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Herr Marmaduke und der Pfarrer

V.

5. September. Eine plötzliche Veränderung in meinem Leben, die ich nur mit Bestürzung aufzuzeichnen vermag.

Ich gehe nach London!

Meine Absicht bei diesem so ernsten Schritt ist zwiefacher Art. Ich habe ein größeres und ein geringeres Ziel vor Augen. Das größere ist, meine Tochter zu sehen und selbst zu urteilen, ob gewisse Zweifel über die Lebensfrage ihres Glückes, welche mich jetzt Tag und Nacht quälen, unglücklicherweise auf Wahrheit beruhen.

Sie und ihr Gatte kehrten im August von ihrer Hochzeitsreise zurück und nahmen ihren Aufenthalt in Marmadukes neuem Wohnsitz in London.

Bis zu dieser Zeit waren Felicias Briefe an mich in voller Wahrheit die Wonne meines Lebens - sie war so vollkommen glücklich, so voll Staunen und Freude über all die wundervollen Dinge, welche sie sah, so voll von Liebe und Bewunderung für den besten Gatten, welcher je gelebt. Seit ihrer Rückkehr nach London bemerkte ich eine vollständige Veränderung. Sie brachte keine bestimmte Frage vor, aber sie schreibt in einem Tone des überdrusses und der Unzufriedenheit; sie sagt fast nichts von Marmaduke, und sie verharrte fortwährend auf der einen Idee, dass ich nach London gehe und sie besuche.

Ich hoffe von ganzem Herzen, dass ich unrecht habe; aber die seltenen Anspielungen auf ihren Gemahl und der beständig wiederholte Wunsch, ihren Vater zu sehen, während sie noch nicht drei Monate verheiratet ist, scheinen mir schlimme Zeichen zu sein. Kurz, meine Besorgnis ist zu groß, als dass ich sie länger ertragen könnte.

Ich habe meine Angelegenheiten so mit einem meiner Amtsbrüder geordnet, dass ich frei bin, um wohlfeil mit einem Dampfer nach London zu reisen, und ich beginne morgen die Reise.

Der geringere Zweck meiner Reise mag in zwei Worten abgetan werden. Da ich mich schon entschieden habe, nach London zu gehen, will ich bei dem reichen Edelmann vorsprechen, welcher all das Land in der Umgegend besitzt, und ihm den jämmerlichen und wirklich gefährlichen Zustand der Pfarrkirche und den Mangel an Mitteln, die notwendige Reparatur vorzunehmen, vorstellen. Wenn ich mich gut aufgenommen finde, werde ich auch ein Wort für das Pfarrhaus einlegen, welches fast in einer ebenso jämmerlichen Beschaffenheit ist wie die Kirche. Mein Grundherr ist ein reicher Mann - möchte sein Herz und seine Börse mir geöffnet sein!

Schwester Judith packte meinen Mantelsack. Nach ihrer Gewohnheit sagt sie das Schlimmste voraus: »Vergiss nie«, bemerkt sie, »dass ich dich vor Marmaduke in der ersten Nacht warnte, als er das Haus betrat.«


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