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Antonina oder der Untergang Roms



Kapitel III.
Die Vergeltung.

Wie im Leben eines Jeden die guten und bösen Leidenschaften, so zu sagen, zu beiden Seiten seines Weges aufgestellt sind, und er ihre Resultate in den Handlungen seiner Mitmenschen betrachten, seine Aufmerksamkeit, während sie noch von dem Schauspiele des Edeln und Tugendhaften angezogen wird, plötzlich durch den entgegengesetzten Anblick des Gemeinen und Verbrecherischen angeregt sieht, so wird auch im Verlaufe dieser Erzählung, welche das Spiegelbild des Lebens sein will, der Leser, der so weit mit uns gegangen ist und jetzt vielleicht geneigt wäre, dem kleinen Zuge andächtiger Christen weiter zu folgen, neben dem bekümmerten Vater hinzuwandern und mit ihm die Hand seines unglücklichen Kindes zu halten, doch den Bedingungen der Geschichte gemäß aufgefordert, aus einige Zeit zu der Betrachtung ihrer dunkleren Stellen der Sünde und des Schreckens zurückzukehren —— er muß wieder den Tempel betreten, aber er wird es zum letzten Male thun.

Die Scene vor dem Altare der Götter schritt schnell ihrem unheilschwangern Gipfelpunkte zu.

Die Raserei des Heiden hatte sich durch ihre eigne Wuth erschöpft, sein Wahnsinn nahm eine ruhigere und gefährlicher Gestalt an, sein Auge wurde schlau und argwöhnisch, in allen seinen Handlungen gab sich eine versteckte Ueberlegtheit und Wachsamkeit kund. Er nahm jetzt langsam seinen Fuß von Goiswinthens Brust und erhob zu gleicher Zeit seine Hände, um sie zurückzuschmettern, wenn sie einen Versuch zum Entfliehen machen sollte. Da er sah, daß sie noch von ihrem Falle bewußtlos dalag, verließ er sie, begab sich nach einer von den Ecken des Tempels, nahm aus ihr einen dort liegenden Strick, kehrte zurück und band ihr die Arme auf den Rücken. Der Strick schnitt tief durch die Haut des Handgelenkes, der Schmerz gab ihr das Bewußtsein wieder, sie litt in ihrem eignen Körper die Pein an derselben Stelle wo sie sie dem jungen Häuptling im Bauernhause jenseits der Vorstadt zugefügt hatte.

In der folgenden Minute fühlte sie, wie sie auf den Boden hin tiefer in das Innere des Gebäudes geschleift wurde. Der Wahnsinnige zog sie zu dem äußern Thore der Scheidewand, befestigte das Ende des Strickes an dasselbe und ließ sie hier allein. Dieser Theil des Tempels war in völlige Finsterniß eingehüllt, ihr Angreifer richtete kein Wort an sie, sie konnte nicht einmal die Umrisse seiner Gestalt erkennen, aber sie hörte ihn immer noch in heiseren, einförmigen Tönen, die bald nahe, bald wieder fern erklangen, vor sich hin lachen.

Sie gab sich verloren —— sie glaubte vorzeitig den Qualen und dem Tode geweiht zu sein, die sie erwartet hatte, bis jetzt aber verminderte sich ihre männliche Entschlossenheit und Energie noch nicht. Gerade die scharfe Pein, welche ihr die Banden an ihren Handgelenken verursachten, erregte eine heftige Körperanstrengung, um ihr Widerstand zu leisten und stählte dadurch ihre eisernen Nerven. Sie schrie weder um Hilfe, noch bat sie den Heiden um Mitleid. Der finstere Fatalismus, welchen sie von ihren wilden Voreltern ererbt hatte, hielt sie in einem selbstmörderischen Stolze aufrecht. Bald wurde das Gelächter, welches Ulpius hören ließ, während er sich langsam im Dunkeln des Tempels hin und her bewegte, von dem Klange ihrer tiefen, ächzenden, aber doch festen Stimme übertönt, als sie ihre letzten Worte sprach, —— Worte, gleich den wilden, stolzen Todesliedern der alten Gothen, wenn sie verlassen auf dem blutigen Schlachtfelde starben oder gebunden, der Viper und Natter zur Beute, in tiefe Kerker geworfen wurden. So sprach sie:

»Ich habe geschworen, mich zu rächen! Als ich fortging von Aquileja mit dem Kinde, das todt und mit dem, das verwundet war, als ich die hohe Mauer bei nächtlicher Zeit erkletterte und das Brausen der Wellen am Strande hörte, wo ich die Todten begrub, als ich in Finsterniß über die nackte Haide und durch den einsamen Wald wanderte, als ich die pfadlosen Seiten des Berges erkletterte und meine Zuflucht in der Höhle am Ufer des dunkeln Sees lag.

»Ich habe geschworen, mich zu rächen! Als die Krieger sich mir auf ihrem Marsche näherten und das Schmettern der Trompeten und das Klirren der Rüstungen in meine Ohren erschallte, als ich meinen Bruder Hermanrich, einen mächtigen Häuptling an der Seite des Königs in dem erobernden Heere begrüßte, als ich mein letztes Kind wie die übrigen todt sah, und wußte, daß es fern von dem Lande seines Volkes und den andern, die die Römer vor ihm erschlagen hatten, begraben werden würde.

»Ich habe geschworen, mich zu rächen! Als das Heer vor Rom lag, und ich mit Hermanrich am nebeligen Abend dastand, und auf die hohen Mauern der Stadt schaute, als die Tochter des Römers eine Gefangene in unserm Zelte war und ich sie betrachtete, wie sie auf meinen Knieen lag, als um ihretwillen mein Bruder ein Verräther wurde und meine Hand vom Streiche zurückhielt, als ich ungesehen in das einsame Bauernhaus ging, um mit meinem Messer sein Urtheil zu erfüllen, als ich ihn zu meinen Füßen den Tod eines Abtrünnigen sterben sah, und wußte, daß es eine Römerin war, die ihn von seinem Volke fortgelockt und gegen die Gerechtigkeit der Rache verblendet hatte.

»Ich habe geschworen mich zu rächen, als ich um das Grab des Häuptlings ging, der der Letzte meines Stammes war, als ich allein von dem Heere meines Volkes in der Stadt der Mörder meiner Kinder stand, als ich den Schritten der Tochter des Römers, die mir zweimal entronnen war, nachspürte, wie sie durch die Straße floh, als ich geduldig unter den Säulen des Tempels wachte und wartete, bis die Sonne untergegangen und das Opfer unbeschirmt und der Augenblick des Todesstreiches gekommen war.

»Ich habe geschworen, mich zu rächen! und mein Eid ist erfüllt —— das noch blutige Messer trieft von ihrem Blute —— die Hauptrache ist geübt! —— Die Uebrigen, die erschlagen werden sollten, bleiben für Andere und nicht für mich! Denn nun gehe ich zu meinem Gatten und meinen Kindern, jetzt naht die Stunde, wo ich in der Donnerwelt der Schatten mit ihren Geistern wohnen und in dem Thale der ewigen Ruhe bei ihnen meine Stätte aufschlagen werde. Die Nornen haben es gewollt —— es ist genug!«

Ihre Stimme bebte und wurde schwach, als sie die letzten Worte sprach —— der Schmerz, der in ihre Handgelenke einschneidenden Stricke überwältigte endlich ihre Besinnung und besiegte trotz allen Widerstandes ihre hartnäckige Standhaftigkeit.

Eine Zeitlang sprach sie noch in Zwischenräumen,, aber ihre Reden waren abgebrochen und unzusammenhängend. In dem einen Augenblicke rühmte sie sich noch, ihrer Rache, in einem andern jubelte sie in der eingebildeten Betrachtung des noch vor ihr liegenden Körpers des Mädchens und ihre Hände zuckten in ihren Banden und strengten sich an, sich wieder des Messers zu bemächtigen und von Neuem zuzustoßen. Bald aber hörten ihre Lippen gänzlich auf, noch weiter einen Ton von sich zu geben, außer den lauten starken Athemzügen, welche bewiesen, daß sie noch Bewußtsein und Leben besaß.

Unterdessen war der Wahnsinnige in das innere Gemach des Tempels getreten, und hatte den Laden über die Oeffnung in der Mauer gezogen, durch welche beim Eintreten Numerians und Antoninen’s das Licht gefallen war. Selbst der schwarze Schlund, welcher die Mündung der Drachenhöhle bildete, war jetzt mit allen übrigen Gegenständen in der dichten Finsterniß verschwunden. Keine Dunkelheit, wie groß sie auch sein mochte, war aber im Stande, die Sinne des Heiden im Tempel zu verwirren, von dem er in seinen ruhelosen Wanderungen bei Nacht wie bei Tage jeden Winkel besuchte. Wie durch einen geheimnißvollen Gesichtssinn geführt, verfolgte er, ohne sich zu irren, seinen Weg bis zum Eingange der Höhle, kniete dort nieder, legte seine Hände auf die erste von den Stufen, über welche man hinabstieg, lauschte athemlos und aufmerksam auf die aus dem Abgrund aufsteigenden Töne —— lauschte unbeweglich wie eine der Erde nicht angehörende Gestalt —— gleich einem Zauberer, der auf eine Stimme von den Orakeln der Hölle wartet —— gleich seinem Geiste der Nacht, der hinabblickt in die Eingeweide der Erde und die Geheimnisse der unterirdischen Schöpfung, die Riesenpulse der Bewegung und Wärme bewacht, die die belebenden Triebfedern der Welt sind.

Der Wind pfiff stoßweise wild und klagend herauf der Fluß sprudelte gegen das eiserne Gitter unter ihm an, die lockern Schuppen des Drachen klirrten, als sie die Nachtluft erreicht und diese Klänge glichen für ihn noch der Sprache seiner Götter, die ihn mit furchtbarem Entzücken erfüllte und ihn in der entsetzlichen Entwürdigung seines Wesens gleichsam eine neue Seele einflößten. Er lauschte und lauschte noch immer. Bruchstücke von wilden Phantasien, das vergebliche Sehnen des enterbten Geistes, sein göttliches Geburtsrecht unbeschränkten Denkens wieder zu erlangen, durchzuckten ihn jetzt und hielten ihn still und sprachlos an der Stelle, wo er kniete, fest.

Endlich hörte er aber durch die düstere Stille des Gemaches, wie sich die Stimme Goiswinthen’s von Neuem erhob und in heisem wilden Tönen laut nach Licht und Hilfe rief. Die Qual des Schmerzes und der Ungewißheit, das furchtbare Gefühl der Finsterniß und Stille, des einsamen Gefesseltseins und langsamer Pein hatte endlich das bewirkt, was keine offene Gefahr, keine gewöhnliche Drohung des gewaltsamen Todes hätte hervorbringen können, sie wich der Furcht und Verzweiflung —— sie sank unter einer lähmenden, abergläubischen Furcht zu Boden. Das Elend, welches sie Andern zugefügt, schnellte vergeltend auf sie selbst zurück, als sie im Bewußtsein der ersten Empfindung hilflosen Schreckens, die sie je gefühlt hatte, zusammenschauderte.

Ulpius erhob sich augenblicklich von der Höhle und schritt durch die Finsterniß gerade auf die Thür der Scheidewand zu, aber er ging an seiner Gefangenen vorüber, ohne einen Augenblick bei ihr zu verweilen, begab sich nach dem äußern Tempelgemache und begann auf dem Boden nach dem Messer umherzutappen, welches das Weib fallen gelassen hatte, als er es band. Er lachte abermals vor sich hin, denn der Geist des Bösen flüsterte ihm einen neuen Plan ein, verlockte ihn zu einer mitleidlosen Verfeinerung der Grausamkeit und des Truges.

Er fand das Messer, kehrte damit zu Goiswinthen zurück und zerschnitt den Strick, der ihre Handgelenke fesselte. Dann, als sie im Gefühl der ersten Linderung ihrer Schmerzen schwieg, flüsterte er ihr leise in’s Ohr:

»Folge mir und entrinne!«

Von der Dunkelheit und dem Geheimnisse, wovon sie umgeben war, verwirrt und entmuthigt, strengte sie vergebens ihre Augen an, um die Finsterniß zu durchdringen, als sie Ulpius hinter sich in das zweite Gemach zog. Er stellte sie an die Mündung der Höhle und hier bemühte sie sich zu sprechen, aber nur leise unartikulirte Laute kamen aus ihren kraftlosen Sprachwerkzeugen. Noch immer war kein Licht vorhanden, noch immer dauerte und wuchs die brennende nagende Pein an ihren Handgelenken, die sich nur auf einen Augenblick gelindert hatte, als der Strick durchschnitten worden war und noch immer fühlte sie die Gegenwart des unsichtbaren Wesens an ihrer Seite, das keine Finsterniß blind machen konnte und welches nach Willkür band und löste.

Von Natur heftig und entschlossen, verzweifelt und unversöhnlich, war sie ein furchtbares Zeugniß der erniedrigenden Macht des Verbrechens, als sie jetzt dastand, geschwächt durch die Last ihrer eigenen rächerischen Schuld, die sich erhoben hatte, um sie in der Stunde ihres Stolzes zu zermalmen —— durch die Einwirkung der Finsterniß, deren Gefahren Unschuldige und Schwache schon oft Trotz geboten haben —— durch die Ungewißheit, deren Pein sie widerstanden —— durch den Schmerz, den sie geduldig ertragen haben.

»Geh hinab, die steilen Stufen tief hinab und entfliehe!« flüsterte der Wahnsinnige in leisen berückenden Tönen. »Die Finsterniß oben führt zum Lichte unten. Geh hinab, weit hinab!«

Er ließ sie bei diesen Worten los. Sie zauderte zitterte und bebte zurück. Von Neuem aber wurde sie vorwärts gedrängt und von Neuem hörte sie das Flüstern:

»Die Finsterniß oben führt unten zum Lichte! Geh hinab! geh weit hinab!«

Die Verzweiflung gab ihr die Festigkeit zu gehen und die Furcht die Hoffnung, zu entrinnen. Ihre wunden Arme zitterten, als sie dieselben jetzt ausstreckte und zu beiden Seiten nach den Wänden der Höhlung tastete —— die Schrecken des Todes in tiefer Finsterniß von unsichtharen Händen und das letzte sehnsüchtige Verlangen, das Licht des Himmels von Neuem zu erblicken, waren am stärksten in ihr, als sie langsam und vorsichtig die verderbliche Treppe hinabzusteigen begann.

Jetzt sank der Heide wieder in seine frühere Stellung am Munde der Höhlung und lauschte athemlos. Es schienen zwischen jedem Schritte Minuten zu vergehen, als sie tiefer und tiefer hinabkam. Plötzlich hörte er sie wie von panischem Schrecken über die Finsterniß ergriffen, stöhnend ausrufen:

»Licht! Licht! O, ist das Licht!«

Er stand auf und streckte seine Hände aus, um sie zurückzuschleudern, wenn sie einen Versuch zur Rückkehr machen sollte, aber sie stieg von Neuem abwärts. Zweimal hörte er ihren Fuß schwer auf den Stufen auffallen —— dann trat ein Zwischenraum tiefer Stille ein —— dann hallte ein scharfes, knirschendes metallisches Klirren schneidend durch die Höhlung, worauf aus ferner Tiefe das Geräusch eines dumpfen schweren Falles schwach hörbar wurde —— und dann hörte man wieder die alten bekannten Klänge des Ortes, die weiter keine Unterbrechung erfuhren. Der Drache hatte sein Opfer erhalten!«

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Der Wahnsinnige stand auf der Vortreppe des heiligen Gebäudes und blickte auf die Straße hinaus, die vor ihm im hellen italienischen Mondenschein schimmerte. In seinem Geiste war keine Erinnerung an Numerian und Antonina und die frühem Ereignisse im Tempel vorhanden. Er sann unvollkommen und mit einem vagen Stolze und Triumph über das Opfer nach, welches er im Heiligthume des ehernen Drachen gebracht hatte. In diesem geheimen Jubel blieb er unthätig und in seine unsteten Gedanken versenkt und zögerte, in die unterirdischen Gänge zu treten, welche zu dem eisernen Gitter führten, wo Goiswinthens Leiche von den Wellen bespült dalag und nur seine Hand erwartete, um in den Fluß geworfen zu werden, welcher alle frühem Opfer verschlungen hatte.

Seine hohe einsame Gestalt wurde von dem Mondschein erleuchtet, welcher durch die Säulen der Vorhalle einfiel, seine weiten Gewänder bewegten sich langsam um ihn im Winde, als er fest und aufrecht vor der Thür des Tempels stand. Er glich eher dem gespenstischen Genius des geschiedenen Heidenthums, als einem lebenden Menschen. So leblos er aber auch erschien, war sein scharfes Auge doch immer noch auf der Wacht, wurde immer noch von dem rastlosen Argwohne des Wahnsinns geleitet. Eine Minute nach der andern verging ruhig und bis jetzt zeigte sich seinen schnellen Blicken noch nichts, als der verödete Weg und die hohen düsteren Häuser, die ihn auf beiden Seiten begrenzten. Bald sollte er jedoch durch von diesen weit verschiedene Gegenstände angezogen werden, durch Gegenstände, die die Stille der ruhigen Straße mit dem Tumult der Thätigkeit und des Lebens aufschreckten.

Er blickte immer noch aufmerksam auf die begrenzte Aussicht, wobei er sich unbestimmt Goiswinthens todtbringendes Hinabsteigen in die Höhlung vorstellte und triumphierend an ihren todten Körper dachte, der jetzt auf dem Gitter darunter lag, als rother Fackelschein der die Reinheit des mondhellen Pflasters, auf welchen er geworfen wurde, zu beflecken schien, seinem Auge sichtbar wurde.

Das Licht zeigte sich an demjenigen Ende der Straße, welches nach den bevölkerteren Theilen der Stadt führte und ließ bald eine Schaar von vierzig bis fünfzig Menschen unterscheiden, welche sich dem Tempel näherten. Der Heide blickte sie aufmerksam an, wie sie immer näher und näher kamen. Die Versammlung bestand aus Priestern, Soldaten und Bürgern. Die Priester trugen Fackeln, die Soldaten waren mit Hämmern, Brecheisen und anderen ähnlichen Werkzeugen versehen oder beugten sich unter der Last großer, mit Eisen beschlagener Kisten, dicht hinter denen das Volk ging, als ob es sie mit eifersüchtiger Sorge bewachte. Vor diesem seltsamen Zuge schritten zwei Männer —— ein Priester und ein Soldat —— in ziemlicher Entfernung her. Auf ihren blassen, vom Hunger ahgezehrten Gesichtern zeigte sich ein Ausdruck der Ungeduld und des Triumphs, als sie sich mit schnellen Schritten dem Tempel nahten.

Ulpius bewegte sich nicht von der Stelle, heftete aber, als sie näher kamen, seine durchdringenden Augen auf sie. Nicht umsonst stand er jetzt wachsam und drohend vor dem Eingange seines dunkeln Heiligthums. Er hatte die ersten Entwürdigungen gesehen, womit das gefallene Heidenthum überhäuft worden war, und jetzt sollte er die letzten erblicken, alle seine Körper- und Geisteskräfte, sein Knabenglück, seinen Jugendenthusiasmus, seinen Mannesmuth und im Greisenalter seine Vernunft auf dem Altare seiner Götter geopfert und jetzt sollten sie von ihm, so einsam verbrecherisch, wahnsinnig er schon für ihre Sache geworden war, noch mehr als alles dies verlangen! Der Senat hatte den Spruch erlassen, welcher die Schätze in den Tempeln Roms der gesetzlichen Plünderung weihte.

Die Regierung der Stadt, die ein durch frühere Erpressungen verarmtes Volk beherrschte und nur einen erschöpften Schatz vermutete, hatte umsonst unter allen gewöhnlichen Hilfsquellen nach den Mitteln gesucht, um das von Alarich als Preis des Friedens geforderte schwere Lösegeld zu bezahlen. Die einzige Möglichkeit, der Forderung zu entsprechen; welche noch vorhanden war, bestand darin, die heidnischen Tempel der Masse von Juwelen besetzten Zierrathen und Utensilien, der köstlichen Gewänder, der goldenen und silbernen Götterbilder zu entkleiden, welche sie, wie man wußte, noch enthielten, und die unter dem geheimnißvollen erblichen Einflusse des Aberglaubens, dessen Macht zu zerstören, die längste Arbeit der Wahrheit ist, unberührt und von dem Volke, wie von dem Senat geachtet geblieben waren, selbst nachdem die Religion, welche sie vertraten, vom Gesetz geächtet und von der Nation aufgegeben war.

Dieses letzte Auskunftsmittel, um Rom von der Blockade zu befreien, war fast eben so schnell angenommen worden, als man daran gedacht hatte. Die Ungeduld, womit das verhungernde Volk die augenblickliche Einsammlung des Lösegelds verlangte, gestattete nur wenig Zeit zur Ueberlegung, die Soldaten wurden mit den nöthigen Werkzeugen für die ihnen übertragene Aufgabe versehen, einige auserwählte Mitglieder des Senats, um zu sehen, daß sie die öffentliche Beute ehrlich einsammelten und die Priester der christlichen Kirchen erboten sich, den Zug durch ihre Gegenwart zu heiligen, und erleuchteten mit ihren Fackeln jedes geheime Gemach der Tempel, in welchem Schätze enthalten sein konnten. Noch am Ende des Tages, augenblicklich nachdem sie gestattet worden war, begann man hastig diese seltsame Forschung nach dem Lösegelde. Schon war viel gesammelt worden. Man hatte werthvolle Votivgaben von den Altären gerissen, wo sie so lange ungestört gehangen hatten, verborgene Schatzkisten mit heiligen Geräthen waren entdeckt und aufgebrochen, Götterbilder ihrer kostbaren Zierrathen entkleidet und von ihren massiven Piedestalen gerissen worden, und jetzt war der Zug der Geldsucher an den Ufern des Tiber hin in die Nähe des kleinen Serapistempels gekommen und eilte vorwärts, um ihn ebenfalls jedes werthvollen Gegenstandes, welchen er enthielt, zu berauben.

Der Priester und der Soldat forderten ihre Genossen hinter ihnen auf, herbeizueilen, als sie jetzt den Tempelstufen gegenüber angelangt waren, und in diesem Augenblicke sahen sie im bleichen Mondlichte über sich, die gespenstische einsame Gestalt des Ulpius —— die Erscheinung eines Heiden in den prächtigen Gewändern seines Priesterstandes —— von den Gräbern zurückgerufen, um vor dem Altare seiner Götter den Händen der Räuber Einhalt zu thun, stehen.

Der Soldat ließ seine Waffe fallen und weigerte sich, an allen Gliedern zitternd, weiter zu gehen. Der Priester, ein hoher, strenger, abgezehrter Mann, ging jedoch waffenlos und Unerschrocken voran. Er bezeichnete sich feierlich mit dem Kreuze, als er langsam die Stufen hinaufstieg, heftete seine Augen fest auf den Wahnsinnigen, der ihn ebenfalls anstarrte und rief mit rauher unbewegter Stimme:

»Mensch oder Dämon! im Namen Christi, den Du leugnest, weiche zurück!«

Auf einen Moment wendete der Heide, als ihm der Priester näher kam, die Augen ab und blickte auf die schnell heraneilenden Bürger und bewaffneten Soldaten. Seine Finger schlossen sich um den Griff von Goisminthens Messer, welches er bis jetzt locker in der Hand gehalten hatte, indem er in leisen gepreßten Tönen ausrief:

»Aha, die Belagerung! Die Belagerung des Serapis!« Der Priester, der jetzt mit ihm auf der gleichen Stufe stand, streckte seinen Arm aus, um, ihn zurückzustoßen und erhielt in demselben Augenblicke den Stoß des Messers. Er schwankte, erhob seine Hand nochmals, um seine Stirn mit dem Kreuze zu bezeichnen, und rollte todt auf das Straßenpflaster hinab.

Der Soldat, der in abergläubischem Schrecken bewegungslos einige Fuß weit von der Leiche entfernt dastand, rief seine Gefährten zur Hilfe herbei. Ulpius schleuderte herausfordernd seine blutige Waffe unter sie, als sie vereint an den Fuß der Tempeltreppe heranliefen, trat in das Gebäude und verschloß das Thor mit Riegeln und Ketten.

Jetzt hörte das um die Leiche des Priesters stehende Volk den Wahnsinnigen in seiner Raserei rufen, als habe er eine große Versammlung von Anhängern um sich, das geschmolzene Blei und den glühenden Sand hinabzuschütten, jede an die Mauer gelehnte Sturmleiter zurückzuschleudern, jeden Gefangenen zu ermorden, der beim Ersteigen der Mauern ergriffen werde —— und als sie von der Straße aus zu dem Gebäude hinaufblickten, sahen sie in Zwischenräumen durch die Balken der geschlossenen Thür die Gestalt des Heiden schnell und schattenhaft vorübereilen. Seine Arme waren ausgestreckt und sein langes, graues Haar und seine weißen Gewänder flatterten hinter ihm, als er den Tempel durchkreuzte und sein wildes heidnisches Kriegsgeschrei wiederholte. Das geschwächte abergläubische Volk erzitterte —— ein auf einem Wirbelwind reitendes Gespenst würde für ihre Augen nicht entsetzlicher gewesen sein.

Aber die Priester unter der Menge waren durch den Mord eines von ihren Brüdern zum Zorne aufgestachelt worden und belebten den Muth der sie Umgebenden von Neuem. Selbst das Geschrei des Ulpius wurde jetzt vom Tone ihrer auf’s höchste erhobenen Stimmen übertäubt, die Allen, welche ihnen die Treppe hinauffolgen und in den Tempel eindringen würden, himmlische und irdische Belohnungen —— die Seligkeit, Geld, Absolution, Standeserhöhung —— versprachen.

Durch die Worte der Priester angereizt und allmählig durch ihre Menge von Selbstvertrauen erfüllt, ergriffen, die Kühnsten munter dem Volke einen am Flusse liegenden Balken und stürmten, indem sie sich desselben wie eines Sturmbockes bedienten, auf das Thor ein. Sie waren aber vom Hunger geschwächt, die Nothwendigkeit, die Tempelstufen zum Angriff hinaufzusteigen, gestattete ihnen nicht, einen Anlauf zu nehmen; das Eisen erzitterte, als sie daran schlugen, aber die Angeln blieben eben so fest, wie die Schlösser. Sie schickten sich eben an, den Versuch zu wiederholen, als eine furchtbare Erschütterung —— ein Krachen, als ob das ganze schwere Dach des Gebäudes eingefallen wäre, sie entsetzt auf die Straße zurücktrieb.

Durch den Anblick der Bewaffneten, der Priester und der sie begleitenden Volksmenge, die gegen sein Heiligthum anrückten, wieder zu den Tagen zurückgerufen, wo er den großen Tempel des Serapis zu Alexandrien gegen Feinde von ähnlichem Aeußerem jedoch weit überlegener Zahl vertheidigt hatte, und in der Neubelebung dieser blutigsten Visionen seines Wahnsinns überzeugt, daß er immer noch von seinen Anhängern in seiner früheren geweihten Feste unterstützt, den christlichen Fanatikern Widerstand leiste, bewies der Heide, als er sich jetzt durch die ihn umgebende Dunkelheit bewegte, nichts von seiner gewohnten List und Vorsicht. Er eilte hin und her, munterte seine eingebildeten Anhänger auf, und gab sich seinen Träumen von Schlacht und Sieg hin, wobei er alles, was der Tempel enthielt, gänzlich vergaß. Auf seinem wilden Laufe um den Altar der Idole blieb sein Gewand hängen und wurde von den hervorragenden Gegenständen an einer Ecke desselben zerrissen. Die ganze Masse schwankte, fiel aber noch nicht. Einige von den kleineren Götterbildern, die zu oberst lagen, fielen jedoch auf den Boden und mit ihnen stürzte eine Statue des Serapis, welche sie bisher theilweise getragen hatten, —— eine schwere monströse Gestalt, die in Menschengröße aus Holz geschnitzt und mit Gold, Silber und Edelsteinen besetzt war, zu den Füßen des Heiden nieder. Dies war aber Alles —— das äußere Material des unsicheren Gebäudes war nur an einem Punkte abgelöst worden —— der Haufen selbst war noch an seinem Orte geblieben.

Der Wahnsinnige nahm das Serapisbild auf seine Arme und eilte blind mit demselben nach der Thür der Scheidewand, welche in den zweiten Raum führte. In diesem Augenblicke hallte der Stoß des ersten Angriffs an dem Thor im Gebäude wieder. Sobald er es vernahm, schrie er:

»Zum Ausfall! zum Ausfall! Diener des Tempels, die Götter und der Hohepriester führen Euch an!« stürzte, das Idol immer noch vor sich haltend, direkt auf den Eingang zu und stieß heftig an den hinteren Theil, der Anhäufung.

Die aus ihrem Gleichgewicht gebrachte schwere Masse von Bildern und Geräthen aus vielen Tempeln erhielt das Uebergewicht, schwankte, theilte sich und stürzte gegen das Thor und die Wände zu beiden Seiten desselben an. Ulpius wurde durch den unteren Theil des Hauses, welcher, als der obere umstürzte, gegen die Scheidewand zurückgetrieben worden war, gelähmt und blutend zu Boden geschlagen, seine Wuth aber durch den krachenden Ruin um ihn her nur noch größer. Er rang sich wieder zu einer aufrechten Stellung auf, erstieg den Gipfel der gefallenen Masse, die sich jetzt mit den Seiten über den Boden des Gebäudes ausbreitete, aber an dem einen Ende durch die Scheidewand und an dem andern durch die gegenüberliegende Mauer und das Thor eingeengt wurde und rief, die Serapisbildsäule immer noch in seinen Armen haltend, laut die Diener des Tempels auf, mit ihm die höchsten Zinnen zu ersteigen und das geschmolzene Blei auf die Belagerer herabzuschütten.

Die Priester waren wieder die Ersten, welche sich, nachdem man die Erschütterung in dem Gebäude gehört hatte, demselben näherten. Der Kampf um den Besitz des Tempels hatte für sie den Charakter eines heiligen Kriegs gegen Heidenthum und Magie, eines geweihten Kampfes, angenommen, den die Kirche, um ihres Dieners willen, der beim Beginn des Kampfes als Märtyrer gefallen war, bestehen müsse. Starke in ihrer fanatischen Kühnheit, rückten sie einmüthig bis dicht an das Thor heran. Einige von den kleineren Götzen der umgestürzten Masse waren durch die Gitterbalken gedrängt worden, hinter denen man die großen Idole, die zerbrochenen Massen von Geräthen, die langen Gewänder und köstlichen Stoffe erblickte, die alle in dem wildesten Durcheinander gleich, einem von einem Erdbeben aufgehäuften Chaos dalagen.

Ueber ihnen und weiter nach Innen sah man durch die oberen Zwischenräume des Thores undeutlich den unteren Theil von dem Gewande des Heiden, der, mit seinem Idol in den Armen, gebietend auf dem Gipfel seines umgestürzten Altars dastand.

Die Priester fühlten sich ihres Triumphes augenblicklich gewiß, als sie den Grund der Erschütterung erkannten, welche in dem Tempel gehört worden war. Einer von ihrer Zahl bemächtigte sich einer kleinen, durch die Zwischenräume hinaus auf das Pflaster gefallenen Statue, hielt sie, dem unter ihm stehenden Volke vor und rief triumphierend:

»Kinder der Kirche, das Räthsel ist gelöst! Werthvollere Götzenbilder als dieses liegen zu Hunderten in dem Tempel. Es ist kein Dämon, sondern ein Mensch, ein einziger Mensch, der uns noch im Innern Trotz bietet, ein Räuber, der die Römer um das Lösegeld ihres Lebens berauben will! —— Die Beute aus vielen Tempeln liegt um ihn, erinnert Euch, daß je näher wir diesem Orte kamen, die Ueberreste des Götzendienstes, die wir sammelten, immer seltener wurden, daß Schätze, die Euch gehören, Schätze, die Euch von der Hungersnoth befreien sollen, von dem Mörder unseres frommen Bruders geraubt worden sind und dort zu seinen Füßen zerstreut liegen. —— An das Thor! Wieder an das Thor! Diejenigen, welche das Thor einbrechen, erhalten Absolution für alle ihre Sünden.«

Abermals wurde der schwere Balken aufgehoben, abermals wurde das Thor bestürmt und abermals stand es fest —— es war jetzt von dem gefallenen Haufen verstärkt, verbarrikadirt worden. Es schien hoffnungslos zu sein, den Versuch zu machen, sie ohne eine Verstärkung von Menschen, ohne gegen sie die schwersten Wurfgeschosse, die stärksten Maschinen des Kriegs anzuwenden, niederzubrechen.«

Das Volk ließe ein Wuthgeschrei erschallen, als es jetzt aus dem Tempel das hohle Lachen des über dessen Niederlage triumphierenden Wahnsinnigen vernahm. Die Worte des Priesters hatten zugleich ihre abergläubischen Befürchtungen beschwichtigt und die tödlichen Leidenschaften erweckt, welche der Aberglaube erzeugt. Einige aus der Menge eilten nach dem nächsten Wachthause, um Beistand herbeizuholen, aber der größte Theil drängte sich dicht um den Tempel und überschüttete theils den Räuber der öffentlichen Beute mit ohnmächtigen Verwünschungen, theils schloß er sich den Priestern an, um ihn zur Ergebung aufzufordern. Aber der Lärm dauerte nicht lange, er wurde plötzlich durch die Stimme eines Mannes unter der Menge gestillt, welcher die Uebrigen laut aufforderte, den Tempel anzuzünden.

Die Worte waren kaum gesprochen, als sie auch triumphierend auf allen Seiten wiederholt wurden.

»Zündet den Tempel an!« schrie das Volk wüthend, »verbrennt ihn über dem Kopfe des Räubers —— macht einen Schmelzofen, um das Gold und Silber für unsern Bedarf zusammen zu schmelzen! —— Zündet den Tempel an! Zündet den Tempel an!«

Die Eifrigsten unter der Menge, welche sich jetzt durch aus allen Theilen der Stadt herbeigekommene Leute bedeutend verstärkt hatte, traten in die Häuser hinter ihnen und kehrten in wenigen Minuten mit allen brennbaren Stoffen, die sie zusammenzubringen vermochten, zurück.

In der kürzesten Zeit war ein zwei bis drei Fuß hoher Scheiterhaufen an dem Thore aufgerichtet und Soldaten und Volk drängten sich mit Fackeln herbei, um ihn anzuzünden. Der Priester, welcher vorher gesprochen hatte, winkte ihnen jedoch zurück.

»Wartet!« rief er, »das Schicksal seines Körpers hängt vom Volke ab, das Schicksal seiner Seele aber von der Kirche!«

Hierauf wendete er sich zu dem Tempel und rief feierlich und streng dem Wahnsinnigen zu:

»Deine Stunde ist gekommen! Bereue, beichte und rette Deine Seele!«

»Schlagt zu! schlagt zu!« antwortete die tobende Stimme von innen; »schlagt zu, bis kein Christ mehr lebt. Sieg, Serapis! Sieg! —— Seht sie stürzen von unsern Mauern! Sie krümmen sich blutend auf der Erde unter uns. Es gibt keine Religion, als die Religion der Götter! Schlagt zu! schlagt zu!«

»Zündet an!« rief der Priester; »seine Verdammniß komme über sein eigenes Haupt! Anathema! Maranatha! er sterbe verflucht!«

Die trocknen Brennstoffe wurden auf allen Punkten zugleich angezündet —— es war das erste Auto-da-fe, eine Ketzerverbrennung im fünften Jahrhundert! Als sich die Flammen erhoben, trat das Volk zurück und beobachtete ihr schnelles Umsichgreifen. Die in einer Reihe vor dem Feuer stehenden Priester streckten ihre Hände drohend gegen den Tempel aus und sprachen zusammen den schaurigen Bannfluch der römischen Kirche.

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Das vor dem Tempel angezündete Feuer hatte die Götzenbilder in seinem Innern ergriffen. Ulpius stand nicht mehr aus seinem umgestürzten Altar, sondern auf seinem Scheiterhaufen und die Bildsäule, welche er umfaßt hielt, war der Brandpfahl, an welchen er sich selbst gebunden hatte. Eine anfänglich düstere, rothe Gluth wurde unter ihm jetzt immer heller und heller, schnelle, geräuschlose Flammen stiegen und fielen und erhoben sich von Neuem auf verschiedenen Punkten, so daß sie das Innere des Tempels mit einem flackernden, wechselnden Licht erhellten. Die dunkeln finstern Gestalten der Götzen schienen sich zu bewegen und zu zucken, wie gepeinigte lebende Wesen, als sie das Feuer und der Rauch abwechselnd erkennen ließ und verhüllte. Eine Todtenstille hatte jetzt das Gesicht und die Gestalt des Heiden überzogen, als er fest auf die Gottheiten seiner Religion hinabblickte, welche unter ihm auf seine Vernichtung hinwirken. Seine Wange —— die Wange, welche in der Kindheit an seiner Mutter Brust geruht hatte, war an die vergoldete Brust des Serapis, seines Herrn im Leben, seines Kissens im Tode —— gedrückt.

»Ich steige! ich erhebe mich mit meinen Göttern, denen ich gedient habe, zur Welt des Lichtes!« murmelte er; »der Glanz ihres Angesichts gleicht einem flammenden Feuer, der Rauch ihres Athems erhebt sich um mich wie Weihrauchduft! Ich diene in den Tempeln der Wolken und die Herrlichkeit des ewigen Sonnenscheins umglänzt mich, während ich anbete —— ich steige auf, ich steige auf!«

Der Rauch wirbelte in schwarzen Massen über seinen Kopf, die brausende Stimme des sich schnell verbreitenden Feuers umtobte ihn, die Flammen leckten an seinen Füßen in die Höhe —— seine Gewänder entzündeten sich und verbreiteten eine strahlende Helle, als sich der Scheiterhaufen unter ihm öffnete.

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Der Streit zwischen dem Tempel und der Kirche war beendet —— die Priester und das Volk hatten einen weiteren Kreis um das dem Untergang geweihte Gebäude gebildet, alles Brennbare in demselben: war ausgebrannt, Rauch und Flammen brachen jetzt nur in Zwischenräumen durch die Thore und allmählig hörten beide auf sich zu zeigen. Jetzt trat das Volk näher an den Tempel heran und fühlte, als es hereinblickte, die Hitze des Hochofens, welchen es selbst entzündet hatte.

Die Eisenthore waren rothglühend —— von der großen Masse hinter ihnen, die an einigen Stellen immer noch hell loderte und von ihrer eignen Hitze erzitterte, stieg langsam ein dünner durchsichtiger Dunst zu dem jetzt vom Rauch geschwärzten steinernen Dache des Gebäudes empor. Die Priester sahen sich begierig nach der Leiche des Heiden um, sie erblickten zwei dunkle verkohlte Gegenstände, die eng mit einander verbunden in einem Aschenhaufen nahe am Thore an einer Stelle lagen, wo sich das Feuer schon erschöpft hatte, aber es war unmöglich, zu unterscheiden, welcher der Mensch und welcher der Götze sei.

Während die Flammen noch wütheten, hatte man die Nothwendigkeit, sich Mittel zum Eindringen in den Tempel zu verschaffen, nicht übersehen. Jetzt waren passende Werkzeuge zum Aufbrechen des Thores bei der Hand und schon begann das Volk seine Eimer in den Tiber zu tauchen und auf Alles, was noch Spuren von Feuer blicken ließ, Wasser zu schütten. Bald waren alle Hindernisse aus dem Wege geräumt, die Soldaten drängten sich mit Spaten in das Gebäude, traten in den schwarzen wässerigen Aschenschlamm, welcher das bedeckte, was einst der Altar der Götzen gewesen war, warfen die Asche und die unverzehrt gebliebenen steinernen Bildsäulen auf die Straße hinaus und gruben in dem, was zurückblieb, wie in einem neuen Bergwerke nach dem Gold und Silber, welches das Feuer nicht zu zerstören vermochte.

Der Heide hatte mit seinen Götzen gelebt, war mit seinen Götzen untergegangen und wurde jetzt hinausgeworfen wie sie. Die Soldaten mischten, als sie die schwarzen Ruinen seines Altars bruchstückweis herausgruben, ihn ebenfalls in Bruchstücken darunter. Das Volk, welches die ihnen zugeworfenen Abfälle in den Fluß schleuderte, warf mit dem, was noch von seinen Göttern vorhanden war, auch das von ihm Gebliebene hinein. Und als der Tempel verlassen worden war, als die Bürger alle Schätze, die sie zusammenbringen konnten, hinweggetragen hatten, als von Allem, was sie verbrannt, nur einige Aschenhaufen mehr übrig waren, verwehte der Nachtwind die Asche des Ulpius mit der Asche der Gottheiten, denen er gedient hatte!


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