliche Nachfrage nach dem Befinden der Miss Dunroß, den Gegenstand vorsichtig anzuregen.I had no reason, in writing the necessary explanations, to express myself to Sir James with any reserve. On the voyage back we had more than once spoken together confidentially of Miss Dunross. Sir James had heard her sad story from the resident medical man at Lerwick, who had been an old companion of his in their college days. Requesting him to confide my gift to this gentleman, I did not hesitate to acknowledge the doubt that oppressed me in relation to the mystery of the black veil. It was, of course, impossible to decide whether the doctor would be able to relieve that doubt. I could only venture to suggest that the question might be guardedly put, in making the customary inquiries after the health of Miss Dunross.
Bei der langsamen Verbindung, wie man sie in jener Zeit nur ermöglichen konnte, musste ich auf die Antwort von Sir James, nicht wie jetzt nur Tage, sondern Wochen warten. Sein Brief erreichte mich noch obenein erst nach ungewöhnlich langer Zeit. Ob dadurch oder durch andere mir unerklärliche Gründe veranlasst, es überkam mich so entschieden die Vorahnung schlechter Nachrichten, dass ich mich nicht entschließen konnte, das Siegel in Gegenwart meiner Mutter zu erbrechen. Ich wartete bis ich mich in mein Zimmer zurückziehen konnte - und öffnete da erst den Brief.In those days of slow communication, I had to wait, not for days, but for weeks, before I could expect to receive Sir James's answer. His letter only reached me after an unusually long delay. For this, or for some other reason that I cannot divine, I felt so strongly the foreboding of bad news that I abstained from breaking the seal in my mother's presence. I waited until I could retire to my own room, and then I opened the letter.
Meine Ahnung hatte mich nicht getäuscht. Sir Jamess Antwort enthielt nur folgende Worte »Die einliegenden Zeilen erzählen ohne meine weitere Ausführung ihre traurige Geschichte selbst. Ich beklage sie nicht, aber ich bin für Sie tief betrübt.«My presentiment had not deceived me. Sir James's reply contained these words only: "The letter inclosed tells its own sad story, without help from me. I cannot grieve for her; but I can feel sorry for you."
Der eben erwähnte Brief war von dem Arzte in Lerwick an Sir James gerichtet. Ich schreibe ihn ohne Zusatz wörtlich ab:The letter thus described was addressed to Sir James by the doctor at Lerwick. I copy it (without comment) in these words:
»Durch das stürmische Wetter der letzten Tage hat sich das Schiff, welches unseren Verkehr mit dem Festlande vermittelt, etwas verspätet. Ich erhielt Ihren Brief daher heute erst. Mit ihm zugleich kam eine kleine Schachtel an, die ein goldenes Medaillon an einer Kette enthielt, dessen Sie als das Geschenk erwähnen, welches ich auf Ihren Wunsch eigenhändig im Auftrage eines Ihrer Freunde, dessen Namen Sie nicht nennen können, an Miss Dunroß übergeben soll."The late stormy weather has delayed the vessel by means of which we communicate with the mainland. I have only received your letter to-day. With it, there has arrived a little box, containing a gold locket and chain; being the present which you ask me to convey privately to Miss Dunross, from a friend of yours whose name you are not at liberty to mention.
»Sie haben mich unbewusst, indem Sie mir diese Verhaltungsmaßregeln gaben, in eine sehr schwierige Lage gebracht."In transmitting these instructions, you have innocently placed me in a position of extreme difficulty.
Die unglückliche Dame, für die das Geschenk bestimmt ist, geht raschen Schrittes ihrem Ende entgegen - sie beschließt ein Leben, dessen mannigfache und furchtbare Leiden den Tod für sie wirklich als Gnade und Befreiung erscheinen lassen. Unter diesen traurigen Umständen ist es, wie ich glaube, wohl verzeihlich, wenn ich zögere ihr das Medaillon im Geheimen zu übergeben, weiß ich doch nicht mit welchen Erinnerungen dieses Andenken verknüpft ist und wie ernste Aufregungen es in ihr hervorrufen kann."The poor lady for whom the gift is intended is near the end of her life--a life of such complicated and terrible suffering that death comes, in her case, literally as a mercy and a deliverance. Under these melancholy circumstances, I am, I think, not to blame if I hesitate to give her the locket in secret; not knowing with what associations this keepsake may be connected, or of what serious agitation it may not possibly be the cause.
In dieser zweifelhaften Lage habe ich es gewagt, das Medaillon zu öffnen - und zögere nun um so mehr es abzugeben. Welche Erinnerungen sich für meine unglückliche Patientin an dieses Bild knüpfen, ahne ich natürlich nicht; ich weiß nicht ob sein Anblick sie in ihren letzten Lebensaugenblicken mit Freude oder Schmerz erfüllen wird. Ich habe also beschlossen es morgen bei meinem Besuche mit mir zu nehmen und es dann ganz von den Umständen abhängig zu machen, ob ich es ihr gebe oder nicht. Unsere Post geht erst in drei Tagen nach dem Süden ab, ich lasse diesen Brief also offen, bis ich Ihnen das Resultat mitteilen kann."In this state of doubt I have ventured on opening the locket, and my hesitation is naturally increased. I am quite ignorant of the remembrances which my unhappy patient may connect with the portrait. I don't know whether it will give her pleasure or pain to receive it, in her last moments on earth. I can only decide to take it with me, when I see her to-morrow, and to let circumstances determine whether I shall risk letting her see it or not. Our post to the South only leaves this place in three days' time. I can keep my letter open, and let you know the result.
»Soeben komme ich von meinem Besuch bei ihr nach Hause zurück. Ich bin ganz verzweifelt, dennoch will ich versuchen Ihnen klar und genau mitzuteilen, was sich zutrug."I have seen her; and I have just returned to my own house. My distress of mind is great. But I will do my best to write intelligibly and fully of what has happened.
Als ich sie heut morgen zuerst sah, hatten ihre sinkenden Kräfte sich für einige Augenblicke erholt. Die Wärterin meldete mir, dass sie die ersten Morgenstunden hindurch geschlafen hatte. Dem Schlafe waren Fiebersymptome mit leichten Fantasien vorangegangen. Die Worte, die ihr während dieses Zustandes entschlüpften, schienen sich hauptsächlich auf einen Abwesenden zu beziehen, den sie »George« nannte. Wie man mir berichtete, war es ihr lebhaftestes Verlangen »George« noch vor ihrem Tode wiederzusehen."Her sinking energies, when I first saw her this morning, had rallied for the moment. The nurse informed me that she had slept during the early hours of the new day. Previously to this, there were symptoms of fever, accompanied by some slight delirium. The words that escaped her in this condition appear to have related mainly to an absent person whom she spoke of by the name of 'George.' Her one anxiety, I am told, was to see 'George' again before she died.
Bei dieser Mitteilung durchflog mich der Gedanke, dass das Bild in dem Medaillon möglichenfalls das Bild jenes Abwesenden sein möchte. Ich hieß die Wärterin das Zimmer zu verlassen und ergriff ihre Hand. Teils auf ihre eigene, bewundernswürdige Stärke und Willenskraft bauend, teils in dem Bewusstsein, dass sie mir als ihrem alten Freunde und Ratgeber vertraute, erwähnte ich der Äußerungen, die sie in ihrem Fieberzustande gemacht hatte. Dann sagte ich zu ihr: Sie wissen, dass jedes Ihrer Geheimnisse bei mir treu bewahrt ist, sagen Sie mir also, ob Sie von George irgend ein kleines Liebeszeichen oder Andenken erwarten?"Hearing this, it struck me as barely possible that the portrait in the locket might be the portrait of the absent person. I sent her nurse out of the room, and took her hand in mine. Trusting partly to her own admirable courage and strength of mind, and partly to the confidence which I knew she placed in me as an old friend and adviser, I adverted to the words which had fallen from her in the feverish state. And then I said, 'You know that any secret of yours is safe in my keeping. Tell me, do you expect to receive any little keepsake or memorial from 'George'?
Meine Frage war getan. Der schwarze Schleier, den sie immer trug, verhüllte ihr Gesicht, so dass nichts mir den Eindruck verraten konnte, den ich auf sie hervorbrachte, es sei denn ihre wechselnde Temperatur oder eine leichte Bewegung der Hand, die ich unter der seidenen Bettdecke in der meinen hielt."It was a risk to run. The black veil which she always wears was over her face. I had nothing to tell me of the effect which I was producing on her, except the changing temperature, or the partial movement, of her hand, as it lay in mine, just under the silk coverlet of the bed.
Zuerst schwieg sie. Ihre kalte Hand wurde plötzlich heiß und drückte die meine lebhaft. Ihr Atem wurde beengt. Sie sprach mit großer Anstrengung und legte mir nur die eine Frage vor:"She said nothing at first. Her hand turned suddenly from cold to hot, and closed with a quick pressure on mine. Her breathing became oppressed. When she spoke, it was with difficulty. She told me nothing; she only put a question:
»Ist er hier?«" 'Is he here?' she asked.
Ich sagte: »Es ist außer mir niemand hier.«"I said, 'Nobody is here but myself.'
»Haben Sie einen Brief für mich?«" 'Is there a letter?'
Ich sagte: »Nein.«"I said 'No.'
Sie lag eine Zeit lang still. Ihre Hand erkaltete wieder und ließ allmälig die meine los. Endlich sagte sie: »Eilen Sie, Doktor! Was es auch sein mag, geben Sie es mir, ehe ich sterbe.«"She was silent for a while. Her hand turned cold; the grasp of her fingers loosened. She spoke again: 'Be quick, doctor! Whatever it is, give it to me, before I die.'
Ich wagte das Experiment, öffnete das Medaillon und gab es ihr in die Hand."I risked the experiment; I opened the locket, and put it into her hand.
Zuerst zögerte sie, wie es schien es anzusehen und sagte nur: »Wenden Sie mich so im Bett um, dass mein Gesicht nach der Wand zu liegt.« Ich gehorchte. Mit dem Rücken gegen mich gekehrt, lüftete sie ihren Schleier und besah darin, wie ich glaube, das Bild. Ein langer, leiser Schrei entfuhr ihr, nicht voll Schmerz oder Qual, nein, ein Aufschrei der Wonne, des Entzückens. Ich hörte, wie sie das Bild küsste. So sehr ich durch meinen Beruf auch an ergreifende Eindrücke für Auge und Ohr gewöhnt bin, so erinnere ich mich nie durch irgend etwas so ganz überwältigt worden zu sein, wie ich es in diesem Augenblicke war. Ich musste aufstehen und an das Fenster gehen."So far as I could discover, she refrained from looking at it at first. She said, 'Turn me in the bed, with my face to the wall.' I obeyed her. With her back turned toward me she lifted her veil; and then (as I suppose) she looked at the portrait. A long, low cry--not of sorrow or pain: a cry of rapture and delight--burst from her. I heard her kiss the portrait. Accustomed as I am in my profession to piteous sights and sounds, I never remember so completely losing my self-control as I lost it at that moment. I was obliged to turn away to the window.
Kaum eine Minute war verflossen, als ich wieder an das Bett trat. Sie hatte den Schleier wieder über das Gesicht gezogen. Ihre Stimme war viel schwächer geworden, so dass ich sie nur vernehmen konnte, wenn ich mich über sie neigte und mein Ohr an ihre Lippen legte."Hardly a minute can have passed before I was back again at the bedside. In that brief interval she had changed. Her voice had sunk again; it was so weak that I could only hear what she said by leaning over her and placing my ear close to her lips.
»Hängen Sie es um meinen Hals,« flüsterte sie." 'Put it round my neck,' she whispered.
Ich schlang ihr die Kette des Medaillons um den Hals. Sie versuchte die Hand danach auszustrecken, aber die Kräfte versagten ihr."I clasped the chain of the locket round her neck. She tried to lift her hand to it, but her strength failed her.
Sein Sie mir behilflich es zu verbergen,« sagte sie." 'Help me to hide it,' she said.
Ich unterstützte ihre Hand. Sie verbarg das Medaillon unter dem weißen Gewande, das sie an dem Tage trug, an ihrem Busen. Ihre Atemnot nahm zu. Ich legte sie höher auf das Kopfkissen, aber das Kissen war nicht hoch genug. So lehnte ich ihren Kopf an meine Schulter und öffnete teilweise den Schleier. Als sie eine augenblickliche Erleichterung empfand, sprach sie wieder."I guided her hand. She hid the locket in her bosom, under the white dressing-gown which she wore that day. The oppression in her breathing increased. I raised her on the pillow. The pillow was not high enough. I rested her head on my shoulder, and partially opened her veil. She was able to speak once more, feeling a momentary relief.
»Versprechen sie mir,« sagte sie, »dass keine fremde Hand mich berühren soll. Versprechen Sie mir, mich zu begraben, wie ich bin.«" 'Promise,' she said, 'that no stranger's hand shall touch me. Promise to bury me as I am now.'
Ich gab ihr das Versprechen. "I gave her my promise.
Ihr stockender Atem beschleunigte sich. Sie war kaum noch fähig die nächsten Worte auszustoßen:"Her failing breath quickened. She was just able to articulate the next words:
»Bedecken Sie mein Gesicht wieder.«" 'Cover my face again.'
»Ich verhüllte es mit dem Schleier. Sie lag schweigend da. Plötzlich setzte das mühsame Atmen aus. Sie fuhr zusammen und erhob den Kopf von meiner Schulter."I drew the veil over her face. She rested a while in silence. Suddenly the sound of her laboring respiration ceased. She started, and raised her head from my shoulder.
»Haben Sie Schmerzen?« fragte ich." 'Are you in pain?' I asked.
»Ich bin im Himmel,« war ihre Antwort." 'I am in heaven!' she answered.
»Während sie sprach, sank ihr Kopf an meine Brust zurück. In diesem letzten Ausruf der Freude hatte sie ihren Atem ausgehaucht. Der Augenblick ihrer höchsten Wonne war der Augenblick ihres Todes geworden. Endlich hatte Gottes Barmherzigkeit sie erreicht.«"Her head dropped back on my breast as she spoke. In that last outburst of joy her last breath had passed. The moment of her supreme happiness and the moment of her death were one. The mercy of God had found her at last.
Ich will meinen Brief beenden, ehe die Post abgeht."I return to my letter before the post goes out.
Ich habe alle Anordnungen zur Erfüllung meines Versprechens getroffen. Das Medaillon an ihrem Busen verborgen, ihr Gesicht mit dem schwarzen Schleier verhüllt, so wird man sie begraben. Ein edleres Wesen hat nie auf dieser Welt geatmet. Sagen Sie dem Freunde, der ihr sein Bildnis sandte, dass ihre letzten Augenblicke voller Glückseligkeit waren, weil sein Geschenk ihr bewies, dass er ihrer gedachte."I have taken the necessary measures for the performance of my promise. She will be buried with the portrait hidden in her bosom, and with the black veil over her face. No nobler creature ever breathed the breath of life. Tell the stranger who sent her his portrait that her last moments were joyful moments, through his remembrance of her as expressed by his gift.
Soeben finde ich eine Stelle in Ihrem Briefe, die ich noch nicht beantwortet habe. Sie fragen mich, ob dem beharrlichen Verbergen ihres Gesichts hinter dem Schleier etwas Tieferes zu Grunde lag, als das, womit sie den Personen ihrer Umgebung diesen Umstand erklärte. Es ist wahr, dass sie unter einer krankhaften Empfindlichkeit gegen die Einwirkung des Lichtes litt, aber es ist ebenso wahr, dass das nicht die einzige und nicht die schlimmste Wirkung der Krankheit war, an der sie litt. Sie hatte einen anderen Grund um ihr Gesicht zu verbergen, einen Grund, den nur zwei Personen kennen, der Arzt, der in dem Dorfe, das nah bei ihres Vaters Hause liegt, lebt und ich. Wir haben uns beide verpflichtet, nie einem sterblichen Wesen zu enthüllen, was unsere Augen gesehen haben. Selbst vor ihrem Vater haben wir unser furchtbares Geheimnis verborgen und sind entschlossen es mit ins Grab zu nehmen. So hätte ich demjenigen, in dessen Auftrag Sie mir schreiben, nichts weiter über diesen tief traurigen Gegenstand zu berichten. Wenn er jetzt ihrer gedenkt, möge er sie sich in der Schönheit vorstellen, die kein irdisches Gebrechen mehr zerstören kann - in der Vollkommenheit eines befreiten Geistes, der in der Gemeinschaft mit Gottes Engeln ewig selig ist."I observe a passage in your letter to which I have not yet replied. You ask me if there was any more serious reason for the persistent hiding of her face under the veil than the reason which she was accustomed to give to the persons about her. It is true that she suffered under a morbid sensitiveness to the action of light. It is also true that this was not the only result, or the worst result, of the malady that afflicted her. She had another reason for keeping her face hidden--a reason known to two persons only: to the doctor who lives in the village near her father's house, and to myself. We are both pledged never to divulge to any living creature what our eyes alone have seen. We have kept our terrible secret even from her father; and we shall carry it with us to our graves. I have no more to say on this melancholy subject to the person in whose interest you write. When he thinks of her now, let him think of the beauty which no bodily affliction can profane--the beauty of the freed spirit, eternally happy in its union with the angels of God.
Schließlich lassen Sie mich in meinem Briefe noch hinzufügen, dass der arme, alte Vater sein Leben nicht in dem Hause am See in freudloser Einsamkeit beschließen wird. Er wird den Rest seines Tage unter meinem Dache verleben; mein treues Weib wird ihn pflegen und meine Kinder werden ihn daran erinnern, dass das Leben auch noch lichte Seiten hat.«"I may add, before I close my letter, that the poor old father will not be left in cheerless solitude at the lake house. He will pass the remainder of his days under my roof, with my good wife to take care of him, and my children to remind him of the brighter side of life."
So schloss der Brief. Ich legte ihn bei Seite und ging aus. Die Einsamkeit meines Zimmers gemahnte mich in unerträglicher Weise an die tiefe Einsamkeit meines zukünftigen Lebens. Meine Interessen in dieser geschäftigen Welt waren jetzt auf einen einzigen Gegenstand beschränkt - auf die Sorge um die zerrüttete Gesundheit meiner Mutter. Eine von den beiden Frauen, deren Herzen meist in liebevollem Verständnis für das meine geschlagen hatten, lag nun im Grabe, die andere war mir im fernen Lande für immer verloren. Ich begegnete meiner Mutter in ihrem kleinen Ponywagen auf dem Fahrwege am Strande, wie sie langsam in dem milden Wintersonnenschein dahin fuhr. Ich entließ den Kutscher, der sie fuhr und ging, die Zügel in der Hand, neben dem Wagen her. Wir plauderten ruhig über alltägliche Gegenstände. Ich verschloss der trüben Zukunft, die vor mir lag, meine Blicke und versuchte zwischen meinem Herzweh hindurch, entschlossen der gegenwärtigen Stunde zu leben.So the letter ended. I put it away, and went out. The solitude of my room forewarned me unendurably of the coming solitude in my own life. My interests in this busy world were now narrowed to one object--to the care of my mother's failing health. Of the two women whose hearts had once beaten in loving sympathy with mine, one lay in her grave and the other was lost to me in a foreign land. On the drive by the sea I met my mother, in her little pony-chaise, moving slowly under the mild wintry sunshine. I dismissed the man who was in attendance on her, and walked by the side of the chaise, with the reins in my hand. We chatted quietly on trivial subjects. I closed my eyes to the dreary future that was before me, and tried, in the intervals of the heart-ache, to live resignedly in the passing hour.


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