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Siebenunddreißigstes Kapitel.CHAPTER XXVI - LONDON AND PARIS
Als Hugh Mrs. Vimpany alles das mitgeteilt hatte, was er in Bezug auf die Unterredung mit ihrem Gatten erzählen konnte, verstand und würdigte sie seine Befürchtungen für die Zukunft. Nur darin stimmte sie nicht mit ihm überein, dass er schon unter den gegenwärtigen Umständen seine Reise nach Paris unternehmen wollte.INFORMED of all that Hugh could tell her relating to his interview with her husband, Mrs. Vimpany understood and appreciated his fears for the future. She failed, however, to agree with him that he would do well to take the journey to France, under present circumstances.
»Warten Sie nur noch ein wenig länger hier in London,« sagte sie. »Wenn Iris in den nächsten Tagen nicht an mich schreibt, so hat sie einen Grund für ihr Schweigen, und in dem Falle werde ich, wie ich Ihnen schon gesagt, von Fanny Mere hören. Sobald ich einen Brief aus Paris bekomme, werde ich Sie aufsuchen.«"Wait a little longer in London," she said. "If Iris doesn't write to me in the next few days there will be a reason for her silence; and in that case (as I have already told you) I shall hear from Fanny Mere. You shall see me when I get a letter from Paris."
Am letzten Morgen in jener Woche wurde Mrs. Vimpany bei Hugh Mountjoy gemeldet. Der Brief, den sie brachte, kam von Fanny Mere. Auch in ihrem Schreiben zeigte sich der merkwürdige Charakter des Mädchens so sonderbar wie immer:On the last morning in the week, Mrs. Vimpany was announced. The letter that she brought with her had been written by Fanny Mere. With the pen in her hand, the maid's remarkable character expressed itself as strongly as ever:--
»Madame, ich habe Ihnen versprochen, Ihnen mitzuteilen, was hier vorgeht, wenn ich es für notwendig halten würde. Jetzt scheint es mir notwendig zu sein. Mr. Vimpany kam gestern zu uns. Er bewohnt das leere Schlafzimmer. Meine Herrin sagt nichts und schreibt nichts. Aus diesem Grunde schicke ich Ihnen den Brief.   Ihre ergebene Dienerin F.«"Madam,--I said I would let you know what goes on here, when I thought there was need of it. There seems to be need now. Mr. Vimpany came to us yesterday. He has the spare bedroom. My mistress says nothing, and writes nothing. For that reason, I send you the present writing.--Your humble servant, F."
Mountjoy war ganz bestürzt und wusste nicht, was er über dieses Schreiben denken sollte, so klar es auch war.Mountjoy was perplexed by this letter, plain as it was.
»Es kommt mir sonderbar vor, dass Iris nicht selbst an Sie geschrieben hat. Sie hat doch seither kein Geheimnis aus ihrer Meinung über Mr. Vimpany gemacht.«"It seems strange," he said, "that Iris herself has not written to you. She has never hitherto concealed her opinion of Mr. Vimpany."
»Sie verheimlicht sie aber jetzt,« antwortete Mr. Vimpanys Frau ernst."She is concealing it now," Mr. Vimpany's wife replied gravely.
»Wissen Sie, warum?«"Do you know why?"
»Ich fürchte, ich weiß es. Iris wird vor keinem Opfer zurückschrecken, um Lord Harry gefällig zu sein. Sie wird ihm ihr Geld geben, wenn er es verlangt. Wenn er ihr sagt, sie solle ihre Meinung über meinen Gatten ändern, so wird sie ihm gehorchen. Er wird auch ihr Vertrauen zu mir erschüttern können, sobald es ihm nur gefällt. Und er hat es wahrscheinlich schon getan.«"I am afraid I do. Iris will not hesitate at any sacrifice of herself to please Lord Harry. She will give him her money when he wants it. If he tells her to alter her opinion of my husband, she will obey him. He can shake her confidence in me, whenever he pleases; and he has very likely done it already."
»Dann ist es jetzt doch sicherlich Zeit, zu ihr zu gehen,« sagte Hugh."Surely it is time for me to go to her now?" Hugh said.
»Gewiss, hohe Zeit,« gab Mrs. Vimpany zu, »wenn Sie nur Ihrer selbst sicher sind. Können Sie es im Interesse der armen jungen Frau fertig bringen, kühl und vorsichtig zu sein?«"Full time," Mrs. Vimpany admitted--"if you can feel sure of yourself. In the interests of Iris, can you undertake to be cool and careful?"
»Im Interesse von Iris kann ich alles.«"In the interests of Iris, I can undertake anything."
»Noch ein Wort,« fuhr Mrs. Vimpany fort, »ehe Sie Ihre Reise antreten. Ob nun der Schein gegen oder für ihn ist, seien Sie immer auf der Hut vor meinem Gatten. Lassen Sie mich von sich hören, solange Sie weg sind, nnd vergessen Sie nicht,  dass zwischen Ihnen und Iris ein Hindernis steht, welches selbst Ihre Geduld und Ihre Ergebenheit auf eine harte Probe stellen wird.«"One word more," Mrs. Vimpany continued, "before you take your departure. No matter whether appearances are for him, or against him, be always on your guard with my husband. Let me hear from you while you are away; and don't forget that there is an obstacle between you and Iris, which will put even your patience and devotion to a hard trial."
»Sie meinen Ihren Gatten?«"You mean her husband?"
»Ja.«"I do."
Sie hatten jetzt nichts weiter miteinander zu besprechen. Hugh ging weg, um die Vorbereitungen zu seiner Abreise nach Paris zu treffen.There was no more to be said, Hugh set forth on his journey to Paris.
Am Morgen nach seiner Ankunft in der französischen Hauptstadt hatte Mountjoy zwischen zwei Möglichkeiten zu wählen. Er konnte entweder an Iris schreiben und sie fragen, ob sie ihn empfangen wolle, oder er konnte gleich unerwartet in dem Hause in Passy erscheinen. Nachdenken überzeugte ihn, dass die beste Gelegenheit, ein Hindernis auf listige Weise zu beseitigen, die zweite Möglichkeit bieten würde; er musste Lord Harry und den Doktor überraschen.On the morning after his arrival in the French capital, Mountjoy had two alternatives to consider. He might either write to Iris, and ask when it would be convenient to her to receive him--or he might present himself unexpectedly in the cottage at Passy. Reflection convinced him that his best chance of placing an obstacle in the way of deception would be to adopt the second alternative, and to take Lord Harry and the doctor by surprise.
Er fuhr daher nach Passy. Der lebhafte französische Geschmack hatte das Haus, in dem das junge Ehepaar wohnte, mit glänzenden Farben geschmückt; die schönen weißen Fenstervorhänge waren mit rosafarbigen Bändern zurückgebunden, die Jalousien strahlten in heiteren Farben, die Essen zeigten künstlerische Verzierungen, und der kleine Garten war ein Paradies von Blumen. Als Mountjoy an der Glocke geschellt hatte, wurde die Tür von Fanny Mere geöffnet. Sie blickte ihn mit ernstem Erstaunen an.He went to Passy. The lively French taste had brightened the cottage with colour: the fair white window curtains were tied with rose-coloured ribbons, the blinds were gaily painted, the chimneys were ornamental, the small garden was a paradise of flowers. When Mountjoy rang the bell, the gate was opened by Fanny Mere. She looked at him in grave astonishment.
»Erwartet man Sie?« fragte sie."Do they expect you?" she asked.
»Kein Gedanke daran,« entgegnete Hugh. »Sind sie zu Hause?« »Sie haben soeben das Frühstück beendet, Sir.«"Never mind that," Hugh answered. "Are they at home?" "They have just finished breakfast, sir."
»Erinnern Sie sich noch meines Namens?«"Do you remember my name?"
»Ja, Sir.«"Yes, sir."
»Dann melden Sie mich an.«"Then show me in."
Fanny öffnete die Türe eines Zimmers, welches im Parterre lag, und meldete Mr. Mountjoy.Fanny opened the door of a room on the ground floor, and announced: "Mr. Mountjoy."
Die beiden Herren saßen da und rauchten. Iris begoss einige Blumen am Fenster. Sie verlor sofort alle ihre Farbe, als sie Hugh eintreten sah. Angstvoll und von bangen Zweifeln erfüllt, schienen ihre Augen Lord Harry zu fragen, was er dazu sage. Der befand sich aber in der liebenswürdigsten Laune. Dem Drange des Augenblickes nachgebend, gab er ein mustergültiges Beispiel eines herzlichen Empfanges.The two men were smoking; Iris was watering some flowers in the window. Her colour instantly faded when Hugh entered the room. In doubt and alarm, her eyes questioned Lord Harry. He was in his sweetest state of good-humour. Urged by the genial impulse of the moment, he set the example of a cordial reception.
»Das nenn' ich wirklich eine angenehme Über-raschung!« sagte er, indem er Mountjoy die Hand schüttelte in seiner ungezwungenen, liebenswürdigen Weise. »Es ist sehr freundlich von Ihnen, dass Sie uns aufsuchen!«This is an agreeable surprise, indeed," he said, shaking hands with Mountjoy in his easy amiable way. "It's kind of you to come and see us."
Von ihrer Angst befreit - sie hatte augenscheinlich etwas ganz anderes erwartet - folgte Iris eifrig dem Beispiele ihres Gatten; ihr Gesicht gewann die Farbe wieder, und ihre Lippen umspielte ein reizendes Lächeln. Mr. Vimpany stand in einer Ecke; seine Zigarre war ausgegangen.  Seine eigene Frau würde ihn kaum wiedererkannt haben - er bot in der Tat ein Bild der Verwirrung dar. Lord Harry brach in ein fröhliches Lachen aus und rief:Relieved of anxiety (evidently when she had not expected it), Iris eagerly followed her husband's example: her face recovered its colour, and brightened with its prettiest smile. Mr. Vimpany stood in a corner; his cigar went out: his own wife would hardly have known him again--he actually presented an appearance of embarrassment! Lord Harry burst out laughing:
»Sieh ihn Dir an, Iris! Der Doktor ist zum erstenmal in seinem Leben schüchtern.« Die gute Laune des Irländers war wirklich unwiderstehlich. Die junge Frau stimmte heiter in das Lachen ihres Gatten ein. Als Mr. Vimpany den freundlichen Empfang bemerkte, der Hugh zuteil wurde, sah er die Notwendigkeit ein, sich den Umständen anzupassen. Er kam daher aus seiner Ecke hervor und wandte sich an Hugh mit der Entschuldigung : »Ich bitte Sie, Mr. Mountjoy, mein sonderbares Benehmen von neulich zu entschuldigen, als ich Ihnen in London meinen Besuch machte. Geben Sie mir Ihre Hand!    Nicht wahr. Sie sind mir nicht böse?« Iris ahmte in unnatürlich gesteigertem Übermut die rauhe Sprache des Doktors, mit der er seine Lieblingsentschuldigung wiederholte, so täuschend nach, dass Lord Harry entzückt in die Hände klatschte."Look at him Iris! The doctor is shy for the first time in his life." The Irish good-humour was irresistible. The young wife merrily echoed her husband's laugh. Mr. Vimpany, observing the friendly reception offered to Hugh, felt the necessity of adapting himself to circumstances. He came out of his corner with an apology: "Sorry I misbehaved myself, Mr. Mountjoy, when I called on you in London. Shake hands. No offence--eh?" Iris, in feverish high spirits, mimicked the doctor's coarse tones when he repeated his favourite form of excuse. Lord Harry clapped his hands, delighted with his wife's clever raillery:
»Nun, Mr. Mountjoy,« fragte der Lord, »Sie finden gewiss nicht, dass die Heirat Iris ihrer Heiterkeit beraubt hat. Darf ich die Hoffnung aussprechen, dass Sie an unserem Frühstück teilnehmen? Sie sehen, der Tisch ist schon gedeckt.«"Ha! Mr. Mountjoy, you don't find that her married life has affected her spirits! May I hope that you have come here to breakfast? The table is ready as you see"----
»Und ich habe Unterricht genommen,« fügte Iris hinzu,  »wie man hier in Frankreich Eier kocht; Sie müssen mir schon das Vergnügen machen, zu bleiben, damit ich Ihnen zeigen kann, was ich bereits gelernt habe.«"And I have been taking lessons, Hugh, in French ways of cooking eggs," Iris added; "pray let me show you what I can do." The doctor chimed in facetiously:
»Ich bin Lady Harrys ärztlicher Ratgeber,« fiel der Doktor scherzend ein, »Sie werden ihre französischen Leckerbissen schon halb verdaut finden, ehe Sie nur den Mund öffnen, und das ist mein Verdienst, das Verdienst - Clarence Vimpanys, Mitglied des Kollegiums der Wundärzte.«"I'm Lady Harry's medical referee; you'll find her French delicacies half digested for you, sir, before you can open your mouth: signed, Clarence Vimpany, member of the College of Surgeons."
Hugh gedachte der Warnung Mrs. Vimpanys und verbarg sein Misstrauen gegen diesen übertriebenen Ausdruck gastfreundlicher Heiterkeit; er sagte einige entschuldigende Worte. Lord Harry erwiderte darauf in gleicher Weise. Er bedauerte es sehr, aber er sei gezwungen, einen Ausgang zu machen.Remembering Mrs. Vimpany's caution, Hugh concealed his distrust of this outbreak of hospitable gaiety, and made his excuses. Lord Harry followed, with more excuses, on his part. He deplored it--but he was obliged to go out.
»Haben Sie schon die neue Zeitung gesehen, Mr. Mountjoy,« fragte er, »die Galignanis Messenger aus dem Felde schlagen soll? Sie heißt: ,The Continental Herald'. Vierzigtausend Exemplare der ersten Nummer sind gerade jetzt über ganz Europa verbreitet worden; wir haben unsere Agenten in jeder bedeutenden Stadt, in jedem Teile der Welt.«Had Mr. Mountjoy met with the new paper which was to beat "Galiguani" out of the field? The "Continental Herald "--there was the title. "Forty thousand copies of the first number have just flown all over Europe; we have our agencies in every town of importance, at every point of the compass; and, one of the great proprietors, my dear sir, is the humble individual who now addresses you."
Seine glänzenden Augen funkelten vor knabenhaftem Vergnügen, als er von seiner eigenen Wichtigkeit sprach. Mr. Mountjoy möge so liebenswürdig sein, ihn zu entschuldigen, er habe aber heute vormittag notwendig auf dem Bureau zu tun.His bright eyes sparkled with boyish pleasure, as he made that announcement of his own importance. If Mr. Mountjoy would kindly excuse him, he had an appointment at the office that morning.
»Nehmen Sie Ihren Hut!« rief er dann dem Doktor zu. »Sie müssen nämlich wissen, unser Freund hier trägt in seiner Tasche etwas, was unsern Geldbeutel erleichtern soll. Sie werden mich schon verstehen, ich bin eben im Begriff, ihn in die Liste der Mitarbeiter unserer Zeitung einzuschreiben. Er hat, unter uns gesagt, eine Reihe von Artikeln verfasst, welche einerseits den Schwindel der Ärzte bloßstellen, andererseits in fein satirischer Weise den so sehr überfüllten ärztlichen Beruf in Schutz nehmen und verteidigen. Sie werden sich jetzt gewiss freuen, mit Iris über die Vergangenheit sprechen zu können, ist es nicht so? Mein Engel, zeige unserem guten Freund den Continental Herald und suche ihn zurückzuhalten, bis wir wieder kommen. Vorwärts, Doktor! Auf Wiedersehen, Mr. Mountjoy!«"Get your hat, Vimpany. The fact is our friend here carries a case of consumption in his pocket; consumption of the purse, you understand. I am going to enrol him among the contributors to the newspaper. A series of articles (between ourselves) exposing the humbug of physicians, and asserting with fine satirical emphasis the overstocked state of the medical profession. Ah, well! you'll be glad (won't you?) to talk over old times with Iris. My angel, show our good friend the 'Continental Herald,' and mind you keep him here till we get back. Doctor, look alive! Mr. Mountjoy, au revoir."
Sie schüttelten sich wieder die Hände in herzlicher Weise; dem irischen Lord konnte man wirklich nicht widerstehen, wie bereits Mrs. Vimpany versichert hatte.They shook hands again heartily. As Mrs. Vimpany had confessed, there was no resisting the Irish lord.
Die sonderbaren Erfahrungen, die dieser Morgen für Hugh mit sich brachte, sollten aber noch nicht zu Ende sein.But Hugh's strange experience of that morning was not at an end, yet.


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