Zwei Schicksalswege

St. Antonios BrunnenSAINT ANTHONY'S WELL
Ich stand auf der felsigen Höhe, vor den Ruinen der St. Antonio-Kapelle, und genoss die herrliche Aussicht auf Edinburgh und den alten Palast von Holyrood, vom hellsten Mondlicht begünstigt. Der Brunnen lag, wie der Doktor mir gesagt, hinter der Kapelle. Ich wartete einige Augenblicke an der Vorderseite der Ruine, teils um nach Ersteigung des Hügels zu Atem zu kommen, teils, ich gestehe es, um der nervösen Erregung Herr zu werden, die meine seltsame Lage in diesem Augenblick hervorgerufen hatte. Vielleicht war die Frau, oder die Erscheinung einer Frau - was es auch sein mochte, - wenige Schritte von mir entfernt. Kein lebendes Wesen war vor der Kapelle zu sehen, kein Laut traf mein Ohr auf dem einsamen Hügel. Ich versuchte meine ganze Aufmerksamkeit den Schönheiten der mondbeleuchteten Aussicht zuzuwenden, aber es war unmöglich. Meine Gedanken waren weit ab von den Gegenständen, auf denen meine Augen ruhten. Mein Geist weilte bei der Frau, die ich im Lusthause in meinem Buche schreiben gesehen.I STOOD on the rocky eminence in front of the ruins of Saint Anthony's Chapel, and looked on the magnificent view of Edinburgh and of the old Palace of Holyrood, bathed in the light of the full moon. The Well, as the doctor's instructions had informed me, was behind the chapel. I waited for some minutes in front of the ruin, partly to recover my breath after ascending the hill; partly, I own, to master the nervous agitation which the sense of my position at that moment had aroused in me. The woman, or the apparition of the woman--it might be either--was perhaps within a few yards of the place that I occupied. Not a living creature appeared in front of the chapel. Not a sound caught my ear from any part of the solitary hill. I tried to fix my whole attention on the beauties of the moonlit view. It was not to be done. My mind was far away from the objects on which my eyes rested. My mind was with the woman whom I had seen in the summer-house writing in my book.
Ich ging an der Seite der Kapelle herum. Noch wenige Schritte über den unebenen Boden und der Brunnen lag vor mir am Fuße des hohen Felsens, sein Wasser plätscherte fröhlich im Mondenschein.I turned to skirt the side of the chapel. A few steps more over the broken ground brought me within view of the Well, and of the high boulder or rock from the foot of which the waters gushed brightly in the light of the moon.
Dort stand sie.She was there.
Ich erkannte sogleich ihre Gestalt, wie sie an den Felsen gelehnt dastand, die Hände auf der Brust gekreuzt, tief in Gedanken verloren. Als sie, durch den Widerhall meiner Fußtritte in der tiefen Stille erschreckt, aufblickte, erkannte ich auch ihr Gesicht.I recognized her figure as she stood leaning against the rock, with her hands crossed in front of her, lost in thought. I recognized her face as she looked up quickly, startled by the sound of my footsteps in the deep stillness of the night.
War es die Frau selbst oder nur ihre Erscheinung? Ich wartete - und blickte sie schweigend an.Was it the woman, or the apparition of the woman? I waited, looking at her in silence.
Sie sprach. Der Ton ihrer Stimme hatte nicht den geheimnisvollen Klang, wie ich sie dort im Lusthause hörte - es war derselbe Ton, wie ich ihn auf der Brücke, wo wir uns zuerst im düsteren Abendlichte trafen, vernahm.She spoke. The sound of her voice was not the mysterious sound that I had heard in the summer-house. It was the sound I had heard on the bridge when we first met in the dim evening light.
»Wer sind Sie? Was führt Sie hierher?«"Who are you? What do you want?"
Indem sie diese Worte sprach, erkannte sie mich. »Sie hier! Was bedeutet das?« fuhr sie fort und trat mir mit unverhehltem Erstaunen einen Schritt näher.As those words passed her lips, she recognized me. "You here!" she went on, advancing a step, in uncontrollable surprise. "What does this mean?"
»Ich bin gekommen, um Sie auf Ihre eigene Aufforderung hier zu treffen,« erwiderte ich."I am here," I answered, "to meet you, by your own appointment."
Sie trat wieder zurück und lehnte sich an den Felsen. Der helle Mondschein fiel auf ihr Gesicht; als sie mich erblickte, drückten ihre Augen Schreck und Erstaunen aus.She stepped back again, leaning against the rock. The moonlight shone full upon her face. There was terror as well as astonishment in her eyes while they now looked at me.
»Ich verstehe Sie nicht,« sagte sie, »ich habe Sie ja nicht gesehen, seit wir auf der Brücke miteinander sprachen.«"I don't understand you," she said. "I have not seen you since you spoke to me on the bridge."
»Verzeihen Sie,« erwiderte ich, »aber ich habe Sie oder Ihre Erscheinung wenigstens doch seitdem gesehen. Ich hörte sie sprechen und sah Sie schreiben.«"Pardon me," I replied. "I have seen you--or the appearance of you--since that time. I heard you speak. I saw you write."
Sie sah mich mit einem Gemisch von Zorn und Neugierde an. »Was habe ich denn gesagt, was geschrieben?« fragte sie.She looked at me with the strangest expression of mingled resentment and curiosity. "What did I say?" she asked. "What did I write?"
»Sie sagten: Gedenke mein und komme zu mir. Sie schrieben: Wenn der Vollmond scheint an St. Antonios Brunnen.«"You said, 'Remember me. Come to me.' You wrote, 'When the full moon shines on Saint Anthony's Well.' "
»Wo?« rief sie, »wo tat ich das ?«"Where?" she cried. "Where did I do that?"
»In einem Lusthause, das an einem Wasserfall liegt,« antwortete ich. »Kennen Sie den Ort nicht?«"In a summer-house which stands by a waterfall," I answered. "Do you know the place?"
Ihr Kopf fiel gegen den Felsen, während Sie einen Schreckensruf ausstieß, ihr Arm, der auf dem Felsen ruhte, glitt herab. Ich sprang eilig hinzu, weil ich fürchtete, dass sie auf den steinigen Boden fallen könnte. Sie raffte sich wieder auf und rief mir entgegen: »Rühren Sie mich nicht an, gehen Sie zurück, mein Herr! Sie ängstigen mich!«Her head sunk back against the rock. A low cry of terror burst from her. Her arm, resting on the rock, dropped at her side. I hurriedly approached her, in the fear that she might fall on the stony ground. She rallied her failing strength. "Don't touch me!" she exclaimed. "Stand back, sir. You frighten me."
Ich versuchte sie zu beruhigen. »Wieso ängstige ich Sie, da Sie wissen wer ich bin? Können Sie an meinem Interesse für Sie zweifeln, da ich doch zu Ihrem Lebensretter berufen war?«I tried to soothe her. "Why do I frighten you? You know who I am. Can you doubt my interest in you, after I have been the means of saving your life?"
Augenblicklich verschwand ihre Rückhaltung, sie trat zu mir und erfasste meine Hand.Her reserve vanished in an instant. She advanced without hesitation, and took me by the hand.
»Ich bin Ihnen Dank schuldig,« sagte sie, »und ich statte ihn gern ab. Halten Sie mich nicht für so undankbar, wie ich Ihnen erscheinen muss, auch nicht für eine Verworfene, mein Herr! Ich war nur elend und verzweifelt, als ich den Entschluss fasste mich zu ertränken. Misstrauen Sie mir nicht! Verachten Sie mich nicht!« Sie hielt inne, ich sah wie sie die Tränen, die ihre Wangen herabrollten, mit einer heftigen Bewegung abtrocknete. Wiederum verwandelten sich ihr Ton und ihre Haltung zu ihrer früheren Kälte und sie blickte mich mit Argwohn und Zorn an. Darauf sagte sie kurz und abgebrochen: »Beherzigen Sie das Eine! Als Sie glaubten mich schreiben zu sehen, träumten Sie! Sie haben mich weder gesehen, noch hörten Sie mich sprechen, wie hätte ich so vertraulich zu einem Fremden reden können? Das sind alles Gebilde Ihrer Phantasie, von denen Sie, um mich zu ängstigen, wie von wirklichen Tatsachen sprechen!« Wiederum wechselte ihr Benehmen und ihre Augen nahmen den sanften, traurigen Ausdruck an, der so unwiderstehlich schön war. Die kalten Schauer der Nachtluft nötigten sie, sich fester in ihren Mantel zu hüllen und ich hörte sie leise zu sich selbst sagen: »Was ist mir? Warum vertraue ich diesem Manne in meinen Träumen und scheue mich dessen, wenn ich wach bin?«"I ought to thank you," she said. "And I do. I am not so ungrateful as I seem. I am not a wicked woman, sir--I was mad with misery when I tried to drown myself. Don't distrust me! Don't despise me!" She stopped; I saw the tears on her cheeks. With a sudden contempt for herself, she dashed them away. Her whole tone and manner altered once more. Her reserve returned; she looked at me with a strange flash of suspicion and defiance in her eyes. "Mind this!" she said, loudly and abruptly, "you were dreaming when you thought you saw me writing. You didn't see me; you never heard me speak. How could I say those familiar words to a stranger like you? It's all your fancy--and you try to frighten me by talking of it as if it was a real thing!" She changed again; her eyes softened to the sad and tender look which made them so irresistibly beautiful. She drew her cloak round her with a shudder, as if she felt the chill of the night air. "What is the matter with me?" I heard her say to herself. "Why do I trust this man in my dreams? And why am I ashamed of it when I wake?"
Dieser seltsame Ausspruch gab mir Mut ihr zu gestehen, dass ich ihn gehört hätte.That strange outburst encouraged me. I risked letting her know that I had overheard her last words.
»Sie lassen mir nur Gerechtigkeit widerfahren,« sagte ich, »wenn Sie mir in Ihren Träumen vertrauen, aber tun Sie jetzt auch ein Gleiches - schenken Sie mir Ihr Vertrauen! Sie bedürfen eines Freundes, denn Sie sind unglücklich und verlassen und ich bin bereit Ihnen zu helfen.«"If you trust me in your dreams, you only do me justice," I said. "Do me justice now; give me your confidence. You are alone--you are in trouble--you want a friend's help. I am waiting to help you."
Als sie zögerte, versuchte ich ihre Hand zu erfassen, aber das seltsame Wesen entzog sie mir mit einem Aufschrei; sie schien meine Berührung vor Allem zu fürchten.She hesitated. I tried to take her hand. The strange creature drew it away with a cry of alarm: her one great fear seemed to be the fear of letting me touch her.
»Geben Sie mir Zeit zum Nachdenken,« sagte sie, »denn Sie ahnen nicht, was auf mir lastet. Ich werde Ihnen morgen schreiben. Bleiben Sie in Edinburgh?«"Give me time to think of it," she said. "You don't know what I have got to think of. Give me till to-morrow; and let me write. Are you staying in Edinburgh?"
Ich hielt es für geraten, mich wenigstens dem Scheine nach mit ihrem Wunsche einverstanden zu erklären und so schrieb ich ihr auf meine Karte die Adresse des Hotels, in dem ich wohnte. Sie las die Karte, als ich sie ihr reichte, beim Lichte des Mondes.I thought it wise to be satisfied--in appearance at least--with this concession. Taking out my card, I wrote on it in pencil the address of the hotel at which I was staying. She read the card by the moonlight when I put it into her hand.
»George!« wiederholte sie sich und warf bei Nennung meines Namens einen verstohlenen Blick auf mich. »George Germaine!« »Germaine« ist mir ganz unbekannt, aber der Name »George« ruft alte Erinnerungen in mir wach.« Sie lächelte trübe, als diese Erinnerung, von der ich ja nichts ahnen konnte, an ihr vorüberzog. »Es ist durchaus nichts Absonderliches »George« zu heißen, fuhr sie fort, der Name ist sehr gangbar, man begegnet ihm überall als Männernamen, und doch - ihre Augen beendeten den Satz, indem Sie mir sagten: »Nun ich weiß, dass Du »George« heißt, fürchte ich dich nicht so sehr!«"George!" she repeated to herself, stealing another look at me as the name passed her lips. " 'George Germaine.' I never heard of 'Germaine.' But 'George' reminds me of old times." She smiled sadly at some passing fancy or remembrance in which I was not permitted to share. "There is nothing very wonderful in your being called 'George,' " she went on, after a while. "The name is common enough: one meets with it everywhere as a man's name And yet--" Her eyes finished the sentence; her eyes said to me, "I am not so much afraid of you, now I know that you are called 'George.' "
So führte sie mich unbewussterweise auf die Spur zur Entdeckung!So she unconsciously led me to the brink of discovery!
Hätte ich sie nur gefragt, welche Erinnerungen sich für sie an meinen Taufnamen knüpften, hätte ich sie nur vermocht zu mir über ihre Vergangenheit u sprechen, wenn auch nur in der kürzesten, rückhaltendsten Weise, - so musste ja die Scheidewand fallen, welche die Veränderung unserer beiderseitigen Namen und der Verlauf von zehn Jahren zwischen uns aufgerichtet hatten. Wir hätten uns wiedererkennen müssen. Ich verfiel mit keinem Gedanken darauf und zwar aus dem einfachen Grunde nicht - weil ich verliebt in sie war. Das Einzige, was mich eben ganz erfüllte, war die selbstsüchtige Idee, das freundliche Interesse, das mein Name eben in ihr erweckt hatte, auszunutzen, um mich noch mehr in ihrer Gunst zu befestigen.If I had only asked her what associations she connected with my Christian name--if I had only persuaded her to speak in the briefest and most guarded terms of her past life--the barrier between us, which the change in our names and the lapse of ten years had raised, must have been broken down; the recognition must have followed. But I never even thought of it; and for this simple reason--I was in love with her. The purely selfish idea of winning my way to her favorable regard by taking instant advantage of the new interest that I had awakened in her was the one idea which occurred to my mind.
»Warten Sie nicht bis Sie mir schreiben können,« sagte ich. »Verschieben Sie nichts auf morgen, wer weiß, was bis morgen geschieht? Ich fordere nicht viel, aber einen kleinen Lohn verdiene ich wohl für die lebhafte Teilnahme, die ich Ihnen widme. Wollen Sie mich nicht, ehe wir diese Nacht scheiden, glücklich machen, indem Sie meine Dienste annehmen?«"Don't wait to write to me," I said. "Don't put it off till to-morrow. Who knows what may happen before to-morrow? Surely I deserve some little return for the sympathy that I feel with you? I don't ask for much. Make me happy by making me of some service to you before we part to-night."
Ehe sie sich's versah, nahm ich ihre Hand und es schien, als wenn ihr ganzes Wesen sich mir bei dieser Berührung hingab. Ihre Hand lag widerstandslos in der meinen, während ihre reizende Gestalt sich mir leicht mehr und mehr näherte, bis ihr Kopf fast meine Schulter berührte. Seufzend flüsterte sie mir leise zu: »Missbrauchen Sie mein Vertrauen nicht, ich bin so verlassen, so ganz in Ihrer Macht.« Ehe ich antworten, ja ehe ich mich bewegen konnte, drückte sie mir die Hand und legte ihren Kopf an meine Schulter, indem sie in Tränen ausbrach.I took her hand, this time, before she was aware of me. The whole woman seemed to yield at my touch. Her hand lay unresistingly in mine; her charming figure came by soft gradations nearer and nearer to me; her head almost touched my shoulder. She murmured in faint accents, broken by sighs, "Don't take advantage of me. I am so friendless; I am so completely in your power." Before I could answer, before I could move, her hand closed on mine; her head sunk on my shoulder: she burst into tears.
Sie musste in diesem Augenblick jedem Manne, der nicht ein geborener und geschulter Schurke war, Achtung einflößen. Ich zog ihre Hand in meinen Arm und führte sie sanft an den Ruinen der Kapelle vorbei, den Hügel hinab.Any man, not an inbred and inborn villain, would have respected her at that moment. I put her hand on my arm and led her away gently past the ruined chapel, and down the slope of the hill.
»Dieser einsame Ort beängstigt Sie,« sagte ich, »wir wollen ein wenig auf- und abgehn, damit Sie sich erholen.«"This lonely place is frightening you," I said. "Let us walk a little, and you will soon be yourself again."
Sie lächelte wie ein Kind durch ihre Tränen.She smiled through her tears like a child.
»Ja, aber nicht diesen Weg,« sagte sie hastig. Ich hatte zufällig die Richtung von der Stadt abwärts eingeschlagen, aber sie bat mich, dass wir uns den Häusern und Straßen zuwenden möchten. So wanderten wir nach Edinburgh zurück und sie betrachtete mich bei dem hellen Mondschein wiederholt mit unschuldigen, erstaunten Blicken. »Welchen unbegreiflichen Einfluss üben Sie auf mich aus!« sagte sie mir. »Haben Sie mich vor dem Abende, als wir uns dort am Flusse begegneten, jemals gesehen oder auch nur meinen Namen gehört?«"Yes," she said, eagerly. "But not that way." I had accidentally taken the direction which led away from the city; she begged me to turn toward the houses and the streets. We walked back toward Edinburgh. She eyed me, as we went on in the moonlight, with innocent, wondering looks. "What an unaccountable influence you have over me!" she exclaimed. "Did you ever see me, did you ever hear my name, before we met that evening at the river?"
»Niemals!«"Never."
»Und auch ich habe nie vorher Ihren Namen gehört oder Sie gesehn. Das ist seltsam, sehr seltsam! Und doch erinnere ich mich jemandes, freilich war's nur eine alte Frau, die mir das Rätsel gelöst haben würde. Wo werde ich je ihresgleichen finden?«"And I never heard your name, and never saw you before. Strange! very strange! Ah! I remember somebody--only an old woman, sir--who might once have explained it. Where shall I find the like of her now?"
Sie seufzte tief und schwer, jedenfalls war ihr die verlorene Freundin oder Verwandte sehr teuer gewesen. »War sie eine Verwandte von Ihnen?« fragte ich, eigentlich mehr um sie um Sprechen zu bewegen, als weil ich an irgendeinem Mitgliede ihrer Familie außer ihr selbst ein Interesse hatte.She sighed bitterly. The lost friend or relative had evidently been dear to her. "A relation of yours?" I inquired--more to keep her talking than because I felt any interest in any member of her family but herself.
Wiederum waren wir am Rande der Entdeckung angelangt und wiederum war es unser Verhängnis nicht weiter darin vorzudringen!We were again on the brink of discovery. And again it was decreed that we were to advance no further.
»Fragen Sie mich nicht nach meinen Angehörigen,« sprach sie schmerzvoll. »In dem Kummer, der mich jetzt drückt, darf ich der Verstorbenen nicht gedenken, denn ich würde wieder in Tränen ausbrechen, wenn ich mich jetzt der Heimat und der lieben alten Zeit erinnerte. Ich will Sie nicht wieder beunruhigen, mein Herr, darum lassen Sie uns von etwas Anderem, ganz Anderem sprechen.«"Don't ask me about my relations!" she broke out. "I daren't think of the dead and gone, in the trouble that is trying me now. If I speak of the old times at home, I shall only burst out crying again, and distress you. Talk of something else, sir--talk of something else."
Da das Geheimnis ihrer Erscheinung in dem Lusthause noch nicht aufgeklärt war, so benutzte ich diese Gelegenheit, um den Gegenstand zu berühren.The mystery of the apparition in the summer-house was not cleared up yet. I took my opportunity of approaching the subject.
»Sie sagten mir vorhin, dass Sie von mir geträumt hätten,« begann ich, »erzählen Sie mir doch Ihren Traum.«"You spoke a little while since of dreaming of me," I began. "Tell me your dream."
»Ich weiß wirklich nicht, ob es ein Traum oder etwas Anderes war,« antwortete sie, »ich nenne es nur so, weil mir ein besserer Ausdruck fehlt.«"I hardly know whether it was a dream or whether it was something else," she answered. "I call it a dream for want of a better word."
»War es nachts?«"Did it happen at night?"
»Nein, es war am Tage - nachmittags.«"No. In the daytime--in the afternoon."
»Spät am Nachmittag?«"Late in the afternoon?"
»Ja - nach dem Abend.«"Yes--close on the evening."
In meiner Erinnerung stieg die Geschichte des Doktors von dem schiffbrüchigen Manne auf, dessen Doppelgänger ja auch auf dem reisenden Schiffe erschienen war, das er selbst im Traume gesehen.My memory reverted to the doctor's story of the shipwrecked passenger, whose ghostly "double" had appeared in the vessel that was to rescue him, and who had himself seen that vessel in a dream.
»Erinnern Sie ich des Datums und der Stunde?« fragte ich."Do you remember the day of the month and the hour?" I asked.
Sie nannte mir beides und es war genau derselbe Tag, wo meine Mutter und ich die Fahrt nach dem Wasserfall gemacht hatten, dieselbe Stunde, in der ich die Erscheinung im Lusthause vor meinem Buche schreibend fand!She mentioned the day, and she mentioned the hour. It was the day when my mother and I had visited the waterfall. It was the hour when I had seen the apparition in the summer-house writing in my book!
Ich stand still und konnte mein Erstaunen kaum unterdrücken. Währenddessen waren wir auf unserem Rückwege zur Stadt bis an den Palast von Holyrood gekommen und nachdem sie einen Blick auf mich geworfen hatte, wendete sich meine Gefährtin dem düsteren, alten Bauwerk zu, das eben der liebliche Mond mit sanfter Schönheit übergoss.I stopped in irrepressible astonishment. We had walked by this time nearly as far on the way back to the city as the old Palace of Holyrood. My companion, after a glance at me, turned and looked at the rugged old building, mellowed into quiet beauty by the lovely moonlight.
»Seit ich in Edinburgh bin,« sagte sie einfach, »ist dieses mein Lieblingsspaziergang. Die Einsamkeit schreckt mich nicht, weil ich die tiefe Stille der Nacht so sehr liebe.« Wiederum sah sie mich an. »Was ist Ihnen,« fragte sie, »dass Sie nicht sprechen und mich nur ansehen?«"This is my favorite walk," she said, simply, "since I have been in Edinburgh. I don't mind the loneliness. I like the perfect tranquillity here at night." She glanced at me again. "What is the matter?" she asked. "You say nothing; you only look at me."
»Ich möchte mehr von Ihren Träumen hören,« sagte ich. »Wie kam es, dass Sie bei Tage schliefen?«"I want to hear more of your dream," I said. "How did you come to be sleeping in the daytime?"
Im Weitergehen sagte sie: »Was ich eigentlich tat, weiß ich selbst nicht, dazu war ich zu bedrückt und krank und fühlte meine hilflose Lage an jenem Tage grade so tief. Dass es um die Mittagszeit war, weiß ich noch und dass ich nicht essen mochte, sondern hier im Gasthause, wo ich wohne, hinauf in mein Zimmer ging und mich aufs Bett legte. Ich war sehr erschöpft und weiß nicht, ob ich ohnmächtig war oder nur schlief - ich hatte das Bewusstsein für Alles was mich umgab verloren und dafür ein anderes Bewusstsein; ob das nun Traum war, kann ich nicht sagen, jedenfalls war es der lebhafteste Traum, den ich je hatte."It is not easy to say what I was doing," she replied, as we walked on again. "I was miserably anxious and ill. I felt my helpless condition keenly on that day. It was dinner-time, I remember, and I had no appetite. I went upstairs (at the inn where I am staying), and lay down, quite worn out, on my bed. I don't know whether I fainted or whether I slept; I lost all consciousness of what was going on about me, and I got some other consciousness in its place. If this was dreaming, I can only say it was the most vivid dream I ever had in my life."
»Fing er damit an, dass Sie mich sahen?« fragte ich."Did it begin by your seeing me?" I inquired.
»Nein, ich sah Ihr Skizzenbuch auf dem Tische in einem Lusthause liegen.«"It began by my seeing your drawing-book--lying open on a table in a summer-house."
»Können Sie mir das Lusthaus beschreiben, wie Sie es sahen?«"Can you describe the summer-house as you saw it?"
Sie beschrieb nicht nur das Lusthaus, sondern auch die Aussicht auf den Wasserfall, den man durch die geöffnete Tür hatte. Sie kannte die Größe und den Einband meines Skizzenbuches, das in diesem Augenblick in meinem Schreibtisch eingeschlossen lag.She described not only the summer-house, but the view of the waterfall from the door. She knew the size, she knew the binding, of my sketch-book--locked up in my desk, at that moment, at home in Perthshire!
»Und erinnern Sie sich, dass Sie etwas in jenes Buch hinein schrieben und was Sie schrieben?« fuhr ich fort."And you wrote in the book," I went on. "Do you remember what you wrote?"
Als schäme sie sich dieses Teiles ihres Traumes, wendete sie sich verwirrt von mir ab.She looked away from me confusedly, as if she were ashamed to recall this part of her dream.
»Sie sagten es ja schon selbst,« sagte sie, »wozu soll ich Ihnen die Worte wiederholen. Aber beantworten Sie mir nun eine Frage, standen Sie auf dem Wege zu dem Lusthause einen Augenblick still ehe Sie eintraten?«"You have mentioned it already," she said. "There is no need for me to go over the words again. Tell me one thing--when you were at the summer-house, did you wait a little on the path to the door before you went in?"
Es war ja richtig, ich hatte im Erstaunen über die Frau, die vor meinem Buche saß, stillgestanden. Ich bejahte also ihre Frage und bat sie mir zu sagen, was sie da getan, als ich in das Lusthaus eingetreten war.I had waited, surprised by my first view of the woman writing in my book. Having answered her to this effect, I asked what she had done or dreamed of doing at the later moment when I entered the summer-house.
»Ich tat das Ungewöhnlichste,« antwortete sie in leisem, erregten Tone. »Wenn Sie mein Bruder gewesen wären, hätte ich Sie nicht mit mehr Vertraulichkeit behandeln können, denn ich winkte Sie zu mir heran und legte Ihnen meine Hand auf die Brust. Ich sprach ja zu Ihnen, wie ich nur zu einem alten, treuen Freunde sprechen würde. »Gedenke mein und komme zu mir!« sagte ich. O ich war so tief beschämt über das Alles, als ich wieder zu mir kam und mich dessen erinnerte! Ist zwischen einer Frau und einem vollkommen fremden Manne, den sie nur einmal im Leben sah, eine solche Vertraulichkeit - selbst im -Traume denkbar?«"I did the strangest things," she said, in low, wondering tones. "If you had been my brother, I could hardly have treated you more familiarly. I beckoned to you to come to me. I even laid my hand on your bosom. I spoke to you as I might have spoken to my oldest and dearest friend. I said, 'Remember me. Come to me.' Oh, I was so ashamed of myself when I came to my senses again, and recollected it. Was there ever such familiarity--even in a dream--between a woman and a man whom she had only once seen, and then as a perfect stranger?"
»Wie viel Zeit verging ungefähr von da, wo sie sich zu Bett legten, bis Sie wieder erwachten?«"Did you notice how long it was," I asked, "from the time when you lay down on the bed to the time when you found yourself awake again?"
»Ich kann es ungefähr berechnen,« erwiderte sie, »denn es war Mittagszeit als ich mich niederlegte, wie ich Ihnen schon sagte, und als ich wieder zum Bewusstsein gekommen war hörte ich eine Turmuhr schlagen. Danach waren drei Stunden zwischen der Zeit wo ich mich legte und wieder aufstand verflossen.«"I think I can tell you," she replied. "It was the dinner-time of the house (as I said just now) when I went upstairs. Not long after I had come to myself I heard a church clock strike the hour. Reckoning from one time to the other, it must have been quite three hours from the time when I first lay down to the time when I got up again."
Konnte ich darin den Schlüssel zu dem Verschwinden der geheimnisvollen Schrift suchen?Was the clew to the mysterious disappearance of the writing to be found here?
Nach später gemachten Entdeckungen bin ich fast geneigt es zu glauben, denn grade nach drei Stunden waren jene Zeilen, die die Erscheinung niederschrieb unsichtbar geworden und nach eben drei Stunden, als sie erwachte, schämte sie sich der vertraulichen Weise in der sie mit mir verkehrt hatte. So lange sie mir in jenem wunderbaren Schlafe vertraut hatte, - vertraut weil ihr Geist fessellos den meinen zu erkennen vermochte - so lange war die Schrift sichtbar gewesen, nun aber im wachen Zustande ihr Wille, den Willen der Träumenden vernichtete, verschwand die Schrift. Vielleicht ist das die Erklärung und wo soll ich sie suchen, wenn sie es nicht ist?Looking back by the light of later discoveries, I am inclined to think that it was. In three hours the lines traced by the apparition of her had vanished. In three hours she had come to herself, and had felt ashamed of the familiar manner in which she had communicated with me in her sleeping state. While she had trusted me in the trance--trusted me because her spirit was then free to recognize my spirit--the writing had remained on the page. When her waking will counteracted the influence of her sleeping will, the writing disappeared. Is this the explanation? If it is not, where is the explanation to be found?
Wir erreichten so den Teil der Canongatestraße, in der sie wohnte und standen vor der Tür still.We walked on until we reached that part of the Canongate street in which she lodged. We stopped at the door.


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