Herr Lismore und die Witwe



VII.

Am nächsten Morgen empfing Lismore von Frau Callender einen Brief. Sie schrieb ihm folgendes:

»Es sind einige Umstände, die ich gestern abend hätte erwähnen sollen, bevor Sie mein Haus verließen. Ich hätte Sie daran erinnern sollen – wenn Sie Ihre Entscheidung aufschieben wollen – dass die Lage der Dinge Sie nicht nötigt, sich vollständig an mich zu fesseln. Bei meinem Alter kann ich Ihnen mit völliger Schicklichkeit versichern, dass ich unsere Heirat einfach nur allein als eine Förmlichkeit betrachte, welche wir erfüllen müssen, wenn ich meine Absicht ausführen soll, zwischen Ihnen und dem Verderben zu stehen. Es fällt deshalb, wenn das vermisste Schiff zu rechten Zeit erscheint, der einzige Grund unserer Verheiratung weg. Wir werden dann ebenso gute Freunde sein, wie jemals, ohne das Hindernis eines förmlichen Bandes zwischen uns. Im anderen Falle würde ich Sie bitten, sich gewissen Einschränkungen zu unterwerfen, welche Sie, eingedenk meiner Stellung, verstehen und entschuldigen werden.

Wir werden, ich brauche es nicht zu sagen, wie Mutter und Sohn zusammen leben. Die Hochzeitsfeierlichkeit soll streng geheim gehalten werden und Sie sollen Ihre Angelegenheiten so ordnen, dass wir unmittelbar nachher England verlassen, um nach einem ausländischen Orte zu gehen, den Sie wünschen. Einige meiner Freunde und vielleicht auch einige von Ihren Freunden würden, wenn wir hier blieben, sicherlich unserer Beweggründe in einer Weise missdeuten, die für eine Frau wie mich unerträglich sein würde.

Was unser zukünftiges Leben betrifft, so habe ich das vollständigste Vertrauen in Sie, und ich würde Sie in derselben Unabhängigkeit lassen, die Sie jetzt besitzen. Wenn Sie meine Gesellschaft wünschen, werden Sie immer willkommen sein. Sonst sind Sie Ihr eigener Herr. Ich lebe in meinem Teile des Hauses und Sie leben in dem Ihrigen – und ich darf mir jeden Tag meine Stunden der Einsamkeit vorbehalten, um meine musikalischen Beschäftigungen fortzusetzen, welche mit meinem ganzen vergangenen Leben so glücklich verbunden waren, und welche ich Ihrer Nachsicht zuversichtlich anheimgeben darf.

Ein letztes Wort, Sie zu mahnen, dass Sie auch an sich selbst denken möchten.

Bei meinem Alter könnten Sie nach dem Laufe der Natur nicht für viele Jahre von der Gesellschaft einer dankbaren alten Frau belästigt werden. Sie sind jung genug, um vorwärts nach einer anderen Heirat zu schauen, welche etwas mehr als eine bloße Form sein wird. Selbst wenn Sie der glücklichen Frau bei meinen Lebzeiten begegnen, so sagen Sie mir aufrichtig davon – und ich verspreche Ihnen, ihr zu sagen, dass sie nur zu warten habe. Inzwischen denken Sie nicht, weil ich gelassen schreibe, dass ich herzlos schreibe. Sie gefielen mir und interessierten mich, als ich Sie in der öffentlichen Versammlung zum ersten Mal sah. Ich denke nicht, dass ich etwas vorgeschlagen habe, was Sie ein Sichselbstwegwerfen einem Manne gegenüber, der mich persönlich zurückgewiesen hat, nennen könnten, obgleich ich meine Schuld der Dankbarkeit so aufrichtig wie je fühlte.

Ob Ihr Schiff gerettet wird, oder ob Ihr Schiff verloren geht, die alte Marie Callender ist Ihnen geneigt und bekennt es ohne falsche Scham. Ich bitte heute noch um Antwort, entweder persönlich oder durch einen Brief, was Sie am liebsten wollen.«


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