Die Heirat im Omnibus



Sechstes Kapitel.

Ungefähr sechs Wochen nach dem Besuche, den ich meinem Vater und Clara auf dem Lande abgestattet, kehrten sie für die Saison nach London zurück.

Ihre Ankunft hatte keine Veränderung in meinen täglichen Gewohnheiten zur Folge. Die Verlegenheit war von meiner Schwester eben so wie von mir bei unsrer Unterredung beseitigt und es ward mit keinem Worte auf mein Geheimniß hingedeutet. Die Geschäfte, welche mein Vater in der Stadt, wie gewöhnlich, zu besorgen hatte, hielten ihn von mir entfernt.

Meine Absicht ist indessen nicht, länger bei dem Leben zu verweilen, welches ich sowohl in unserm Hause als in der Nordvilla während des Frühlings und des Sommers führte. Es hieße dies einfach, Vieles wiederholen, was schon erzählt worden ist. Besser ist es, wenn ich sofort zur Zeit des Endes meines Prüfungsjahres komme -- einer Zeit, von welcher zu sprechen mir trotz meines ernsten Entschlusses viel Ueberwindung kostet.

Ich bin jedoch schon zu weit vorgeschritten, als daß ich noch Halt machen könnte Uebrigens wird es auch nur noch weniger Blätter bedürfen, um —-

O, welche Schwäche! —— Ich muß weiter erzählen —— meine Erzählung muß vollständig sein. Es handelt sich bloß noch um eine Arbeit von wenigen Wochen und dieses Werk der Reue und Buße ist beendet.

Der Leser denke sich daher, daß der letzte Tag meines langen Prüfungsjahres gekommen ist und daß den nächstfolgenden Tag Margarethe, um deren willen ich mich geopfert, für welche ich so viel gelitten, endlich mein sein wird.

Am Vorabende des Tages, wo diese große Veränderung in meinem Leben vorgehen sollte, konnten die verschiedenen Situationen, in welchen wir uns sämtlich zu einander befanden, auf folgende Weise angedeutet werden.

Die Kälte, die mein Vater mir in seinem Benehmen zeigt, hat sich seit meinem Verweilen in London nicht geändert. Ich meinerseits habe mich sorgfältig gehütet, in seiner Gegenwart nur ein Wort zu sprechen, welches eine, wenn auch nur entfernte Beziehung zu meiner wirklichen Situation hätte. Wir sehen einander nicht, ohne die gewöhnlichen äußern Formen zu beobachten, die in den Beziehungen zwischen Vater und Sohn liegen, aber dennoch ist unser Zerwürfniß ein vollständiges geworden.

Clara hat nicht verfehlt, dies zu bemerken, und im Stillen darüber geseufzt Nichtsdestoweniger erwachten glücklichere Gefühle in ihrem Gemüthe, als ich ihr unter vier Augen zu verstehen gab, daß die Zeit, ihr mein Geheimniß zu entdecken, nicht mehr fern sei. Ihre Aufregung kam beinahe der meinigen gleich, obschon sie an weiter Nichts denken konnte als an eine ihr vorbehaltene Erklärung und Ueberraschung.

Oft, wenn ich an ihre natürliche Empfänglichkeit dachte, fürchtete ich beinahe, sie noch länger in Ungewißheit zu lassen, und bedauerte, ihr Etwas von dem neuen Interesse, welches mein Leben beherrschte, zu wissen gethan zu haben, ehe die Zeit da war, ihr Alles zu sagen.

Mr. Sherwin und ich hatten in der letzten Zeit in einem Vernehmen zu einander gestanden, in welchem nichts weniger als große Herzlichkeit herrschte. Er hatte einen kleinen Groll gegen mich, weil ich meinem Vater gegenüber noch nicht meine Vermählung muthig zur Sprache gebracht hatte, und betrachtete die Gründe, die ich hatte, um dieselbe noch geheim zu halten, als die Wirkung eines unbedingten Mangels an moralischer Festigkeit

Andrerseits konnte er jedoch auch nicht die gewissenhafte Genauigkeit verkennen, mit welcher ich seinen Wünschen in jeder andern Beziehung entsprochen hatte. Ich hatte mein Leben zu Margarethens Gunsten mit einer ziemlichen Summe versichert und auch die geeigneten Schritte gethan, um bei der ersten eintretenden Vacanz eine für mich passende Anstellung zu erhalten. Die große Mühe, die ich mir gegeben, um Margarethens Zukunft und die meinige gegen schlimme Zufälle sicher zu stellen, brachte aber dennoch auf Mr. Sherwin nicht die günstige Wirkung hervor, welche sie auf einen weniger egoistischen Menschen nothwendig geäußert haben würde. Wenigstens hatte sie jedoch die Folge, daß er Nichts weiter über meine Zurückhaltung hinsichtlich. meines Vaters äußerte und gegen mich eine Höflichkeit beobachtete, die zwar mürrisch, aber im Grunde genommen bei Weitem nicht so widerlich war als jenes familiäre Wesens, mir der er mir anfangs lästig fiel.

Während des Frühlings und des Sommers schien Mistreß Sherwin immer schwächer und schwächer zu werde. Zuweilen ließen ihre Worte und ihr Wesen, besonders in Bezug auf mich, fürchten, daß ihr Verstand mit den Kräften des Körpers zugleich schwinde.

Bei einer Gelegenheit zum Beispiel, wo Margarethe das Zimmer auf einige Minuten verlassen hatte, näherte sie sich mir rasch, um mir mit fieberhafter Unruhe die Worte zuzumurmeln:

»Geben" Sie genau Acht auf Ihre Gattin; vergessen Sie nicht, alle bösen Menschen von ihr fern zu halten. Ich habe mich bemüht, dies zu thun; thun Sie es ebenfalls.

Ich verlangte sofort eine Erklärung dieses außerordentlichen Rathes von ihr, aber sie antwortete nur, indem sie Etwas von der ganz natürlichen Besorgniß einer Mutter flüsterte, dann verfügte sie sich schleunigst wieder auf ihren Platz. Es war mir unmöglich, sie zu bewegen, sich auf deutlichere Weise zu erklären.

Mehr als ein Mal bemerkte ich an Margarethen gewisse Ausbrüche von seltsamer Laune, die mir eben so unerklärlich waren als das Benehmen ihrer Mutter. Es war dies kurze Zeit nach meiner Rückkehr vom Lande nach der Nordvilla. Oft ward sie Plötzlich traurig und träumerisch, oder reizbar und empfindlich, während sie gleich darauf sich wieder eifrigst bedacht zeigte, dem geringsten meiner Wünsche zuvorzukommen und sich dankbar für die mindeste Aufmerksamkeit zu bezeigen, die ich ihr bewies.

Diese seltsame Veränderlichkeit berührte mich unangenehmer und schmerzlicher als ich sagen kann. Ich liebte Margarethen zu sehr, als daß ich im Stande gewesen wäre, mit dem sichern Blicke eines Moralisten die Unvollkommenheiten ihres Charakters zu ergründen. Mir war dabei nicht bewußt, daß ich ihr zu dieser Veränderlichkeit der Laune Anlaß gab, und wenn sie einzig und allein auf Rechnung der Koketterie zu bringen war, so war die Koketterie in diesem Falle das letzte Mittel der Verführung, welches im Stande gewesen wäre, über mich einige Gewalt auszuüben.

Indessen ließen diese Veränderlichkeiten und meine Vorstellungen dagegen glücklicher Weise keine Spur zurück, während das Ende meiner Prüfungszeit immer näher heranrückte.

Margarethe hatte jetzt ihre früheren bezaubernden Manieren ganz wiedergewonnen. Zuweilen verriethen sich bei ihr gewisse Symptome von Verlegenheit und eines ungewöhnlichen träumerischens Wesens, aber ich bedachte, wie nahe wir dem Tage waren, wo unsere Liebe keinem Zwang mehr unterliegen würde, und diese Verlegenheit erschien mir an ihr wie ein neuer Reiz, wie eine neue Zierde ihrer Schönheit. Es gab jetzt Augenblicke, wo ich beinahe zitterte, wenn ich mein eigenes Herz prüfte, und entdeckte, mit welcher vollständigen Hingebung ich alle Schätze zu Margarethens Füßen niedergelegt hatte.

Mr. Mannion fuhr, was die Aufmerksamkeit auf, meine Interessen betraf, fort, sich wie immer als eifriger und meiner würdiger Freund zu zeigen, doch schien in mehreren Beziehungen auch mit ihm eine Veränderung vorgegangen zu sein. Das Unwohlsein, über welches er sich zur Zeit meiner Wiederankunft in London beklagt, schien sich verschlimmert zu haben. Er besaß immer noch dasselbe kalte, marmorne, undurchdringliche Gesicht, welches gleich das erste Mal, wo ich es"gesehen, einen so gewaltigen Eindruck auf mich gemacht hatte; seine bis dahin so ruhigen und anscheinend durch die Macht des Willens beherrschten Manieren waren schroff und veränderlich geworden. An gewissen Abenden, wo ich ihn hatte bitten lassen, in den Salon zu kommen, um uns über eine schwierige Stelle in einem italienischen oder deutschen Buche —- denn ich hatte mit Margarethen wieder die Abendlectüre begonnen —— hinwegzuhelfen, hielt er oft, ehe er noch drei oder vier Worte erklärt hatte, inne und murmelte in verändertem Tone Etwas über plötzliches Ohrenbrausen, über Nervenzufälle und dergleichen, worauf er in der Regel das Zimmer wieder verließ.

Diese Zufälle waren eben so geheimnißvoll und räthselhaft wie alles Andere, was mit diesem Manne zusammenhing. Man gewahrte an ihm kein äußeres Anzeichen von Schmerz und keine außerordentliche Blässe. Endlich hörte ich ganz auf, ihn zu bitten, zu uns zu kommen, denn seine plötzlichen Anwandlungen wirkten ganz natürlich auch auf Margarethen so nachtheilig ein, daß sie sich während des ganzen noch übrigen Abends unwohl fühlte. In den letzten Wochen meines Probejahres schien, wenn der Zufall mich mit ihm zusammenführte, die günstige Jahreszeit des Sommers keine Besserung in seinem Zustande herbeigeführt zu haben. Ich bemerkte, daß seine kalte Hand, deren Berührung mich an jenem rauhen Winterabende, wo ich vom Lande zurückgekommen war, zuerst mit dem Gefühle eisiger Erstarrung erfüllt, während der heißen Tage, die der Entwickelung meiner seltsamen Situation in der Nordvilla vorangingen, noch sehen so kalt war als damals. So war der Stand der Dinge in meinem väterlichen Hause und bei Mr. Sherwin, als ich mich auf den Weg machte; um Margarethen den letzten Besuch unter meinem entlehnten Charakter abzustatten, denn es sollte nun nur noch eine einzige Nacht vor unsrer gänzlichen und vollständigen Vereinigung verfließen. Ich hatte den ganzen Tag in einem kleinen Hause zugebracht, welches ich in der Umgebung von London auf einen Monat gemietet und wo ich mich mit den nothwendigen Vorbereitungen beschäftigt hatte.

Ein Monat reinen Glücks mit Margarethen, fern von der Welt und allen Einflüssen derselben, dies war das irdische Paradies, dem seit länger als Einem Jahre meine theuersten und lebhaftesten Hoffnungen zugewendet waren —— Hoffnungen, die sich nun endlich verwirklichen sollten. Ich war mit meinen Arrangements in diesem kleinen Landhause zeitig genug fertig, um ein wenig vor der gewohnten Stunde des Diners in das Haus meines Vaters zurückkehren zu können. Während dieser Mahlzeit erklärte ich, daß ich London auf Einen Monat verlassen würde, indem ich vorgab, daß ein auf dem Lande wohnender Freund mich zu sich eingeladen hätte.

Mein Vater hörte mich mit seiner gewohnten Kälte und Gleichgültigkeit an und fragte mich gegen meine Erwartung nicht einmal, wer der Freund. sei, welchen ich besuchen wolle.

Nach dem Diner nahm ich Clara beiseite und sagte ihr, daß ich ihr morgen, meinem Versprechen gemäß; ehe ich abreiste, das Geheimniß anvertrauen würde, welches ich so lange in die eigene Brust verschlossen, indem ich sie zugleich bat. es jetzt noch Niemandem weiter mitzutheilen.

Hierauf verließe ich zwischen neun und zehn Uhr schnell das Hause, um in der Nordvilla einen letzten halbstündigen Besuch zu machen.

Ich zweifelte beinahe an der Wirklichkeit meines Glückes, und war, glaube ich unfähig, mir einen richtigen Begriff von der Freude zu machen, welche mein Herz erfüllte.

Eine Enttäuschung erwartete mich. Margarethe war nicht zu Hause. Sie war, wie man mir sagte, zu einer Abendgesellschaft bei einer ihrer Tanten gegangen, einer alten Jungfer, welche für sehr reich galt und welcher deshalb von der Familie alle möglichen Aufmerksamkeiten und Rücksichten erwiesen wurden.

Ich ward durch Das, was ich erfuhr, aber nicht bloß überrascht,sondern mit Entrüstung erfüllt. Margarethen gerade an diesem Abende von allen andern aus dem Hause zu schicken, verrieth einen empörenden Mangel von Rücksicht gegen uns Beide.

Mister und Mistreß Sherwin waren im Zimmer als ich eintrat, und ich sprach mich gegen ihn in Ausdrücken aus, die durchaus nichts Versöhnliches hatten. Er litt an heftigem Kopfweh, und da dies seine schlechte Laune noch bedeutend gesteigert haben mochte, so antwortete er mir in dem anmaßendsten Tone, den er bis jetzt anzunehmen gewagt:

»Mein werther Herr, erlauben Sie mir ein für alle Mal, mich entschieden auszusprechen. Von morgen an werden Sie thun, was in Ihrem Belieben steht, heute aber lassen Sie mich zum letzten Male thun, was mir beliebt. Ich weiß wohl, daß es nicht gern gesehen haben, wenn Margarethe in Gesellschaft ging, und wir würden auch heute Abend Rücksicht auf Ihre Wünsche genommen haben, wenn die alte Dame uns nicht einen zweiten Brief geschrieben hätte, in welchem sie uns mit ihrer Ungnade drohte, wenn wir Margarethen nicht erlaubten, sie zu besuchen. Ich konnte wegen meines Kopfwehes nicht ausgehen, um ihr Gegenvorstellungen zu machen. Dennoch liegt es auch in Ihrem eignen Interesse, daß meine Tochter in gutem Einvernehmen mit ihrer Tante bleibe, denn sie wird ein Mal ihr ganzes Vermögen erben, dafern sie sie nur zuweilen besucht. deshalb habe ich sie auch heute Abend gehen lassen. Dies wird uns früher oder später einige tausend Pfund einbringen. Mr. Mannion hat sich, obschon er nicht recht wohl ist, erbitten lassen, ihr als Cavalier dienen, um sie wieder nach Hause zu begleiten, und Sie können sich daher denken, daß sie in guten Händen ist. Wozu machen Sie also ein so großes Aufheben über eine so ganz natürliche Sache?«

Allerdings war es für mich eine bedeutende Herzenserleichterung zu erfahren, daß Mr. Mannion Margarethens Begleiter war. Nach meiner Meinung verdiente er dieses Vertrauen weit eher als selbst mein Schwiegervater. Von allen Diensten, die er mir bis jetzt geleistet, erachtete ich diesen für den kostbarste; aber ich wäre ihm noch dankbarer gewesen, wenn er sich bemüht hätte, Margarethen von dem Besuche dieser Abendgesellschaft abzureden.

»Ich muß Ihnen nochmals sagen,« hob Mr. Sherwin an, als ich ihm nicht sogleich antwortete, »ich muß Ihnen nochmals sagen, daß Sie sehr Unrecht haben, wenn Sie sich über meine Handlungsweise beschweren. Ich habe Alles zum Besten und mit Rücksicht auf Margarethens und Ihre Bequemlichkeit arrangirt. Gegen Mitternacht wird sie wieder da sein und Mr. Mannion ist bei ihr und ich weiß daher wirklich nicht, was Ihnen in den Kopf gefahren ist, daß Sie mich, ohne auf meinen leidenden Zustand Rücksicht zu nehmen, so mit Vorwürfen und Beschuldigungen überhäufen.«

»Sie thun mir Ihres Unwohlseins wegen sehr leid, Mr. Sherwin, und ich ziehe Ihre guten Absichten eben so wenig in Zweifel als die Versicherung, daß Margarethe an Mr. Mannion's Seite wohl aufgehoben ist, dennoch aber ist es mir natürlicher Weise sehr unangenehm sie heute Abend nicht zu Hause anzutreffen«

»Ich sagte wohl, daß sie heute Abend nicht ausgehen sollte —— trotz des Briefes ihrer Tante —— ich sagte es wohl.«

Diese kecke Interpellation kam von Mistreß Sherwin. Ich hatte sie noch niemals in Gegenwart ihres Mannes eine Meinung aussprechen hören, und ein solcher Ausfall von ihrer Seite schien mir unerklärlich. Sie sprach diese Worte schnell und entschieden und in einem entschlossenen Tone, den sie sonst niemals annahm, während sie gleichzeitig einen ganz eigenthümlich ausdrucksvollen Blick auf mich heftete.

»Wirst Du wohl schweigen!« rief Mr. Sherwin wüthend; »wie zum Teufel kannst Du Dir erlauben, eine Meinung auszusprechen, wenn Dich Niemand darum fragt! —— Ich muß Ihnen sagen, Mr. Sidney,« fuhr er fort, »indem er sich wieder zu mir wendete, »Sie würden, um diesem-ganzen abgeschmackten Auftritte ein Ende zu machen, am besten thun, wenn Sie sich selbst in die fragliche Gesellschaft begäben. Sie brauchen sich bloß auf mich zu berufen und Mr. Mannion wird mit seiner gewohnten Höflichkeit die Formalitäten der Vorstellung auf sich nehmen. Gehen Sie hin, ich bitte Sie —— gehen Sie hin —- es ist dies das Beste, was Sie thun können.«

Er schwieg und schien den Rest seiner Mißlaune an der Klingel auszulassen, in die er heftig hineinriß, weil die Dienerin ihm den vom Arzte verordneten kühlenden Trank noch nicht gebracht hatte.

Ich wußte nicht recht, ob ich auf seinen Vorschlag eingehen sollte. Während ich darüber noch dachte, benutzte Mistreß Sherwin einen Augenblick, wo ihr Mann seine Augen nicht auf sie gerichtet hatte, um mir bedeutsam zuzunicken. Ich begriff, daß sie wünschte, mich in die Abendgesellschaft gehen zu sehen; aber zu welchem Zwecke? und was sollte diese Handlungsweise bedeuten?

Die langen Körperleiden der armen Frau hatten augenscheinlich auch ihren Verstand geschwächt. Wozu sollte ich mich entschließen? Ich hatte mir fest vorgenommen, Margarethen noch diesen Abend zu sehen, aber in Gesellschaft ihrer Eltern zwei oder drei tödtlich lange Stunden auf ihre Rückkehr zu warten —- mit dieser Idee konnte ich mich nicht befreunden.

Ich entschloß mich daher, Mr. Sherwins Rathe zu folgen und zu der alten Tante zu gehen. Dort kannte mich sicherlich Niemand. Auf jeden Fall traf ich dort Leute, die einer ganz andern Welt angehörten als der, in welcher ich mich sonst zu bewegen pflegte, und deren Thun und Treiben mir vielleicht Stoff zu interessanten Beobachtungen bot. Auf alle Fälle war dies das sichere Mittel, diesen Abend noch ein paar Stunden in Margarethens Nähe zuzubringen, und ich konnte dann selbst sie nach Hause begleiten. Ohne weiter zu zögern, nahm ich daher die Adresse, welche Mr. Sherwin mir auf ein leeres Couvert geschrieben, und wünschte meinen Schwiegereltern gute Nacht.

Es schlug gerade zehn Uhr, als ich aus der Nordvilla heraustrat. Der Mond, der vorher ziemlich hell geschienen, zeigte sich nur noch in seltenen Zwischenräumen, denn die Wolken wurden immer dichter und hatten beinahe schon den ganzen weiten Raum des Himmels überzogen.


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