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Die Neue Magdalena - Buch 2

Kapitel 18

Lady Janet in Bedrängnis

Wie verlassen hier Julian und Mercy für einige Zeit und wenden uns nach den oberen Regionen des Hauses, um in Lady Janets Zimmer dem weiteren Verlauf der Ereignisse zu folgen.

Die Zofe hatte zuerst das Billet ihrer Herrin an Mercy bestellt und war dann nach dem Wohnzimmer gegangen, um sich hier ihres zweiten Auftrages an Grace Roseberry zu entledigen. Lady Janet saß am Schreibtisch in Erwartung derjenigen, die sie eben zu sich berufen hatte.

Ihre Augen betrachteten eine Photographie Mercys, welche, auf einer kleinen vergoldeten Staffelei hängend, von dem Lampenlicht grell beschienen wurde. Das sonst so frische, bewegliche alte Gesicht war seltsam und traurig verändert. Die starre Miene, der verzogene Mund machten es fast zu der Maske untätigen Widerstrebens und verhaltener Wut in ihrer schärfsten Form; nur das Licht und Leben in ihren Augen milderte diesen Ausdruck der Züge. Es lag etwas unaussprechlich Rührendes in dem durchdringend zärtlichen, verlangenden Blick, welchen sie auf das Bild heftete; und der stille, liebevoll geduldige Vorwurf in demselben erhöhte diese Rührung noch. Das Gefährliche, welches Julian mit Recht fürchtete, lag im ganzen Antlitz; die Liebe, die er so wahr geschildert, lag einzig und allein in den Augen. Sie verkündeten, wie grausam es gewesen sei, ihre Zuneigung zu missbrauchen, die doch die höchste Freude und einzige Hoffnung ihres dem Ende sich nähernden Lebens war. Die Miene verriet nur den einen festen Entschluss, auch von den Trümmern jener Freude nicht zu lassen, das verlöschende Licht jener Hoffnung von neuem zu beleben; die Lippen wurden nur beredt, um kühn die verhasste Gegenwart zu leugnen, und die selige Vergangenheit zu retten. „Mag mein Abgott auch in Stücke brechen, keines von euch soll darum wissen. Ich halte das Fortschreiten der Entdeckung auf; die Wahrheit soll verstummen; mein Ohr ist taub gegen eure Worte; mein Augen blind gegen eure Beweise. Mit siebzig Jahren bedeutet für mich der Abgott auch das Leben. So soll er mein Abgott bleiben.”

Die Stille im Zimmer wurde durch das Gemurmel von Frauenstimmen vor der Tür unterbrochen.

Lady Janet richtete sich rasch in ihrem Lehnstuhl auf und nahm hastig die Photographie von der Staffelei herab. Sie schob sie, die Rückseite nach oben gekehrt, unter allerlei Papieren auf den Tisch - dann besann sie sich plötzlich eines Besseren und verbarg sie unter den dicken Falten eines Spitzentuches, welches ihren Hals und ihre Brust bedeckte. Welche eine Welt voll Liebe lag in dieser einen Handlung und in dem weichen, innigen Blick, der dieselbe begleitete. Im nächsten Augenblick hatte Lady Janet die Maske vorgenommen, welche jeden oberflächlichen Beobachter zu der Annahme berechtigt hätte, sie sei eine hartherzige Frau!

Die Tür ward von der Zofe geöffnet; Grace Roseberry trat ins Zimmer.

Sie schritt mit trotzig zuversichtlicher Haltung und hochmütig zurückgeworfenem Kopf näher und ließ sich auf den von Lady Janet ihr angewiesenen Stuhl unsanft niederfallen, wobei sie deren ernste Verbeugung mit einem Kopfnicken und Lächeln erwiderte.

In jeder Miene, in jeder Bewegung dieses kleinen, kümmerlich aussehenden, armselig gekleideten Geschöpfes drückte sich empörender Hohn aus, als wollte sie sagen: „Jetzt ist die Reihe an mir.”

„Es ist mir recht angenehm, dass Sie mich selbst hierher berufen haben, Lady Janet”, sprach sie, ohne abzuwarten, dass diese sie zuerst anredete. „Ich wäre sonst allerdings genötigt gewesen, Sie um eine Unterredung direkt zu ersuchen.”

„Sie wären genötigt gewesen, mich um eine Unterredung zu ersuchen?” wiederholte Lady Janet gelassen. „Wieso das?”

Der Ton, in dem diese letzten Worte gesprochen wurden, versetzte Grace gleich zu Anfang in große Verlegenheit. Es war nicht anders, als sei die unsichtbare Entfernung, in welche sie voneinander gerückt waren, nun sichtbar geworden und hätte sie samt ihrem Stuhl leibhaftig an das äußerste Ende des Zimmers getragen.

„Ich wundere mich, dass Sie mich nicht verstehen”, sagte sie, ihre Verwirrung mühsam zu verbergen suchend. „Insbesondere, nachdem Sie doch so freundlich waren, mir Ihr Wohnzimmer zur Verfügung zu stellen.”

Lady Janet blieb ganz unberührt. „Ich verstehe Sie trotzdem nicht”, sagte sie mit unveränderter Ruhe.

Da kam Grace ihr Charakter zu Hilfe. Sie fand ihre frühere Zuversicht wieder, die gleich ihr erstes Auftreten gekennzeichnet hatte.

„In diesem Falle”, begann sie von neuem, „muss ich mich denn näher erklären, um mir Gerechtigkeit zu verschaffen. Ich kann für die plötzliche Veränderung in dem Benehmen, das Sie unten gegen mich beobachteten, nur den einen Grund finden, dass die Aufführung jener verabscheuungswürdigen Person Ihnen endlich die Augen darüber geöffnet hat, dass Sie von ihr betrogen worden sind. Dennoch haben Sie sich, weshalb weiß ich nicht, bis jetzt noch nicht veranlasst gefunden, mich offen anzuerkennen. In dieser höchst peinlichen Lage bin ich es mir selbst, meiner Selbstachtung, schuldig, der Mercy Merrick um keinen Preis das Verdienst zu lassen, mich in die mir gebührende Stelle in diesem Hause einzusetzen; ich will ihr dies Verdienst nicht lassen; nach dem, was ich gelitten, könnte ich dies unmöglich ertragen. Ich hätte, wäre ich nicht von Ihnen selbst hierher bestellt worden, schon deshalb um eine Unterredung bitten müssen, um auf der sofortigen Entlassung der Einschleicherin aus Ihrem Hause zu bestehen. Ich fordere dieselbe jetzt als ein Zugeständnis, das mir gebührt. Sie oder Mister Julian Gray mögen tun, was Sie wollen; ich gebe um keinen Preis zu, dass diese Person als eine interessante Büßerin erscheint. Es ist wirklich mehr als zu viel, dass die unverschämte Abenteurerin sich selbst die Zeit bestimmte, wann sie ihre Enthüllungen machen will. Es war eine zu vorsätzliche Beleidigung, wie sie da aus dem Zimmer ging - wobei ihr ein Priester der englischen Kirche noch die Tür öffnete - gerade als ob sie mich dadurch ihr gegenüber verpflichten wollte! Ich kann viel verzeihen, Lady Janet - so auch die Ausdrücke, mit denen Sie es für schicklich hielten, mich aus dem Hause zu weisen. Ich nehme den Antrag bezüglich Ihres Zimmers deshalb gerne an, weil ich darin den Ausdruck einer zu meinen Gunsten veränderten Stimmung sehe. Aber selbst die christliche Barmherzigkeit hat ihre Grenzen. Die Anwesenheit jener Elenden hier ist, erlauben Sie mir die Bemerkung, ebenso wohl ein Beweis Ihrer Schwäche, als auch eine durchaus nicht zu duldende Beleidigung für mich.”

Da brach sie plötzlich ab - aber nicht, weil ihr die Worte fehlten, um weiterzusprechen, sondern weil ihr niemand zuhörte.

Lady Janet tat nicht einmal dergleichen, als ob sie ihr Aufmerksamkeit schenkte. Mit einer zu anderen Zeiten ihr gänzlich fremden, jetzt aber vorsätzlichen Unhöflichkeit war sie in größter Gelassenheit damit beschäftigt, die verschiedenen, auf dem Tische zerstreut umherliegenden Papiere zu ordnen. Einige band sie mit Schnürchen im Bündel zusammen; andere legte sie unter Briefbeschwerer; wieder andere wurden in den phantastischen Fächern eines kleinen japanesischen Kästchens untergebracht - das alles tat sie mit einem behaglichen Vergnügen an dieser systematischen Beschäftigung, und ohne, wie es schien, die Gegenwart einer zweiten Person im Zimmer überhaupt zu bemerken. Sie blickte, in beiden Händen Schriften haltend, auf, als Grace aufhörte zu sprechen und sagte gelassen:

„Sind Sie fertig?”

„Ließen Sie mich deshalb hierher rufen, Lady Janet, um mich mit ausgesuchter Unhöflichkeit zu behandeln?” gab Grace zornig zurück.

„Meine Absicht war, Ihnen etwas zu sagen, sobald Sie mich zu Worte kommen ließen.”

Die unerschütterliche Ruhe dieser Antwort wirkte auf Grace höchst überraschend. Sie wusste nichts darauf zu erwidern. In unverhohlenem Erstaunen schwieg sie, die Augen auf die Herrin des Hauses gerichtet.

Lady Janet legte ihre Schriften beiseite und setzte sich in ihrem Lehnstuhl zurecht, um nunmehr ihrerseits die Unterredung zu beginnen.

„Das Wenige, was ich Ihnen zu sagen habe”, sprach sie, „kann mit einer Frage ausgedrückt werden. Habe ich nicht recht, wenn ich annehme, dass Sie gegenwärtig ohne Stelle sind, und eine kleine Entschädigung an Geld - in feiner Weise geboten - Ihnen deshalb ziemlich erwünscht sein dürfte?”

„Wollen Sie mich damit beleidigen, Lady Janet?”

„Durchaus nicht. Ich will bloß diese Frage an Sie stellen.”

„Ihre Frage ist aber eine Beleidigung.”

„Meine Frage entspringt nur einer Freundlichkeit, die ich Ihnen auch durch die Tat beweisen wollte. Sie müssen sie nur recht verstehen. Übrigens mache ich Ihnen keinen Vorwurf daraus, wenn Sie sie nicht verstehen; ebenso wenig, als ich es Ihnen übelnehme, dass Sie schon zu wiederholten Malen, seit Ihrem Eintritt hier, gegen jede feinere Lebensart verstoßen haben. Ich war nur ehrlich bemüht, Ihnen irgendwie von Nutzen zu sein und Sie haben mein Entgegenkommen zurückgewiesen. Es tut mir leid. Übrigens lassen wir das.”

Nach diesen, mit der vollkommensten Beherrschung gesprochenen Worten nahm Lady Janet ihre frühere Beschäftigung mit den Schriften wieder auf, und bald hatte sie, wie es schien, zum zweiten Male vergessen, dass außer ihr noch jemand im Zimmer war.

Grace wollte eben mit dem ganzen Ungestüm ihres Zornes hervorbrechen, aber sie besann sich eines Besseren und bezwang sich. Mit Heftigkeit erreichte sie bei Lady Janet Roy einmal nichts; das wusste sie jetzt schon. Darum beschloss Grace, der Feindin auf dem neutralen Boden der Höflichkeit, von der sie sich unter den obwaltenden Umständen noch am meisten versprechen durfte, entgegenzutreten.

„Wenn ich vielleicht mit einem Ausspruche zu vorschnell gewesen bin”, begann sie, „so bitte ich, mich deshalb entschuldigen zu dürfen. Erlauben Sie mir nur noch die Frage, ob Sie mich bloß deshalb rufen ließen, um über meine pekuniären Verhältnisse unterrichtet zu werden, und dies nur in der Absicht, um mir zu helfen?”

„So ist es”, sagte Lady Janet.

„In Betreff Mercy Merricks hatten Sie mir nichts zu sagen?”

„Gar nichts. Ich will von ihr nichts weiter hören. Haben Sie sonst noch eine Frage an mich?”

„Eine noch.”

„Und die ist?”

„Ob Sie mich in Gegenwart sämtlicher Hausbewohner als die Tochter des verstorbenen Obersten Roseberry anerkennen wollen?”

„Ich habe Sie bereits als eine Dame anerkannt, welche, abgesehen davon, dass sie sich in misslicher, pekuniärer Lage befindet, noch einem besonderen Anspruch auf meine Rücksicht und Schonung hat. Wenn Sie nun durchaus wollen, obgleich dies unsinnig wäre, dass ich diese Worte vor den Dienstleuten wiederholen soll, so bin ich bereit, Ihrem Wunsch zu willfahren.”

In Grace begann jetzt die Leidenschaftlichkeit über ihre klügeren Vorsätze von vorhin Herr zu werden.

„Lady Janet!” rief sie; „dies ist mir nicht genug. Ich muss Sie bitten, sich deutlicher zu erklären. Sie sprechen von besonderen Ansprüchen, die ich an Ihre Schonung hätte. Was meinen Sie damit?”

„Es würde für uns beide gleich peinlich sein, uns hierüber in nähere Erörterungen einzulassen”, erwiderte Lady Janet. „Ersparen Sie uns deshalb diese Unannehmlichkeit.”

„Ich bestehe vielmehr darauf, Madame.”

„Bitte, tun Sie das nicht.”

Allein Grace war jeder Vorstellung unzugänglich.

„Ich frage Sie mit deutlichen Worten”, fuhr sie fort, „geben Sie zu, von einer Abenteurerin, die sich dazu meines Namens bedient hat, betrogen worden zu sein? Und wollen Sie mich in die mir in diesem Hause gebührende Stelle rechtmäßig einsetzen oder nicht?”

Lady Janet nahm neuerdings das Ordnen der Papiere auf.

„Wollen Sie mir das Gehör verweigern, Lady Janet?”

Diese blickte mild, wie immer, von ihren Schriften empor.

„Wenn Sie in Ihren früheren Irrtum verfallen”, sagte sie, „so zwingen Sie damit auch mich, bei der Beschäftigung mit meinen Papieren zu bleiben.”

„Welchen Irrtum meinen Sie?”

„Den Irrtum, der eben diese Frage an mich richtet. Er macht es auch, dass Sie einen besonderen Anspruch auf meine Schonung haben; und nichts, was Sie sagen oder tun, wird mich hindern, diese Schonung gegen Sie auszuüben. Als ich Sie im Speisezimmer vorfand, ließ ich mich von meiner Heftigkeit zu einem ganz ungehörigen Verhalten hinreißen; es ist sehr unrecht und unklug von mir gewesen, nach dem Polizeibeamten zu schicken. Für dieses verletzende Benehmen schulde ich Ihnen, die Sie ohnehin leidend sind, eine entsprechende Genugtuung. Um diese zu leisten, habe ich Ihnen zunächst mein Wohnzimmer zur Benutzung eingeräumt, und eben deshalb habe ich Sie zu mir bitten lassen, hoffend, dass Sie es mir gestatteten, Sie zu unterstützen. Ihr Betragen gegen mich mag noch so unhöflich sein, Ihre Äußerungen über meine Pflegetochter noch so anzüglich, ich dulde alles, um Ihnen Genugtuung zu leisten. So lange Sie ein peinliches Gespräch nicht berühren, schenke ich Ihnen mit Vergnügen Gehör; sobald Sie aber darauf zurückkommen, wende ich meine Aufmerksamkeit meinen Schriften zu.”

Grace blickte ihr mit einem boshaften Lächeln ins Gesicht.

„Ich fange an, Sie zu verstehen”, sagte sie. „Sie schämen sich, einzugestehen, dass Sie sich gröblich haben täuschen lassen. Es bleibt Ihnen jetzt natürlich keine andere Wahl, als das Geschehene gänzlich unberücksichtigt zu lassen. Nun können Sie auf meine Schonung zählen. Ich bin keineswegs verletzt - die ganze Sache belustigt mich vielmehr; denn es kommt doch nicht alle Tage vor, dass sich eine so vornehme Dame, wie Sie sind, mir, einer fremden, untergeordneten Person gegenüber so bloßstellt. Ich glaube, Ihre menschenfreundliche Gesinnung gegen mich wurde erst dann geweckt, als Ihre Pflegetochter mit dem Wegschicken des Polizeibeamten Ihnen das Beispiel gab?”

Lady Janet bewahrte auch bei diesem Angriffe ihre Fassung. Sie nahm die Frage Gracens als bare Münze auf.

„Ich bin nicht im geringsten überrascht”, erwiderte sie, „zu sehen, dass das Einschreiten meiner Pflegetochter zu Missdeutungen Anlass gegeben hat. Sie hätte sich vorerst mit mir allein verständigen sollen, ehe sie handelte. Aber das ist ihr Fehler - sie folgt zu sehr ihrem inneren Gefühl. Mir ist in meinem ganzen Leben noch kein so tief empfindendes Geschöpf, wie sie ist, vorgekommen. Immer nur zu viel für die anderen bedacht, und nie für sich selber! Das bloße Erscheinen des Polizeibeamten brachte Sie in eine so bemitleidenswerte Lage, dass sie sich sofort wie immer von ihrem Gefühle hinreißen ließ. Das ist mein Fehler! Alles mein Fehler!”

Grace änderte abermals ihre Haltung. Ihr Scharfsinn erkannte, dass jetzt eine Gelegenheit war, um Lady Janet mit ihren eigenen Waffen zu schlagen.

„Davon nun nichts mehr!” sagte sie. „Es ist Zeit, dass wir ernsthaft über die Sache sprechen. Ihre Pflegetochter - wie Sie sie nennen - ist Mercy Merrick - und Sie wissen dies.”

Lady Janet wendete sich ihren Schriften zu.

„Ich bin Grace Roseberry, der sie den Namen gestohlen hat - auch das wissen Sie?”

Lady Janet beachtete diese Worte nicht.

Grace erhob sich von ihrem Stuhle.

„Ihr Schweigen, Lady Janet”, sagte sie, „beweist mir deutlich, dass Sie vorsätzlich die Wahrheit unterdrücken wollen. Sie sind offenbar entschlossen, die Abenteurerin als diejenige anzuerkennen, die sie zu sein vorgibt, und scheuen sich nicht, ungeachtet der Folgen, die daraus entstehen können, mir in das Gesicht zu behaupten, dass ich verrückt sei. Ich lasse mir aber mein Recht nicht auf so unverschämte Weise rauben; Sie sollen noch von mir hören, sobald die Post aus Kanada hier in England angekommen sein wird.”

Sie schritt der Tür zu. Diesmal antwortete Lady Janet so rasch und entschieden, als sie es nur immer wünschen konnte.

„Ich werde Ihre Briefe zurückweisen”, sagte sie.

Grace wendete sich drohend ein paar Schritte zurück.

„Den Briefen werden bald auch die Zeugen folgen”, fuhr sie fort.

„Ich werde auch diese nicht empfangen.”

„Tun Sie das auf Ihre Gefahr hin! Ich wende mich an das Gericht.”

Lächelnd sagte Lady Janet: „Ich will zwar nicht behaupten, dass ich viel davon verstehe, aber es würde mich wirklich sehr wundern, wenn Ihnen das Gesetz ein Recht gäbe, irgendeinen Anspruch an mich zu erheben. Übrigens - nehmen wir an, Sie sind im Stande, das Gericht für die Verfechtung Ihrer Sache zu gewinnen, dann wissen Sie so gut wie ich, dass es dazu vor allem eines Dinges bedarf, und das ist - Geld! Ich bin reich, und Honorare, Gerichtskosten und all dergleichen sind für mich keine Sachen von Belang. Darf ich fragen, ob dasselbe bei Ihnen der Fall ist?”

Diese Frage brachte Grace zum Schweigen. Nach jeder Richtung war sie gänzlich unfähig, ihre rachsüchtigen Gelüste zu befriedigen. Und die Herrin von Mablethorpe-House saß da vor ihr, aller dieser Umstände wohl bewusst.

Lady Janet deutete nach dem leeren Stuhl.

„Wollen Sie sich nicht wieder setzen?” redete sie ihr zu. „Wie mir scheint, sind wir allmählich zum Ausgangspunkt unseres Gespräches zurückgekommen. Möchten Sie nicht lieber, anstatt mir mit dem Gerichte zu drohen, näher erwägen, ob es denn überhaupt eine Beleidigung ist, wenn ich Ihnen meine Unterstützung antrage? Ich bin gar oft in dem Falle, Damen, die sich in bedrängter Lage befinden, meine Hilfe zu leihen, ohne dass außer meinem Haushofmeister - der die Rechnungen führt - und mir selbst, irgendjemand davon erfährt. Ich frage Sie nochmals, ob Ihnen eine kleine Geldentschädigung in feiner Weise geboten, willkommen sein würde?”

Grace kehrte langsam zu ihrem Stuhl zurück. Mit der einen Hand die Lehne fassend, stand sie da, die Augen mit einem höhnisch forschenden Ausdruck auf Lady Janet gerichtet.

„Endlich rücken Sie mit der Farbe heraus”, sagte sie. „Sie geben mir Geld, damit ich schweigen soll!”

„Sie wollen also, dass ich mich wieder zu meinen Schriften wende”, versetzte Lady Janet. „Sie sind wirklich sehr hartnäckig!”

Gracens Hand umschloss immer fester die Stuhllehne. Sie stand jetzt allein da, ohne Zeugen, ohne Mittel. Das Gefühl ihrer Verlassenheit, ihrer Hilflosigkeit raubte ihr in diesem entscheidenden Augenblicke beinahe den Verstand. „Gegenwärtig”, dachte sie, „habe ich nur ein Mittel, um mit der Lady Schritt halten zu können; es ist, dass ich ihr möglichst teuer zu stehen komme.”

„O, haben Sie etwas Nachsicht mit mir”, sagte sie. „Ich bin nicht hartnäckig - nur ein wenig ungeschickt, um der Kühnheit einer vornehmen Dame mit dem gleichen Ton zu begegnen. Das wird mit der Übung besser werden. Ich rede, wie ich peinlich bemerke, nur gewöhnliches Englisch; erlauben Sie, dass ich es ablege und dafür Ihre Sprache annehme. Welche Entschädigung sind Sie gesonnen, mir auf feine Art anzubieten?”

Lady Janet öffnete ein Schubfach und holte ihr Scheckbuch heraus.

Endlich war der Augenblick der Befreiung gekommen! Es handelte sich nur mehr um die Höhe des Betrages. Sie überlegte; denn diese zu bestimmen, schien ihr einigermaßen auch Gewissenssache zu sein. Der Gehalt für fünf Jahre sofort ausgezahlt, und die Zusicherung auch fernerer Unterstützung, falls sie deren bedürfen sollte, war in Lady Janets Augen genügend, um ihr dem verstorbenen Obersten Roseberry gegebenes Versprechen erfüllt erscheinen zu lassen und zugleich Grace in freigiebiger Weise Genugtuung für ihr verletzendes Benehmen, welches diese sonst zu ihrem Vorteile ausnutzen konnte, zu leisten. Sie beschloss, zur noch größeren Beruhigung ihres Gewissens, Grace selbst die Summe aussprechen zu lassen, mit welcher sie sich für befriedigt erklären würde.

„Für mich ist es eine schwere Sache, Ihnen einen Antrag zu machen”, sagte sie, „und dies darum - weil Ihr Geldbedarf lediglich davon abhängt, was Sie fernerhin zu tun gedenken. Und eben das weiß ich nicht.”

„Vielleicht wären Sie so gütig, mir hierin einen Rat zu erteilen?” sagte Grace höhnisch.

„Das kann ich ganz und gar nicht”, erwiderte Lady Janet. „Ich denke nur, Sie werden kaum in England bleiben wollen, wo Sie nicht eine Seele kennen; mögen Sie nun zu Gericht gehen oder nicht, Sie werden in jedem Falle selbst die Notwendigkeit einsehen, mit ihren Freunden in Kanada persönlich zu verkehren. Nicht wahr?”

Grace war schlau genug, um sofort den eigentlichen Sinn dieser Worte zu erfassen. Es war nichts anderes als: „Nimmst du die Geldentschädigung an, so unterwirfst du dich der Bedingung, die daran geknüpft ist; nämlich England zu verlassen, um mich nicht weiter mit deiner Anwesenheit zu behelligen.”

„Sie haben ganz recht, Lady Janet”, sagte sie. „Ich werde gewiss nicht in England bleiben. Ich werde mich mit meinen Freunden beraten und” - den Rest dachte sie sich - „wenn es irgend möglich ist, dann mit Ihrem Gelde zu Gericht gehen!”

„Sie kehren nach Kanada zurück”, fuhr Lady Janet fort; „dort werden Ihre Aussichten zunächst keine glänzenden sein. Wie hoch, denken Sie demnach, wird sich die Unterstützung belaufen müssen, deren Sie bedürfen?”

„Kann ich auf Ihre Güte rechnen, die mir etwaige Fehler in meiner Berechnung bemerklich machen wird?” fragte Grace unbefangen.

Auch diesen Worten lag eigentlich ein anderer Sinn zu Grunde. Ungefähr so: „Bei mir steht es fest, dass ich meine Ansprüche in die Höhe treibe, so lange, bis mir die Lady mit ihrem äußersten Anbot eine Grenze zieht.” Lady Janet verstand den Sinn; sie verneigte sich und erwartete ernst das Weitere.

Auch Grace war ernst, als sie begann:

„Ich fürchte, hundert Pfund werden kaum genug sein.”

Lady Janet ging darauf ein. „Das glaube ich auch.”

„Vielleicht sind sogar zweihundert noch zu wenig?”

„Wahrscheinlich.”

„Auch dreihundert? Vierhundert? Fünfhundert?”

Lady Janet zog jetzt die Grenze. „Fünfhundert Pfund, denke ich, werden einstweilen genug sein”, sagte sie.

Grace schoss das Blut in die Wangen und sie verriet wider ihren Willen die Heftigkeit ihrer inneren Erregung. Es lag jetzt etwas Grauenhaftes in dem gierigen, verlangenden Ausdruck ihrer Augen, wie sie Lady Janet scharf beobachteten, ob sie auch wirklich gewillt sei, mit einem Federzug ohneweiters fünfhundert Pfund Sterling zu verschenken.

In einem Augenblicke hatte Lady Janet den Scheck geschrieben, und schob ihn jetzt über den Tisch ihr hin.

Grace verschlang mit ihrem Blicke die Zeile, in welcher die goldenen Worte standen. „An mich oder an den Überbringer sind auszuzahlen - fünfhundert Pfund;” und darunter die eigenhändige Unterschrift:: „Janet Roy.” Nun ihr das Geld gesichert war - sie brauchte es bloß zu nehmen - trat neuerdings ihre von Haus aus gemeine Natur hervor. Sie warf den Kopf zurück und ließ den Scheck unberührt auf dem Tische liegen, als wollte sie auffällig zeigen, dass ihr nichts daran gelegen sei.

„Sie erwarten doch wohl nicht, dass ich gleich zugreifen werde”, sagte sie.

Lady Janet lehnte sich in den Stuhl zurück und schloss die Augen. Sie konnte den Anblick Grace Roseberrys kaum mehr ertragen. Vor ihre Seele trat Mercys Bild; sehnsüchtig verlangte ihr Herz nach dem Labsal ihrer edlen, schönen Erscheinung, nach dem melodischen Klang ihrer sanften Stimme.

„Ich brauche Zeit, um es mir zu überlegen - ich bin es der Achtung vor mir selbst schuldig”, fuhr Grace fort.

Lady Janet winkte müde mit dem Kopf, dass ihr die Zeit bewilligt sei.

„Ihr Wohnzimmer steht mir wohl noch zur Verfügung?”

Lady Janet nickte bejahend.

„Und Ihre Dienerschaft auch, wenn ich sie gerade brauchen sollte?”

Lady Janet öffnete plötzlich die Augen. „Meinetwegen befehlen Sie über das ganze Haus!” rief sie zornsprühend. „Aber verlassen Sie mich auf der Stelle!”

Grace fühlte sich nicht im Entferntesten verletzt, viel eher befriedigt; es war ihr ein Triumph, Lady Janet zu diesem Ausbruch gereizt zu haben. Sie hatte sofort eine weitere Bedingung bereit.

„Wenn ich den Scheck annehmen soll”, sagte sie, „so gestattet es meine Selbstachtung nicht anders, als unter Couvert. Sie werden wohl die Güte haben, wenn es nötig ist, ihn einzuschließen. Guten Abend!”

Sie ging langsam der Tür zu und betrachtete dabei, nach allen Seiten blickend, mit Geringschätzung die wertvollen Kunstgegenstände, mit welchen die Wände ringsum geziert waren. Auch auf dem Teppich, dessen Zeichnung das Werk eines berühmten französischen Malers war, sahen ihre Augen nur mit Verachtung herab, als sei er nicht würdig, von ihrem Fuß betreten zu werden. Die Keckheit ihres Benehmens beim Eintritt in das Zimmer war schon auffallend genug gewesen; allein es war dies nichts im Vergleiche zu der beispiellosen Frechheit, mit welcher sie es jetzt verließ.

Kaum hatte sich die Tür hinter ihr geschlossen, so stand Lady Janet auf und schritt zum Fenster. Ungeachtet der frostigen Winterluft, die draußen strich, öffnete sie beide Flügel und rief, sich vor Ekel schüttelnd: „Puh! Sogar die Luft im Zimmer ist durch ihre Gegenwart vergiftet worden!”

Sie kehrte in veränderter Stimmung zu ihrem Stuhl zurück und nahm ihren früheren Platz wieder ein. Ihre Gedanken wendeten sich abermals Mercy zu. „O, mein Liebling!” murmelte sie leise. „Was habe ich alles geduldet, wie mich erniedrigt - nur um deinetwillen!” Doch die Erinnerung daran war zu unerträglich. Die angeborene Kraft der weiblichen Natur drängte vielmehr zu einem Ausbruche des Trotzes und der Verzweiflung hin. „Sie mag was immer begangen haben, so hat es die Elende nur verdient! Keine Seele hier im Hause soll wissen, dass sie mich betrogen hat. Übrigens hat sie mich nicht betrogen - sie liebt mich wirklich! Was liegt daran, ob sie mir ihren wahren Namen gesagt hat oder nicht? Ihr Herz ist wahr und das hat sie mir geschenkt. Mit welchem Rechte wohl hat Julian ihre innersten Gefühle berührt und ihr Herz zu erforschen getrachtet? Mein armes, schwer versuchtes Kind! Ich will ihr Bekenntnis nicht mehr hören und zu keinem Menschen soll sie mehr ein Wort davon sprechen. Ich bin die Herrin - und ich befehle dies!”

Hastig holte sie ein Blatt Papier aus dem Behälter hervor; sie zögerte, dann warf sie es auf den Tisch hin.

„Warum lasse ich meinen Liebling nicht lieber zu mir kommen?” dachte sie. „Warum will ich ihr schreiben?” Sie zögerte wieder und verwarf den Gedanken. „Nein! Ich bin meiner nicht sicher! Ich kann es noch nicht wagen, sie zu sehen!”

Sie griff das Blatt Papier wieder auf und schrieb ein zweites Billet an Mercy; diesmal in liebevollem, vertraulichem Tone:

„Mein teures Kind - ich habe, seitdem ich Sie vorhin um Aufschiebung Ihrer versprochenen Erklärung bat, Zeit gehabt, nachzudenken. Ich verstehe und ahne bereits die Gründe, welche Sie zu jenem Schritte bewogen haben und verlange jetzt von Ihnen, dass Sie Ihre Erklärung ganz aufgeben. Es muss Ihnen, aus Rücksichten, die Sie am besten wissen werden, peinlich sein, jene von Ihnen erwähnte Person vorzuführen und ich mag, wie bereits gesagt, nichts weiter von ihr hören. Überdies wird Ihre Erklärung auch dadurch überflüssig, dass die Fremde, deren Auftreten hier für uns so schmerzlich und aufregend war, freiwillig England verlässt, nachdem ein Gespräch mit mir sie vollkommen beruhigt und befriedigt hat. Also kein Wort mehr, meine Teure, von dem, was heute in dem Speisezimmer vorgefallen ist, weder mir, noch meinem Neffen, noch sonst irgend jemand gegenüber. Wenn wir uns wiedersehen, so betrachten Sie es zwischen uns ausgemacht, dass von nun an und für immer alles in Vergessenheit begraben sei. Das ist nicht bloß die ernste Bitte, es ist, wenn es sein muss, der entschiedene Befehl Ihrer mütterlichen Freundin

Janet Roy.”

„PS. Ich werde trachten, ehe Sie Ihr Zimmer verlassen, sowohl mit meinem Neffen, als auch Horace Holmcroft einzeln zu sprechen; Sie brauchen deshalb bei einem Zusammentreffen mit ihnen keine weitere Unannehmlichkeit zu fürchten. Schreiben Sie mir keine Antwort auf diese Zeilen, sondern sagen Sie der Zofe ein „Ja”; ich weiß dann, dass wir uns verstanden haben.”

Sie siegelte den Brief und adressierte ihn, wie sonst, an „Miss Grace Roseberry”. Eben wollte sie die Glocke ziehen, da erschien die Zofe als Gesandte aus Lady Janets Wohnzimmer. Ihre Miene verriet sofort, dass jetzt sie, wie früher ihre Herrin, von dem anmaßenden Benehmen Gracens zu leiden gehabt hatte.

„Ich bitte, Mylady, die Fremde unten wünscht” -

„Ich weiß, was sie wünscht, unterbrach Lady Janet mit verächtlichem Stirnrunzeln die Sprecherin gleich bei den ersten Worten. „Sie will einen Brief von mir haben?”

„Ja, Mylady.”

„Und sonst noch etwas?”

„Sie hat einen der Diener um einen Wagen geschickt. O, hätten Sie nur gehört, in welchem Ton sie ihm den Befehl erteilte!”

Lady Janet gab durch Zeichen zu verstehen, dass sie davon nichts wissen wolle; sie schloss den Scheck in ein Couvert ohne Aufschrift und gab es der Zofe.

„Bringen Sie ihr dies”, sagte sie, „und dann kommen Sie wieder hierher.”

Ohne Grace Roseberry in ihren Gedanken einer weiteren Berücksichtigung zu würdigen, saß Lady Janet, ihren Brief an Mercy in der Hand, und überdachte die Lage derselben, und was sie noch alles von ihr fordern sollte. Dabei fiel ihr ein, dass Horace und Mercy jeden Augenblick zusammentreffen konnten; bei der Stimmung, in welcher sich der Erstere jetzt befand, war es zu wahrscheinlich, dass er beharrlich auf der Erklärung bestehen würde, die sie um jeden Preis zu verhindern suchte. In der Angst vor diesem neuen Unheil unterbrach sie die wiederkehrende Zofe.

„Wo ist Mister Holmcroft?” fragte sie die Dienerin, als sie noch kaum im Zimmer war.

„Ich habe ihn gerade, als ich heraufkam, die Tür des Bibliothekszimmers öffnen sehen.”

„War er allein?”

„Ja, Mylady.”

„Gehen Sie und sagen Sie ihn, dass ich ihn gleich zu sprechen wünsche.”

Die Zofe ging, um ihren Auftrag auszurichten. Lady Janet stand unmutig auf und schloss das Fenster. Ihre Ungeduld, sich Horacens zu versichern, trieb sie sogar in den Korridor hinaus; dort begegnete sie dem Dienstmädchen, welches ihr dessen Entschuldigung für sein Nichterscheinen überbrachte. Sie sandte ihm die zweite, bestimmte Botschaft, dass, wenn er nicht zu ihr kommen wolle, sie gezwungen sein würde, ihn aufzusuchen. „Doch warten Sie!” rief sie der Davoneilenden nach, als sie ihren Brief an Mercy noch da liegen sah. „Senden Sie mir die Zofe Miss Roseberrys her; ich habe ihr etwas zu übergeben.”

Dann schritt sie allein ein paarmal den Korridor auf und ab - plötzlich ward sie dessen müde und trat wieder in ihr Zimmer zurück. Die beiden Dienerinnen erschienen miteinander. Die eine, welche Horacens Ankunft gemeldet hatte, ward entlassen; die andere erhielt den Brief an Mercy zur Bestellung; nach wenigen Minuten kam sie mit der Nachricht, dass sie das Zimmer leer gefunden habe.

„Wissen Sie auch gar nicht, wo Miss Roseberry sein mag?”

„Nein, Mylady.”

Sie überlegte. Erschien Horace gleich jetzt vor ihr, so war es ihr offenbar gelungen, sein Zusammentreffen mit Mercy zu verhindern, ließ er verdächtig lange auf sich warten, so beschloss sie selbst, in den Empfangszimmern des Erdgeschosses nach Mercy zu suchen.

„Was haben Sie mit dem Brief getan?” fragte sie.

„Ich habe ihn im Zimmer der Miss auf den Tisch gelegt.”

„Gut. Halten Sie sich in der Nähe auf, damit Sie mich klingeln hören, wenn ich Ihrer bedarf.”

Im nächsten Augenblick war Lady Janet von ihrem Warten erlöst. Eine Männerhand klopfte an die Tür, und Horace trat eilig in das Zimmer.

„Was wollen Sie von mir?” fragte er etwas ungehalten.

„Setzen Sie sich, Horace; Sie sollen es gleich erfahren.”

Ohne dieser Aufforderung nachzukommen, sagte er: „Entschuldigen Sie, wenn ich Ihnen gestehe, dass ich in großer Eile bin.”

„Weshalb sind Sie in Eile?”

„Ich habe Gründe, um sobald als möglich mit Grace zu sprechen.”

„Ich habe aber meine Gründe”, versetzte Lady Janet, „um Sie das nicht eher tun zu lassen, als bis ich mit Ihnen gesprochen habe. Meine Gründe sind sehr ernster Natur. Setzen Sie sich.”

Horace stutzte. „Ernster Natur?” wiederholte er. „Das überrascht mich.”

„Sie werden noch mehr überrascht werden; lassen Sie mich nur erst beginnen.”

Bei diesen Worten begegneten sich die Blicke beider. Horace bemerkte an Lady Janet eine Erregung, die ihm noch nie an ihr aufgefallen war. Seine Züge nahmen einen finsteren, misstrauischen Ausdruck an, als er sich jetzt auf dem Stuhl niederließ.


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