Gesetz und Frau



Neuntes Kapitel.

Der Major macht Schwierigkeiten.

Als ich die Thür des Eßzimmers öffnete, eilte mir der Major entgegen. Er trug wieder sein gewinnendes Lächeln zur Schau und küßte mir galant die Hand. Es war mir förmlich angenehm, dem modernen Don Juan zu begegnen.

»Ich brauche Sie nicht nach Ihrer Gesundheit zu fragen,« sagte der alte Herr; »Ihren Augen antworten mir, bevor ich um Auskunft gebeten. In Ihrem Alter ist ein langer Schlaf der beste Verjüngungstrank. Nur recht lange im Bett das ist das einfache Geheimniß, ein hohes Alter zu erreichen.«

»Ich bin nicht so lange im Bett gewesen, als Sie zu glauben scheinen. Ich habe die ganze Nacht über ein Buch gelesen.«

Major Fitz-David zog erstaunt die Augen brauen in die Höhe.

»Wie nennt sich das glückliche Buch, das Ihr Interesse in so hohem Grade in Anspruch nahm?«

»Der Prozeß meines Mannes, wegen Vergiftung seiner ersten Frau,« antwortete ich.

Das Lächeln des Majors erstarb auf seinen Zügen und er trat unwillkürlich einen Schritt zurück.

»Erwähnen Sie nicht dieses entsetzlichen Buches!« rief er aus. »Sprechen Sie nicht von diesem entsetzlichen Gegenstande. Was haben Anmuth und Schönheit mit Prozessen und Vergiftungen zu thun? Weshalb entwürdigen Sie Ihre schönen Lippen, indem Sie von solchen Dingen reden? Weshalb die Liebesgötter verscheuchen, welche aus Ihrem Lächeln blicken? Vergönnen Sie einem alten Knaben sich von der Sonne Ihres Lächelns erwärmen zu lassen. Uebrigens ist das Frühstück fertig. Frühstücken wir also und seien wir lustig.«

Er führte mich zu Tische und füllte mir Teller und Glas, als wenn er sich dem wichtigsten Geschäft der Welt hingebe.

»Major Fitz-David bringt Ihnen einige Neuigkeiten,« eröffnete Benjamin die Unterhaltung. »Ihren Schwiegermutter Mrs. Macallan ist heute hierher gekommen um Sie zu besuchen.«

»Meine Schwiegermutter? Hat sie etwas von meinem Gatten gehört?« fragte ich schnell.

»Ich glaube, daß sie von ihm gehört hat ebenso von Ihrem Onkel, dem Prediger,« sagte der Major. »Unser vortrefflicher Starkweather hat ihr geschrieben und dieser Brief ist die Veranlassung ihres Herkommens. Ich traf die alte Dame gestern in Gesellschaft und bot alles auf, um etwas von ihr heraus zu bekommen aber vergebens. Freilich muß ich zu meiner Schande gestehen daß ich mit alten Damen nicht umzugehen weiß. Nehmen Sie also den Willen für die That meine süße Freundin.« —

Diese Worte boten mir die Gelegenheit nach der ich trachtete.

»Ihr gütiges Entgegenkommen ermuthigt mich, Ihnen eine Frage vorzulegen und nach deren Beantwortung um eine fernere Gunst zu bitten.«

Major Fitz-David nahm das Weinglas von den Lippen und blickte mich mit athemlosem Interesse an.

»Befehlen Sie über mich, meine theure Lady. Ich bin ganz der Ihre,« sagte der galante alte Herr. »Welche Frage wünschen Sie mir vorzulegen?«

»Kennen Sie Miserrimus Dexter?«

»Gott im Himmel!« rief der Major; »das , ist allerdings eine unerwartete Frage. Gewiß kenne ich ihn. Was wollen Sie von ihm?«

»Vorläufig möchte ich Sie nur um eine Karte bitten, die mich bei dem genannten Herrn einführt.«

Der Major erbleichte unter seiner Schminke, und die kleinen grauen Augen blickten mich mit unverhehlbarem Schrecken an.

»Sie wollen Miserrimus Dexter kennen lernen?« wiederholte er, wie ein Mann der an seinen eigenen Sinnen zweifelt. »Mr. Benjamin sollte ich Zuviel von Ihrem vortrefflichen Wein getrunken haben? Bin ich das Opfer einer Täuschung, oder hat mich Ihre schöne Freundin wirklich gebeten sie bei Miserrimus Dexter ein zuführen?«

»Das Letztere glaube ich allerdings,« sagte Benjamin mich ebenfalls erstaunt anblickend.

»Und was ist in meiner Frage so befremdliches?« sagte ich.

»Der Mann ist wahnsinnig!« rief der Major. »Ist ganz England hätten Sie keinen ungeeigneteren Mann zur Vorstellung bei einer jungen Dame finden können als Mr. Dexter. Haben Sie von seiner entsetzlichen Verkrüppelung gehört?«

»Ich habe davon gehört und es schreckt mich nicht ab.«

»Schreckt Sie nicht ab? Meine theure Lady, des Mannes Geist ist ebenso verkrüppelt wie sein Körper.

Er ist ein Gemisch von einem Tiger und einem Affen. In einem Augenblick erschreckt er sie zum Tode, und im anderen reizt er sie zum lauten Lachen. Ich will damit nicht sagen daß er nicht auch gute Eigenschaften besitze und daß er Gewaltthaten begangen oder wissentlich Jemand beleidigt habe. Vor allen Dingen aber ist er verrückt. Können Sie mir die Frage verzeihen was Sie von Mr. Dexter wollen?«

»Ich will ihn zu Rathe ziehen wegen meines Mannes Prozeß.«

Major Fitz-David stöhnte und suchte für einen Augenblick Trost in seinem Weinglase.

»Wieder jene entsetzliche Geschichte!« rief er aus. »Weshalb denn immer und ewig dabei verharren ?«

»Ich muß bei dem verharren was zu meiner einzigen Beschäftigung zu meiner einzigen Lebenshoffnung geworden ist,« sagte ich.

»Ich bin der Ansicht, daß Mr. Dexter mir helfen könne, den Flecken vom Character meines Mannes zu waschen mit welchem der schottische Gerichtshof ihn gebrandmarkt hat. Möge er nun Tiger oder Affe sein ich wage es dennoch bei ihm einzudringen. Deshalb bitte ich noch einmal um Ihre Empfehlungskarte.«

Der Major blickte kläglich aus Mr. Benjamin und schüttelte den Kopf, und Mr. Benjamin blickte kläglich auf den Major und schüttelte auch den Kopf.

»Wenn sie darauf besteht kann ich nicht die Verantwortlichkeit übernehmen die Dame allein zu Mr. Dexter zu schicken,« sagte der Major.

»Soll ich sie begleiten Sir?« fragte Benjamin.

Der Major überlegte einen Augenblick und wandte sich dann schnell zu mir.

»Meine reizende Freundin,« sagte er zu mir, »lassen Sie uns die Sache zu einem Vergleich kommen, was sagen Sie zu einem kleinen Diner?«

»Ein kleines Diner?« wiederholte ich, ohne ihn zu verstehen.

»Ganz recht ein kleines Diner,« sagte der Major noch einmal. »Ja meinem Hause. Sie bestehen darauf, bei Dexter eingeführt zu werden und ich kann nicht darin willigen Sie mit ihm allein zu lassen. Der einzige Punkt in dem wir zusammen kommen können ist die Vereinigung beider Parteien zu einem kleinen Diner unter dem Schutze meines Daches. Wir können noch einige andere Schönheiten dazu bitten Madame Mirliflore ist in London. Sie wird Ihnen sehr gefallen. Und wen sonst noch? Lady Clarinda? Ebenfalls ein reizendes Weib! Mr. Benjamin, Sie sollen neben ihr sitzen. Einen größeren Beweis meiner Hochachtung kann ich Ihnen nicht geben. Wollen wir meine kleine Primadonna nach dem Essen singen lassen? Ich denke. Sie ist so schön. Sie wird die Häßlichkeit des Mr. Dexter verdunkeln helfen. Die Sache ist also abgemacht. Wollen wir sagen heut über 8 Tage?« fragte der Major sein Taschenbuch hervorziehend.

Ich willigte, obgleich nicht gerne, in den Vergleich. Mit einem Empfehlungsbrief hätte ich Mr. Dexter noch heute Nachmittag sehen können. So mußte ich noch acht Tage warten. Doch was half es? Wenn der Major einmal seinen Eigensinn aufsetzte, wie ich, dann konnte noch weit mehr verloren werden.

»Also Punkt acht Mr. Benjamin,« wiederholte der Major. »Schreiben Sie es ebenfalls in Ihr Buch.«

Benjamin gehorchte, indem er mir einen Blick zuwarf, den ich recht gut verstand. Mein alter Freund hatte keine große Lust mit einem Herrn zu diniren der halb Tiger und halb Affe war, und der Vorzug neben Lady Clarinda zu sitzen, schreckte ihn mehr ab, als er ihn entzückte. Mein bittender Gegenblick stimmte ihn zu meinen Gunsten und er notirte die Stunde in seinem Buche. Der Major sah auf seine Uhr und er hob sich schnell.

»Es ist später, als ich dachte,« sagte er. »Ich habe mich mit einer Freundin verabredet. Ein ganz reizendes Geschöpf! Sie thut mir die Ehre an, mich um mein Urtheil über alte Stickereien zu befragen. Ich verstehe etwas von alten Stickereien. Ich studire Alles, was mich Ihrem bezauberndem Geschlechte nützlich machen kann.«

Er nahm meine Hand und betrachtete sie mit kritischen Blicken.

»Eure reizende Hand,« sagte er. »Verargen Sie es mir nicht wenn ich sie küsse. Schöne Hände gehören zu meinen kleinen Schwächen. Vergehen Sie mir also. Ich verspreche Ihnen zu bereuen und zu büßen.«

»In Ihrem Alter, Major, sollten Sie nicht so viel Zeit zu verlieren haben,« sagte eine fremde Stimme hinter uns.

Wir alle drei blickten uns nach der Thüre um. Da stand meines Mannes Mutter mit einem satyrischen Lächeln auf den edlen Zügen.

Der alte Soldat war schnell mit der Antwort fertig.

»Das Wort Alter ist ein relativer Ausdruck, Mrs. Macallan« sagte er. »Es giebt Leute, die nie jung gewesen sind und wieder Andere, die nie alt werden. Ich gehöre zu den letzteren. Auf Wiedersehen!«

Mit dieser Antwort warf der unverbesserliche Major uns eine Kußhand zu und verließ das Zimmer.

Benjamin öffnete die Thür zu seiner kleinen Bibliothek und bat Mrs. Macallan und mich einzutreten.


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