Neunundvierzigstes KapitelCHAPTER XL - DIRE NECESSITY
Der irische Lord hatte einige erklärende Worte vorauszuschicken, bevor er seiner Frau den Brief zu lesen gab. THE Irish lord had a word to say to his wife, before he submitted to her the letter which he had just written.
Auf dem Zeitungsbureau hatte eine Versammlung der Besitzer des neuen Blattes stattgefunden, um die Bedingungen für eine neue Subskription festzustellen, welche sich infolge unvorhergesehener, aber im Interesse des Unternehmens nicht zu umgehender Ausgaben durchaus notwendig machte. Der Beschluss, der nach sorgfältiger Beratung gefasst wurde, stellte eine Forderung an die Geldbeutel der Eigentümer, welche in einschneidendster Weise die Summe verminderte, welche Lord Harry noch besaß. Gänzlicher Ruin starrte ihm ins Gesicht, wenn er nicht die nötigen Mittel beschaffen konnte, um den pekuniären Erfolg des Unternehmens ruhig abzuwarten; darüber konnten aber nach den verschiedenen Schätzungen noch sechs, vielleicht sogar noch zwölf Monate ins Land gehen. He had been summoned to a meeting of proprietors at the office of the newspaper, convened to settle the terms of a new subscription rendered necessary by unforeseen expenses incurred in the interests of the speculation. The vote that followed, after careful preliminary consultation, authorised a claim on the purses of subscribing proprietors, which sadly reduced the sum obtained by Lord Harry's promissory note. Nor was this inconvenience the only trial of endurance to which the Irish lord was compelled to submit. The hope which he had entertained of assistance from the profits of the new journal, when repayment of the loan that he had raised became due, was now plainly revealed as a delusion. Ruin stared him in the face, unless he could command the means of waiting for the pecuniary success of the newspaper, during an interval variously estimated at six months, or even at a year to come.
»Unsere Lage ist verzweifelt genug«, sagte er, »um nach einem verzweifelten Hilfsmittel zu greifen. Erschrick nicht, Iris - ich habe an meinen Bruder geschrieben.« "Our case is desperate enough," he said, "to call for a desperate remedy. Keep up your spirits, Iris--I have written to my brother."
Iris blickte ihn mit unverhohlenem Missmut an. Iris looked at him in dismay.
»Du hast mir doch erzählt«, sagte sie, »dass Du früher einmal an Deinen Bruder geschrieben hättest und dass er Dir in der schonungslosesten Weise durch seinen Advokaten hätte antworten lassen.« "Surely," she said, "you once told me you had written to your brother, and he answered you in the cruellest manner through his lawyers."
»Ganz recht, liebe Iris. Aber diesmal spricht ein Umstand zu unseren Gunsten - mein Bruder steht im Begriff, sich zu verheiraten. Die junge Dame soll eine reiche Erbin sein und einen außerordentlich liebenswürdigen Charakter besitzen; wer mit ihr verkehrt, bewundert und verehrt sie. So eine glückliche Aussicht muss doch gewiss selbst das härteste Gemüt erweichen. Lies, was ich geschrieben habe, und sage mir dann, was Du davon denkst.« "Quite true, my dear. But, this time, there is one circumstance in our favour--my brother is going to be married. The lady is said to be an heiress; a charming creature, admired and beloved wherever she goes. There must surely be something to soften the hardest heart in that happy prospect. Read what I have written, and tell me what you think of it."
Die Meinung der geliebten Frau ermutigte den verzweifelten Ehemann: der Brief wurde noch an demselben Tag mit der Post abgeschickt. The opinion of the devoted wife encouraged the desperate husband: the letter was dispatched by the post of that day.
Wenn geräuschvolle Heiterkeit einen Mann bei Tisch angenehm machen kann, dann spielte in der Tat Mr. Vimpany nach seiner Rückkehr in die Villa die Rolle eines gern gesehenen Gastes. Er war unerschöpflich in galanten Aufmerksamkeiten gegen die Frau seines Freundes; er erzählte in der unterhaltendsten Weise die lustigsten Geschichten; er trank vergnügt den ausgezeichneten weißen Burgunder seines Wirtes und pries mit großer Sachkenntnis die wohlschmeckenden französischen Gerichte; er sprach mit Lord Harry über Politik, Sport und - was besonders merkwürdig in unseren Tagen - über Literatur. Der mit anderen Gedanken beschäftigte irische Edelmann war für alle drei Gegenstände in gleicher Weise unzugänglich. Als das Dessert auf den Tisch getragen wurde, brachte Mr. Vimpany, immer noch eifrig bemüht, sich Lady Harry so angenehm wie möglich zu machen, das Gespräch auf die Pflanzenzucht. Im Interesse des hübschen kleinen Gartens der Lady befürwortete er einen vollständigen Wechsel in dem System der Pflege und stützte sich dabei auf ein unlängst erschienenes und Iris wohlbekanntes Buch über Gartenbau und Blumenpflege in so widersinniger Weise, dass Iris in dem Eifer, ihn zu widerlegen, vom Tisch wegeilte, um das Buch zu holen. In demselben Augenblick, wo es ihm endlich gelungen war, sie aus dem Zimmer zu entfernen, wendete sich der Doktor an Lord Harry. Sein Wesen und seine Miene veränderten sich plötzlich und nahmen einen gebieterischen Ausdruck an. If boisterous good spirits can make a man agreeable at the dinner-table, then indeed Mr. Vimpany, on his return to the cottage, played the part of a welcome guest. He was inexhaustible in gallant attentions to his friend's wife; he told his most amusing stories in his happiest way; he gaily drank his host's fine white Burgundy, and praised with thorough knowledge of the subject the succulent French dishes; he tried Lord Harry with talk on politics, talk on sport, and (wonderful to relate in these days) talk on literature. The preoccupied Irishman was equally inaccessible on all three subjects. When the dessert was placed on the table--still bent on making himself agreeable to Lady Harry--Mr. Vimpany led the conversation to the subject of floriculture. In the interests of her ladyship's pretty little garden, he advocated a complete change in the system of cultivation, and justified his revolutionary views by misquoting the published work of a great authority on gardening with such polite obstinacy that Iris (eager to confute him) went away to fetch the book. The moment he had entrapped her into leaving the room, the doctor turned to Lord Harry with a sudden change to the imperative mood in look and manner.
»Nun, was haben Sie getan«, fragte er, »seitdem wir unser Gespräch in dem Luxembourg-Garten beendigt haben? Haben Sie sich Ihren leeren Geldbeutel betrachtet und sind Sie nun vernünftig genug geworden, meinen Vorschlag, wie er wieder gefüllt werden kann, anzunehmen?« "What have you been about," he asked, "since we had that talk in the Gardens to-day? Have you looked at your empty purse, and are you wise enough to take my way of filling it?"
»So lange mir noch die leiseste Hoffnung bleibt«, antwortete Lord Harry, »werde ich zu jedem andern Mittel greifen, meine Kasse zu füllen, nur nicht zu dem Ihrigen.« "As long as there's the ghost of a chance left to me," Lord Harry replied, "I'll take any way of filling my purse but yours."
»Soll das heißen, dass Sie ein solches anderes Mittel gefunden haben?« "Does that mean you have found a way?"
»Tun Sie mir den Gefallen, Vimpany, alle Fragen bis ans Ende der Woche aufzusparen.« "Do me a favour, Vimpany. Defer all questions till the end of the week."
»Und dann soll ich die Antwort bekommen?« "And then I shall have your answer?"
»Ganz gewiss, ich verspreche es! - Still!« "Without fail, I promise it. Hush!"
Iris kam mit dem Buch in das Speisezimmer zurück, und der höfliche Mr. Vimpany gestand in der bereitwilligsten Weise zu, dass er sich geirrt habe. Iris returned to the dining-room with her book; and polite Mr. Vimpany owned in the readiest manner that he had been mistaken.
Die noch übrigen Tage der Woche schlichen langsam dahin. Während dieser Zeit bewahrte Lord Harrys Freund sorgfältig die Haltung eines musterhaften Gastes - er verursachte so wenig Störung wie nur möglich. Jeden Morgen nach dem Frühstück fuhr der Doktor mit der Bahn nach Paris; jeden Morgen mit der gleichen Regelmäßigkeit folgte ihm die entschlossene Fanny Mere. Auf seinen Gängen durch die verschiedensten Stadtteile der französischen Hauptstadt blieb er jedes Mal vor einem öffentlichen Gebäude stehen, zog jedes Mal einen Brief aus der Tasche und wurde infolge dessen jedes Mal gebeten, einzutreten. Die Erkundigungen, welche Fanny mit bewunderungswürdiger Geduld immer wieder einzog, führten jedes Mal zu dem gleichen Ergebnis. Die verschiedenen öffentlichen Gebäude, die Mr. Vimpany betrat, waren alle demselben wohltätigen Zweck gewidmet. Wie das Hotel Dieu waren sie alle Hospitäler. Der Grund aber, weswegen sie der Doktor besuchte, blieb nach wie vor ein tiefes Geheimnis. The remaining days of the week followed each other wearily. During the interval, Lord Harry's friend carefully preserved the character of a model guest--he gave as little trouble as possible. Every morning after breakfast the doctor went away by the train. Every morning (with similar regularity) he was followed by the resolute Fanny Mere. Pursuing his way through widely different quarters of Paris, he invariably stopped at a public building, invariably presented a letter at the door, and was invariably asked to walk in. Inquiries, patiently persisted in by the English maid, led in each case to the same result. The different public buildings were devoted to the same benevolent purpose. Like the Hôtel Dieu, they were all hospitals; and Mr. Vimpany's object in visiting them remained as profound a mystery as ever.
Am letzten Tag der Woche traf morgens in aller Frühe die Antwort von Lord Harrys Bruder ein. Als Iris es erfuhr, eilte sie sofort in das Zimmer ihres Gatten. Sie fand den Brief, schon in Stücke zerrissen, auf dem Boden liegend. Wie der Ton in dem Brief des herzlosen Earls das erstemal gewesen war, so war er auch jetzt wieder. Early on the last morning of the week the answer from Lord Harry's brother arrived. Hearing of it, Iris ran eagerly into her husband's room. The letter was already scattered in fragments on the floor. What the tone of the Earl's inhuman answer had been in the past time, that it was again now.
Iris schlang ihre Arme um den Hals ihres Gatten. Iris put her arms round her husband's neck.
»O mein armer Liebling, was soll nun geschehen?« "Oh, my poor love, what is to be done?"
Er antwortete mit dem einen trostlosen Wort: He answered in one reckless word:
»Nichts!« "Nothing!"
»Gibt es denn niemand, der uns helfen kann?« fragte sie. "Is there nobody else who can help us?" she asked.
»O ja, es ist vielleicht noch eine Person da, die es könnte.« "Ah, well, darling, there's perhaps one other person still left,"
»Wer ist es?« "Who is the person?"
»Wer sollte es anders sein als Du selbst, liebes Herz?« "Who should it be but your own dear self?"
Sie sah ihn mit unverhohlenem Erstaunen an. She looked at him in undisguised bewilderment:
»Sage mir nur, Harry, was ich tun kann.« "Only tell me, Harry, what I can do?"
»Schreibe an Mountjoy und bitte ihn, mir das Geld zu leihen.« "Write to Mountjoy, and ask him to lend me the money."
Er sprach es aus. Mit diesen schamlosen Worten sprach er es aus. Sie, die Mountjoy dem Mann geopfert, den sie geheiratet hatte, sie wurde jetzt von diesem Mann aufgefordert, Mountjoys Liebe zu ihr zur Zahlung der Schulden ihres Gatten zu missbrauchen! Mit einem Schrei der Entrüstung wendete sich Iris von ihm weg. He said it. In those shameless words, he said it. She, who had sacrificed Mountjoy to the man whom she had married, was now asked by that man to use Mountjoy's devotion to her, as a means of paying his debts! Iris drew back from him with a cry of disgust.
»Schlägst Du mir es ab?« fragte er. "You refuse?" he said.
»Willst Du mich beleidigen, indem Du daran zweifelst?« antwortete sie. "Do you insult me by doubting it?" she answered.
Wütend riss er an der Glocke und stürzte aus dem Zimmer. Iris hörte, wie er auf der Treppe fragte, wo Mr. Vimpany sei. Der Diener erwiderte: He rang the bell furiously, and dashed out of the room. She heard him, on the stairs, ask where Mr. Vimpany was. The servant replied:
»In dem Garten, Mylord!« "In the garden, my lord."
Seine Zigarre gemächlich rauchend, sah der Doktor seinen aufgeregten irischen Freund aus dem Hause hervorstürzen. Smoking a cigar luxuriously in the fine morning air, the doctor saw his excitable Irish friend hastening out to meet him.
»Laufen Sie doch nicht so«, rief er ihm in seiner unverschämten guten Laune entgegen, »und verlieren Sie nicht gleich den Kopf. - Nun, wie steht's? Wollen Sie endlich meinen Vorschlag annehmen, um aus Ihren Verlegenheiten herauszukommen? - Ja oder nein?« "Don't hurry," he said, in full possession of his impudent good-humour; "and don't lose your temper. Will you take my way out of your difficulties, or will you not? Which is it--Yes or No?"
»Sie teuflischer Schurke - ja!« "You infernal scoundrel--Yes!"
»Mein bester Lord, ich gratuliere Ihnen.« "My dear lord, I congratulate you."
»Wozu?« "On what, sir?"
»Dass Sie ein ebenso großer Schurke sind wie ich!« "On being as great a scoundrel as I am."


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