Achtundfünfzigstes KapitelCHAPTER XLIX - THE NURSE IS SENT AWAY
»Haben Sie bereut und Ihren Sinn geändert?« fragte Lord Harry den Doktor. "YOU have repented and changed your mind, Vimpany?" said Lord Harry.
»Ich -bereut?« antwortete dieser lachend. »Halten Sie mich einer solchen Dummheit für fähig?« "I repented?" the doctor repeated, with a laugh. "You think me capable of that, do you?"
»Der Mann wird jeden Tag kräftiger und gesünder. Sie gehen also doch damit um, ihn wiederherzustellen. Ich fürchtete« - er verbesserte sich - »ich dachte«, - das war der richtigere Ausdruck - »Sie wollten ihn vergiften.« "The man is growing stronger and better every day. You are going to make him recover, after all. I was afraid"--he corrected himself--"I thought"--the word was the truer--"that you were going to poison him."
»Sie dachten, ich wollte - das heißt, wir wollten, Mylord - ein solch törichtes und nutzloses Verbrechen begehen, und dieses auch noch, während unsere kluge Pflegerin anwesend ist und die ganze Zeit aufpasst mit dem Argwohn einer Katze und jede Veränderung in dem Befinden des Kranken wahrnimmt? - Nein; ich gestehe zudem, sein Fall hat mich anfangs beunruhigt, weil ich nicht diese günstige Wendung in seinem Befinden voraussetzte. Nun, es ist das Beste, Fanny Mere sieht ihn jeden Tag kräftiger werden. Was dann auch geschehen mag, sie kann bezeugen, mit welcher Sorgfalt der Mann behandelt worden ist. Sie dachte, sie hätte uns in der Tasche, und wir haben sie.« "You thought I was going--we were going, my lord--to commit a stupid and a useless crime. And, with our clever nurse present, all the time watching with the suspicions of a cat, and noting every change in the symptoms? No--I confess his case has puzzled me because I did not anticipate this favourable change. Well--it is all for the best. Fanny sees him grow stronger every day--whatever happens she can testify to the care with which the man has been treated. So far she thought she would have us in her power, and we have her."
»Sie sind furchtbar klug, Vimpany, aber manchmal sind Sie doch zu klug für mich, vielleicht zu klug für sich selbst.« "You are mighty clever, Vimpany; but sometimes you are too clever for me, and, perhaps, too clever for yourself."
»Ich werde mich Ihnen deutlicher erklären«, sagte der Doktor, und wohlbekannt mit dem Argwohn der Pflegerin, lehnte er sich vorwärts und flüsterte Lord Harry ins Ohr: »Fanny muss fort, jetzt ist es höchste Zeit; der Mann befindet sich auf dem Weg der Besserung, der Mann muss verschwinden, und der nächste Patient werden Sie selbst sein, Mylord. Verstehen Sie mich jetzt?« "Let me make myself clearer"--conscious of the nurse's suspicions, he leaned forward and whispered: "Fanny must go. Now is the time. The man is recovering. The man must go: the next patient will be your lordship himself. Now do you understand?"
»Zum Teil.« "Partly."
»Das genügt vollständig. Wenn ich handeln soll, so ist es hinreichend, wenn Sie nur nach und nach mich verstehen. Unsere argwöhnische Pflegerin aber muss fort. Das ist zunächst notwendig. Überlassen Sie es ruhig mir, sie zu entfernen.« "Enough. If I am to act it is sufficient for you to understand step by step. Our suspicious nurse is to go. That is the next step. Leave me to act."
Lord Harry ging weg; er überließ die Sache dem Doktor. Sie schien ihn überhaupt gar nicht weiter zu berühren, wenn ihm auch sein Schuldbewusstsein etwas Unbehagen verursachte. Er trug das Abschiedsbillet seiner Frau bei sich: »Darf ich hoffen, bei meiner Rückkehr den Mann zu finden, dem ich vertraut, den ich geachtet habe?« Sein Gewissen quälte ihn mit Vorwürfen, so oft er - und das geschah wohl fünfzigmal am Tage! - das kleine Stück Papier aus seinem Notizbuch nahm und es wieder durchlas. Ja, sie würde immer den Mann bei ihrer Rückkehr finden, den Mann, dem sie vertraut, den sie geachtet hatte - den letzten Zusatz überging er jedoch - es würde natürlich derselbe Mann sein; ob sie aber noch imstande sein würde, ihm zu trauen, ihn zu achten, diese Frage stellte er sich gar nicht. Übrigens führte ja der Doktor die Sache aus und nicht er. Lord Harry walked away. He left the thing to the doctor. It hardly seemed to concern him. A dying man; a conspiracy; a fraud:--yet the guilty knowledge of all this gave him small uneasiness. He carried with him his wife's last note: "May I hope to find on my return the man whom I have trusted and honoured?" His conscience, callous as regards the doctor's scheme, filled him with remorse whenever--which was fifty times a day--he took this little rag of a note from his pocket-book and read it again. Yes: she would always find the man, on her return--the man whom she had trusted and honoured--the latter clause he passed over--it would be, of course the same man: whether she would still be able to trust and honour him--that question he did not put to himself. After all, the doctor was acting--not he, himself.
Dann dachte er an Hugh Monntjoy, und seine alte Eifersucht wurde sofort wieder lebendig. Iris würde jetzt bei ihm sein, bei dem Mann, dessen Liebe zu ihr nur deutlicher durch seine Achtung, seine Ergebenheit und sein Zartgefühl zu Tage trat; sie würde in seiner Gesellschaft verweilen; sie würde die wahre Bedeutung dieser Achtung und dieses Zartgefühls verstehen lernen; sie würde die Tiefe seiner Ergebenheit würdigen; sie würde Hugh, den Mann, den sie hätte heiraten können, mit ihm, dem Mann, den sie geheiratet hatte, vergleichen. And he remembered Hugh Mountjoy. Iris would be with him--the man whose affection was only brought out in the stronger light by his respect, his devotion, and his delicacy. She would be in his society: she would understand the true meaning of this respect and delicacy: she would appreciate the depth of his devotion: she would contrast Hugh, the man she might have married, with himself, the man she did marry.
Und sein Haus war ohne sie so traurig, so öde. Er verabscheute in seiner Verzweiflung und in seinem Leichtsinn den Anblick des Doktors. And the house was wretched without her; and he hated the sight of the doctor--desperate and reckless.
Er beschloss, an Iris zu schreiben, setzte sich hin und schüttete ihr sein ganzes Herz aus, aber zu einem Geständnis der Wahrheit kam es nicht. He resolved to write to Iris: he sat down and poured out his heart, but not his conscience, to her.
»An unserer Trennung bin ich, nur ich ganz allein, schuld; es ist mein eigenes abscheuliches Benehmen gewesen, das sie herbeigeführt hat. Verzeihe mir, liebste Iris. Wenn ich es Dir unmöglich gemacht habe, mit mir weiter zu leben, so ist es unmöglich für mich, ohne Dich zu leben. Das ist meine Strafe. Das Haus ist öde und leer; die Stunden schleichen langsam dahin, ich weiß nicht, wie ich sie herumbringen soll; mein Leben ist für mich eine Qual und eine Last geworden, da Du nicht mehr bei mir bist. Und doch habe ich kein Recht zu klagen; ich sollte mich freuen, wenn ich daran denke, dass Du glücklich bist, von meiner Gesellschaft befreit zu sein. Liebling, ich bitte Dich nicht, jetzt zurückzukommen«, - er erinnerte sich wirklich daran, dass ihre Zurückkunft in diesem kritischen Zeitpunkt von sehr ernsten Folgen sein konnte - »ich kann Dich noch nicht bitten, zurückzukommen, aber lass mir nur ein wenig Hoffnung; lass mich empfinden, dass Du in Deiner unaussprechlichen Güte an meine Reue glaubst, und lass mich mit Vertrauen vorwärts blicken auf eine Wiedervereinigung in naher Zukunft.« "As for our separation," he said, "I, and only I, am to blame. It is my own abominable conduct that has caused it. Give me your pardon, dearest Iris. If I have made it impossible for you to live with me, it is also impossible for me to live without you. So am I punished. The house is dull and lonely; the hours crawl, I know not how to kill the time; my life is a misery and a burden because you are not with me. Yet I have no right to complain; I ought to rejoice in thinking that you are happy in being relieved of my presence. My dear, I do not ask you to come at present"--he remembered, indeed, that her arrival at this juncture might be seriously awkward--"I cannot ask you to come back yet, but let me have a little hope--let me feel that in the sweetness of your nature you will believe in my repentance, and let me look forward to a speedy reunion in the future."
Er adressierte diesen Brief an Lady Harry Norland unter der Adresse von Hugh Mountjoy in dessen Hotel in London. Mountjoy würde den Schreiber nicht erraten und sicherlich den Brief an Iris abgeben. Da er genau wusste, wie sehr ihn seine Frau liebte, so rechnete er darauf, dass Iris ihm auf halbem Weg entgegenkommen und zurückkehren würde, sobald er in der Lage war, sie zurückzurufen. Er hatte, wie wir sehen werden, die Rechnung ohne den Wirt gemacht. When he had written this letter, which he would have done better to keep in his own hands for awhile, he directed it in a feigned hand to Lady Harry Norland, care of Hugh Mountjoy, at the latter's London hotel. Mountjoy would not know Iris's correspondent, and would certainly forward the letter. He calculated--with the knowledge of her affectionate and impulsive nature--that Iris would meet him half-way, and would return whenever he should be able to call her back. He did not calculate, as will be seen, on the step which she actually took.
Nachdem er den Brief abgeschickt, kehrte er glücklicher und heiterer in die Villa zurück; er hoffte ja nun bald seine Frau wieder bei sich zu haben. Er blickte in das Krankenzimmer. Der Kranke saß im Bett aufrecht und plauderte munter. Es war der beste Tag, den er bis jetzt während seiner Krankheit gehabt hatte. Der Doktor saß neben seinem Bett auf einem Stuhl, und die Pflegerin stand ruhig und in sich versunken dabei, aber nichtsdestoweniger wachsam und argwöhnisch. The letter despatched, he came back to the cottage happier--he would get his wife again. He looked in at the sick-room. The patient was sitting up, chatting pleasantly; it was the best day he had known; the doctor was sitting in a chair placed beside the bed, and the nurse stood quiet, self-composed, but none the less watchful and suspicious.
»Sie machen so rasche Fortschritte, mein Lieber«, sagte Doktor Vimpany, »dass wir Sie in einem oder zwei Tagen außer dem Bett sehen werden. Sie sind zwar noch nicht ganz wieder hergestellt, noch nicht ganz.« Er zog sein Stethoskop heraus und untersuchte nochmals die Lunge, wobei er ein außerordentliches wissenschaftliches Interesse heuchelte. »Meine Behandlungsweise hat, wie Sie sehen, Erfolg gehabt«, - er machte sich einige Notizen in sein Taschenbuch- »sie hat Erfolg gehabt«, wiederholte er, »Sie werden das selbst zugeben müssen.« "You are going on so well, my man," Doctor Vimpany was saying, "That we shall have you out and about again in a day or two. Not quite yet, though--not quite yet," he pulled out his stethoscope and made an examination with an immense show of professional interest. "My treatment has succeeded, you see"--he made a note or two in his pocket-book--"has succeeded," he repeated. "They will have to acknowledge that."
»Gütiger Herr, ich bin Ihnen unaussprechlich dankbar - ich habe Ihnen so sehr viele Mühe gemacht!« "Gracious sir, I am grateful. I have given a great deal too much trouble."
»Ein solch interessanter Krankheitsfall kann niemals zu viele Mühe machen«, entgegnete der Doktor, »das ist unmöglich. Denken Sie nur daran, Oxbye, dass es sich hier um die Wissenschaft handelt. Sie sind nicht Oxbye, Sie sind ein Fall, - nicht ein Mann, sondern ein Teil der Maschine ist in Unordnung geraten. Die Wissenschaft wacht an der Seite Ihres Krankenlagers, sie schaut Sie durch und durch. Obgleich Sie aus festem Fleisch und Knochen bestehen und auch Kleider anhaben, sind Sie für die Wissenschaft doch ganz durchsichtig. Doch handelt es sich für sie nicht nur darum, Ihre Krankheitserscheinungen zu beobachten, sondern sie will auch die Maschine wieder vollständig in Ordnung bringen.« "A medical case can never give too much trouble--that is impossible. Remember, Oxbye, it is Science which watches at your bedside. You are not Oxbye; you are a case; it is not a man, it is a piece of machinery that is out of order. Science watches: she sees you through and through. Though you are made of solid flesh and bones, and clothed, to Science you are transparent. Her business is not only to read your symptoms, but to set the machinery right again."
Der Däne war ganz überwältigt von diesen hochtrabenden Worten und konnte nur seinen Dank immer von neuem aussprechen. The Dane, overwhelmed, could only renew his thanks.
»Ob er wohl stehen kann? - Was glauben Sie, Wärterin?« fuhr der Doktor, an Fanny gewendet, fort; »wir wollen es einmal versuchen. Er soll heute nicht gleich allzu viel herumgehen, sondern nur einmal aus dem Bett heraus, und wenn der Versuch nur dazu dient, ihm selbst zu beweisen, dass es mit ihm schon viel besser geht. Wir müssen ihn überzeugen, dass er schon fast ganz gesund ist. Kommen Sie, Wärterin, wir wollen ihn an der Hand halten.« "Can he stand, do you think, nurse?" the doctor went on. "Let us try--not to walk about much to-day, but to get out of bed, if only to prove to himself that he is so much better; to make him understand that he is really nearly well. Come, nurse, let us give him a hand."
Der Däne fühlte sich natürlich noch sehr schwach, nachdem er so lange an das Bett gefesselt gewesen war. Liebevoll unterstützte ihn Mr. Vimpany, als er an das Fenster ging und in den Garten hinaussah. In the most paternal manner possible the doctor assisted his patient, weak, after so long a confinement to his bed, to get out of bed, and supported him while he walked to the open window, and looked out into the garden.
»So«, sagte er, »jetzt ist es für heute genug. Nur nicht gleich zu viel fürs erstemal. Morgen wird er schon allein aufstehen und herumgehen können. Nun, Fanny, Sie sind jetzt mit mir doch der gleichen Meinung, wie ich hoffe, dass ich den Kranken wieder gesund gemacht habe? Nicht wahr, endlich glauben Sie es doch auch?« "There," he said, "that is enough. Not too much at first. To-morrow he will have to get up by himself. Well, Fanny, you agree at last, I suppose, that I have brought this poor man round? At last, eh?"
Sein Blick zeigte deutlich, was er meinte. »Sie dachten«, sagte dieser Blick, »dass irgendein Schurkenstreich beabsichtigt sei? Sie haben sich als Pflegerin für diesen Mann nur aus dem Grund angeboten, weil Sie uns überwachen und diesen Schurkenstreich entdecken wollten! - Nun, was haben Sie jetzt zu sagen?« fügte der Doktor laut hinzu. His look and his words showed what he meant. "You thought that some devilry was intended." That was what the look meant. "You proposed to nurse this man in order to watch for and to discover this devilry. Very well, what have you got to say?"
Alles, was Fanny zu sagen hatte, war das in bescheidener Weise gegebene Zugeständnis, dass der Mann sich auffallend erholt und sein Befinden sich stetig gebessert habe, seit er in die Villa gebracht worden. All that Fanny had to say was, submissively, that the man was clearly much better; and, she added, he had been steadily improving ever since he came to the cottage.
Solches besagten ihre Worte; im Herzen aber war sie immer noch voller Zweifel und Argwohn. That is what she said; but she said it without the light of confidence in her eyes--she was still doubtful and suspicious.
Wir wollen nicht darüber rechten, wie weit des Doktors Scharfblick ging, wo es sich darum handelte, den Zustand der Lungen und des ganzen inneren Organismus zu erkennen; sicher aber ist, dass er die Fähigkeit besaß, in der Seele einer Frau zu lesen. Er erkannte so deutlich, als ob es vor ihm auf ein Stück Papier gezeichnet wäre, welche Verwirrung in Fannys Gedanken herrschte. Sie wusste, es war etwas beabsichtigt, was sie nicht wissen sollte. Dass der Mann nur darum in die Villa gebracht worden war, um einem wissenschaftlichen Experiment zu dienen, glaubte sie nun und nimmermehr; sie hatte gedacht, sie würde ihn sterben sehen; aber er starb nicht, sondern es ging ihm von Tag zu Tag besser, so dass er in kurzer Zeit wieder so gesund sein würde, wie er es jemals in seinem Leben gewesen war. Zu welchem Zweck hatte das nun der Doktor getan? Hier stand sie vor einem Rätsel, über dessen Lösung sie vorerst vergeblich grübelte; nur etwas Gutes traute sie dem Doktor auch jetzt nicht zu. Whatever power the doctor had of seeing the condition of lungs and hidden machinery, he certainly had the power of reading this woman's thoughts. He saw, as clearly as if upon a printed page, the bewilderment of her mind. She knew that something was intended---something not for her to know. That the man had been brought to the cottage to be made the subject of a scientific experiment she did not believe. She had looked to see him die, but he did not die. He was mending fast; in a little while he would be as well as ever he had been in his life. What had the doctor done it for? Was it really possible that nothing was ever intended beyond a scientific experiment, which had succeeded? In the case of any other man, the woman's doubts would have been entirely removed; in the case of Dr. Vimpany these doubts remained. There are some men of whom nothing good can be believed, whether of motive or of action; for if their acts seem good, their motive must be bad. Many women know, or fancy they know, such a man--one who seems to them wholly and hopelessly bad. Besides, what was the meaning of the secret conversation and the widespread colloquies of the doctor and my lord? And why, at first, was the doctor so careless about his patient?
»Die Zeit ist endlich gekommen«, sagte, sie durchschauend, der schlaue Vimpany an diesem Abend, als er mit Lord Harry allein war, »wo dieses Mädchen fort muss. Der Mann wird sich jetzt sehr rasch wieder erholen und bedarf dann keiner Pflegerin mehr; deshalb ist auch kein Grund vorhanden, sie länger zu behalten. Wenn sie immer noch Verdacht hegt, so hat sie dazu nicht den geringsten Grund; sie hat bei der Behandlung eines fast hoffnungslosen Kranken durch einen geschickten Arzt geholfen. Was will sie mehr? Nichts, gar nichts!« "The time has come at last," said the doctor that evening, when the two men were alone, "for this woman to go. The man is getting well rapidly, he no longer wants a nurse; there is no reason for keeping her. If she has suspicions there is no longer the least foundation for them; she has assisted at the healing of a man desperately sick by a skilful physician. What more? Nothing--positively nothing."
»Kann sie meiner Frau so viel, aber sonst nichts weiter erzählen?« fragte Lord Harry. »Weiß sie wirklich nichts mehr?« "Can she tell my wife so much and no more?" asked Lord Harry. "Will there be no more?"
»Sie kann Lady Harry nicht mehr erzählen als das, weil sie nicht mehr weiß und wir nicht mehr sagen«, antwortete der Doktor ruhig. »Sie würde gewiss gern tiefer in unsere Geheimnisse eindringen; sie ist furchtbar enttäuscht, dass sie nichts weiter zu erzählen hat, aber sie soll ganz gewiss nichts mehr ergründen. Sie hasst mich, aber sie hasst Sie, lieber Freund, noch viel mehr.« "She can tell her ladyship no more, because she will have no more to tell," the doctor replied quietly. "She would like to learn more; she is horribly disappointed that there is no more to tell; but she shall hear no more. She hates me: but she hates your lordship more."
»Warum?« "Why?"
»Weil sie ihre Herrin noch liebt. Solch eine Frau wie sie pflegt die ganze Liebe, deren sie fähig ist, auf eine Person zu konzentrieren. - Sie lachen? - Sie ist ein Dienstbote und ein gewöhnliches, ungebildetes Mädchen. Es ist allgemein bekannt, und es sind schon sehr viele Fälle dagewesen, dass eine solche Frau - sagen wir ein Dienstmädchen, welches noch tiefer steht und das eine ganz übertriebene Verehrung für ihre Herrin hegt - dabei zugleich von der heftigsten Eifersucht beseelt war. Fanny Mere ist auch eifersüchtig und zwar auf Sie, lieber Freund. Sie hasst Sie und möchte gar zu gern, dass Ihre Frau Sie auch hassen soll. Ihr würde nichts angenehmer und erwünschter sein, als wenn sie jetzt zu ihrer Herrin zurückkehren könnte und in den Händen die Beweise solcher Handlungen Ihrerseits hätte - ich sage solcher Handlungen« - er wählte seine nächsten Worte sorgfältig aus - »welche Ihre Frau für immer von Ihnen trennen würden.« "Because her mistress loves you still. Such a woman as this would like to absorb the whole affection of her mistress in herself. You laugh. She is a servant, and a common person. How can such a person conceive an affection so strong as to become a passion for one so superior? But it is true. It is perfectly well known, and there have been many recorded instances of such a woman, say a servant, greatly inferior in station, conceiving a desperate affection for her mistress, accompanied by the fiercest jealousy. Fanny Mere is jealous--and of you. She hates you; she wants your wife to hate you. She would like nothing better than to go back to her mistress with the proofs in her hand of such acts on your part--such acts, I say," he chose his next words carefully, "as would keep her from you for ever."
»Dann ist sie ja ein wahrer Teufel«, rief Lord Harry; »aber was geht das schließlich mich an? Was tut es mir, wenn das Kammermädchen einer Lady mich mehr oder weniger hasst oder liebt?« "She's a devil, I dare say," said Lord Harry, carelessly. "What do I care? What does it matter to me whether a lady's maid, more or less, hates me or loves me?"
»Das sprach der Aristokrat, Mylord. Erinnern Sie sich gefälligst daran, dass das Kammermädchen einer Dame auch ein Weib ist. Sie sind wahrscheinlich in der Ansicht aufgewachsen und auferzogen worden, dass Dienstboten überhaupt keine Menschen sind. Das ist ein Irrtum - ein großer Irrtum. Kein Mensch in der Welt ist so niedrig gestellt, dass er nicht imstande wäre, Unheil anzustiften. Die Fähigkeit dazu ist einem jeden von uns gegeben. Dies ist die wahre, die einzige Gleichheit unter den Menschen; wir haben alle die Kraft, zu zerstören. Und auf mein Wort, es ist viel gefährlicher, von einer Frau gehasst zu werden als von einem Mann. Aber seien Sie unbesorgt! Morgen werden wir Fanny Mere zum letzten Male sehen.« "There spoke the aristocrat. My lord, remember that a lady's maid is a woman. You have been brought up to believe, perhaps, that people in service are not men and women. That is a mistake--a great mistake. Fanny Mere is a woman--that is to say, an inferior form of man; and there is no man in the world so low or so base as not to be able to do mischief. The power of mischief is given to every one of us. It is the true, the only Equality of Man--we can all destroy. What? a shot in the dark; the striking of a lucifer match; the false accusation; the false witness; the defamation of character;--upon my word, it is far more dangerous to be hated by a woman than by a man. And this excellent and faithful Fanny, devoted to her mistress, hates you, my lord, even more"--he paused and laughed--"even more than the charming Mrs. Vimpany hates her husband. Never mind. To-morrow we see the last of Fanny Mere. She goes; she leaves her patient rapidly recovering. That is the fact that she carries away--not the fact she hoped and expected to carry away. She goes to-morrow and she will never come back again."
Am nächsten Vormittag besuchte der Doktor seinen Patienten viel früher als gewöhnlich. Er fand den Dänen in dem besten Wohlsein vor, lebhaft und heiter mit seiner Pflegerin plaudernd. »So«, sagte Mr. Vimpany nach der gewöhnlichen Untersuchung und den üblichen Fragen, »das geht ja besser, als ich erwartete. Jetzt sind Sie wieder imstande, allein aufzustehen. Sie können es nach dem Frühstück langsam versuchen; Sie können sich selbst anziehen; Sie brauchen keine Hilfe mehr. Pflegerin«, wendete er sich an Fanny, »wir haben Sie, wie ich glaube, nicht mehr nötig. Ich bin sehr zufrieden mit der aufmerksamen Pflege, die Sie meinem Patienten haben angedeihen lassen. Wenn Sie jemals daran denken sollten, den Beruf einer Krankenpflegerin zu wählen, dann beziehen Sie sich nur auf meine Empfehlung. Mein Versuch«, setzte er nachdenklich hinzu, »ist vollkommen geglückt; ich kann nicht leugnen, dass ich dies zum Teil der Klugheit und Geduld zu danken habe, mit der Sie meine Befehle ausführten, aber ich glaube, dass Ihre Dienste jetzt überflüssig geworden sind.« The next morning the doctor paid a visit to his patient rather earlier than usual. He found the man going on admirably: fresh in colour, lively and cheerful, chatting pleasantly with his nurse. "So," said Dr. Vimpany, after the usual examination and questions, "this is better than I expected. You are now able to get up. You can do so by-and-by, after breakfast; you can dress yourself, you want no more help. Nurse," he turned to Fanny, "I think that we have done with you. I am satisfied with the careful watch you have kept over my patient. If ever you think of becoming a nurse by profession, rely on my recommendation. The experiment," he added, thoughtfully, "has fully succeeded. I cannot deny that it has been owing partly to the intelligence and patience with which you have carried out my instructions. But I think that your services may now be relinquished."
»Wann soll ich gehen?« fragte Fanny ruhig. "When am I to go, sir?" she asked, impassively.
»In jedem andern Fall würde ich gesagt haben: Bleiben Sie noch etwas länger, so lange es Ihnen beliebt; richten Sie es ganz nach Ihrer eigenen Bequemlichkeit ein. In Ihrem Fall muss ich jedoch sagen: Gehen Sie sofort zu Ihrer Herrin. Lady Harry war sehr betrübt, dass sie Sie hier lassen musste; sie wird sich daher freuen, wenn Sie wieder zu ihr zurückkommen. Wie lange werden Sie Zelt brauchen, um sich zur Abreise fertig zu machen?« "In any other case I should have said, 'Stay a little longer, if you please. Use your own convenience.' In your case I must say, 'Go to your mistress.' Her ladyship was reluctant to leave you behind. She will be glad to have you back again. How long will you take to get ready?"
»Ich könnte, wenn es nötig wäre, in zehn Minuten fertig sein.« "I could be ready in ten minutes, if it were necessary."
»Das ist nicht nötig. Sie können den Nachtzug nach Dieppe benützen. Er verlässt Paris um neun Uhr fünfzig abends. Sie brauchen eine Stunde, um von einer Station zur andern zu gelangen. Wenn Sie daher nur vor sieben Uhr von hier wegfahren, so haben Sie vollkommen Zeit. Sie werden Lord Harry fragen, ob er Ihnen Briefe oder sonst einen Auftrag mitzugeben hat.« "That is not necessary. You can take the night mail viâ Dieppe and Newhaven. It leaves Paris at 9.50. Give yourself an hour to get from station to station. Any time, therefore, this evening before seven o'clock will do perfectly well. You will ask his lordship for any letters or messages he may have."
»Gut, Sir«, antwortete Fanny. »Mit Ihrer Erlaubnis werde ich sogleich weggehen, damit ich den Tag für mich in Paris habe.« "Yes, sir," Fanny replied. "With your permission, sir, I will go at once, so as to get a whole day in Paris."
»Ganz, wie Sie wollen, ganz, wie Sie wollen«, sagte der Doktor, der sich nicht denken konnte, warum sie einen vollen Tag in Paris bleiben wollte; aber es konnte ja in gar keinem Zusammenhang mit dem kranken Dänen stehen. Er verließ das Zimmer, nachdem er vorher noch versprochen hatte, in einer oder zwei Stunden wieder nach Mr. Oxbye zu sehen. Dann stellte er sich an dem Gartentor auf, durch welches Fanny Mere das Haus verlassen musste. Ungefähr nach einer halben Stunde kam sie den Weg entlang mit ihrer Reisetasche. Der Doktor öffnete ihr die Tür. "As you please, as you please," said the doctor, wondering why she wanted a day in Paris; but it could have nothing to do with his sick man. He left the room, promising to see the Dane again in an hour or two, and took up a position at the garden gate through which the nurse must pass. In about half an hour she walked down the path carrying her box. The doctor opened the gate for her.
»Leben Sie wohl, Fanny«, sagte er; »nochmals meinen besten Dank für Ihre Sorgfalt. Ich bin sehr froh«, fügte er mit seinem, wie er glaubte, süßesten Lächeln hinzu, was aber doch nur wie ein Grinsen aussah, »dass Ihre Bemühungen in einer solchen Weise gekrönt worden sind, wie Sie wohl selbst kaum erwartet haben.« "Good-bye, Fanny," he said. "Again, many thanks for your care and your watchfulness--especially the latter. I am very glad," he said, with what he meant for the sweetest smile, but it looked like a grin, "that it has been rewarded in such a way as you hardly perhaps expected."
»Ich danke Ihnen, Sir«, antwortete das Mädchen. »Mr. Oxbye ist jetzt in der Tat wieder fast ganz gesund und kann sich daher wirklich ohne mich behelfen.« "Thank you, sir," said the girl. "The man is nearly well now, and can do without me very well indeed."
»Die Tasche ist aber viel zu schwer für Sie, Fanny. - Nein, nein, geben Sie sie nur her, ich werde sie Ihnen bis zum Omnibus tragen.« "The box is too heavy for you, Fanny. Nay, I insist upon it: I shall carry it to the station for you."
Es war nicht weit bis zum Omnibus, und die Tasche war auch nicht zu schwer, aber Fanny fügte sich. »Er will sehen, ob ich auch wirklich abreise«, dachte sie. It was not far to the station, and the box was not too heavy, but Fanny yielded it. "He wants to see me safe out of the station," she thought.
»Ich will meiner Sache gewiss sein!« dachte er. "I will see her safe out of the place," he thought. Ten minutes later the doors of the salle d'attente were thrown open, the train rolled in, and Fanny was carried away.
Der Doktor kehrte gedankenvoll in das Haus zurück. Jetzt war der Zeitpunkt für die Ausführung seines Planes gekommen. Jedes Hindernis war aus dem Wege geräumt. The doctor returned thoughtfully to the house. The time was come for the execution of his project. Everybody was out of the way.
»Sie ist fort«, sagte er, als Lord Harry gegen elf Uhr zum Frühstück zurückkehrte. »Ich sah sie mit dem Omnibus nach dem Westbahnhof fahren.« "She is gone," he said, when Lord Harry returned for breakfast at eleven. "I saw her safely out of the station."
»Sie ist fort«, wiederholte sein Verbündeter, »und ich bin nun allein in diesem Hause mit Ihnen und mit -« "Gone!" his confederate echoed: "and I am alone in the house with you and--and----"
»Mit dem Kranken - in Zukunft Sie selbst, Mylord.« "The sick man--henceforth, yourself, my lord, yourself."


Vorheriges Kapitel
Nächstes Kapitel
 Inhaltsverzeichnis für diese Geschichte