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Zwei Schicksalswege

Die Frau auf der BrückeTHE WOMAN ON THE BRIDGE.
Meine Mutter störte mich durch einen Blick in die Tür der Bibliothek, bei meinen Büchern.MY mother looked in at the library door, and disturbed me over my books.
»Ich habe in meinem Zimmer ein kleines Bild aufgehängt«, sagte sie, »komm hinauf, mein Sohn und sage mir deine Meinung darüber.«"I have been hanging a little picture in my room," she said. "Come upstairs, my dear, and give me your opinion of it."
Ich stand auf und folgte ihr. Sie zeigte auf ein kleines Miniaturbild, das sie über den Kaminsims gehängt hatte.I rose and followed her. She pointed to a miniature portrait, hanging above the mantelpiece.
»Weißt du, wen dieses Bild darstellt?« fragte sie, halb traurig, halb scherzend. »George! Erkennst du dich wirklich selbst, als dreizehnjährigen Knaben, nicht wieder?«"Do you know whose likeness that is?" she asked, half sadly, half playfully. "George! Do you really not recognize yourself at thirteen years old?"
Wie soll ich mich wiedererkennen? Durch Krankheit und Kummer gealtert, auf meinem langen Heimwege von der Sonne gebräunt! Schon begann mein Haar sich an der Stirn zu lichten, meine Augen hatten sich gewöhnt traurig und müde zu blicken - was hatte ich mit jenem blonden, starken, lockigen, klaräugigen Knaben gemein, der mich aus dem Bilde anblickte? Der Anblick des Bildes machte mir einen merkwürdigen Eindruck. Es ergriff mich eine unsagbare Schwermut und eine unerträgliche Verzweiflung über mich selbst erfüllte mich. Indem ich mich bestmöglichst bei meiner Mutter entschuldigte, verließ ich das Zimmer und stand im nächsten Augenblick vor der Haustür.How should I recognize myself? Worn by sickness and sorrow; browned by the sun on my long homeward voyage; my hair already growing thin over my forehead; my eyes already habituated to their one sad and weary look; what had I in common with the fair, plump, curly-headed, bright-eyed boy who confronted me in the miniature? The mere sight of the portrait produced the most extraordinary effect on my mind. It struck me with an overwhelming melancholy; it filled me with a despair of myself too dreadful to be endured. Making the best excuse I could to my mother, I left the room. In another minute I was out of the house.
Zuerst durchschritt ich den Park und ließ dann die Grenzen meiner Besitzung hinter mir. Einen Nebenweg verfolgend, kam ich an unseren wohlbekannten Fluss - der so schön, so berühmt unter Schottlands Forellenfischern ist. Augenblicklich war nicht die Jahreszeit zum Fischen. Kein lebendes Wesen war in der Nähe, als ich mich an das Ufer setzte. Die alte steinerne Brücke, die sich über den Fluss wölbte, war ungefähr hundert Schritte von mir entfernt; und die untergehende Sonne färbte eben das sanft unter ihren Bogen dahinfließende Wasser mit dem roten Licht der sinkenden Sonne.I crossed the park, and left my own possessions behind me. Following a by-road, I came to our well-known river; so beautiful in itself, so famous among trout-fishers throughout Scotland. It was not then the fishing season. No human being was in sight as I took my seat on the bank. The old stone bridge which spanned the stream was within a hundred yards of me; the setting sun still tinged the swift-flowing water under the arches with its red and dying light.
Immer verfolgte mich das Gesicht des Knaben auf dem Bilde. Mir war's, als machte mir das Bild in seiner eigenen, unerbittlichen Sprache den Vorwurf: »Sieh wie Du einst warst - und was bist Du jetzt!«Still the boy's face in the miniature pursued me. Still the portrait seemed to reproach me in a merciless language of its own: "Look at what you were once; think of what you are now!"
Mein Gesicht in dem weichen, duftigen Grase verbergend dachte ich der zehn verlorenen Jahre von damals bis jetzt.I hid my face in the soft, fragrant grass. I thought of the wasted years of my life between thirteen and twenty-three.
Wie sollte das enden? Wenn ich das gewöhnliche Leben eines Mannes lebte, welche Aussichten hatte ich dann?How was it to end? If I lived to the ordinary life of man, what prospect had I before me?
Liebe? Heirat? Ich lachte laut auf, als mir der Gedanke einkam. Seit den harmlos glücklichen Tagen meiner Knabenzeit hatte ich von Liebe nicht mehr empfunden als das Insekt, das eben vom Grase auf meine Hand kroch. Sicherlich konnte ich mir mit meinem Gelde eine Frau kaufen; aber würde mein Geld sie mir teuer machen? - so teuer wie mir einst Mary in der goldenen Zeit war, als jenes Bild gemalt wurde? May! Ob sie noch lebte? Ob sie verheiratet war? Würde ich sie wohl wiederkennen, wenn ich sie sähe? Torheit! Ich hatte sie seit ihrem zehnten Jahre nicht gesehen: jetzt war sie eine Frau, ich ein Mann. Würde sie mich erkennen, wenn wir uns begegneten? Das Bild, das mich noch immer verfolgte, beantwortete mir die Frage! »Sieh, wie Du einst warst -was bist Du nun?«Love? Marriage? I burst out laughing as the idea crossed my mind. Since the innocently happy days of my boyhood I had known no more of love than the insect that now crept over my hand as it lay on the grass. My money, to be sure, would buy me a wife; but would my money make her dear to me? dear as Mary had once been, in the golden time when my portrait was first painted? Mary! Was she still living? Was she married? Should I know her again if I saw her? Absurd! I had not seen her since she was ten years old: she was now a woman, as I was a man. Would she know me if we met? The portrait, still pursuing me, answered the question: "Look at what you were once; think of what you are now!"
Ich erhob mich und schritt auf und ab, bestrebt meinen Gedanken eine andere Richtung zu geben. Es war unmöglich. Nach jahrelanger Verbannung war Mary in mein Gedächtnis zurückgekehrt. Ich setzte mich wieder am Ufer nieder. Die Sonne sank tiefer; schwarze Schatten hingen unter den Bogen der alten, steinernen Brücke. Der rote Schimmer war von dem sanft fließenden Wasser gewichen und hatte es mit eintönigem Stahlgrau überzogen. Friedlich blickten die ersten Sterne vom Himmel hernieder. Die ersten Schauer des Nachtwindes rauschten durch die Bäume und erregten hier und dort die seichten Stellen des Wassers. Und immer wieder - je dunkler es wurde, je beharrlicher führte mein Bild mich in die Vergangenheit zurück - je lebhafter zeigte sich meiner Erinnerung das längst verlorene Bild der kleinen Mary.I rose and walked backward and forward, and tried to turn the current of my thoughts in some new direction. It was not to be done. After a banishment of years, Mary had got back again into my mind. I sat down once more on the river bank. The sun was sinking fast. Black shadows hovered under the arches of the old stone bridge. The red light had faded from the swift-flowing water, and had left it overspread with one monotonous hue of steely gray. The first stars looked down peacefully from the cloudless sky. The first shiverings of the night breeze were audible among the trees, and visible here and there in the shallow places of the stream. And still, the darker it grew, the more persistently my portrait led me back to the past, the more vividly the long-lost image of the child Mary showed itself to me in my thoughts.
War das die Vorahnung, dass sie auch in meinen Träumen zurückkehren würde - in vollendeter Weiblichkeit, im Frühling ihres Lebens?Was this the prelude of her coming back to me in dreams; in her perfected womanhood, in the young prime of her life?
Es war ja möglich.It might be so.
Ich war nicht mehr ihrer unwert, wie ich es einst gewesen. Schon der Eindruck, den mein Bild auf mich hervorgebracht hatte, war in sich selbst durch eine innere, moralische Wandlung zum Bessern hervorgerufen, und diese hatte sich im sicheren Fortschreiten vollzogen, seit ich an meiner Wunde krank, ganz hilflos unter Unbekannten im fremden Lande lag. Krankheit, die manchem Menschen Freund und Lehrer geworden ist, war es auch mir geworden. Mit Schrecken gedachte ich meiner Jugendsünden - der verlorenen Tage, als ich mich gottlosen Zweifeln über die edelsten und trostreichsten Güter des menschlichen Lebens ergeben hatte. War es töricht zu hoffen, dass ihr Geist und der meine sich wieder vereinigen könnten, nun ich geweiht durch Schmerzen, gereinigt durch Reue war. Wer konnte das sagen? Ich erhob mich wiederum. Es war ungesund, wenn ich mich bis zur Nachtzeit an dem Ufer des Flusses aufhielt. Dem Antrieb folgend, der uns in gewissen aufgeregten Gemütsstimmungen veranlasst, Wechsel und Bewegung aufzusuchen, hatte ich das Haus verlassen. Das Mittel war fehlgeschlagen, denn mein Gemüt war mehr beunruhigt als zuvor. Das Weiseste was ich tun konnte, war nach Hause zu gehen und meiner guten Mutter bei ihrem Lieblingsspiel, dem Piquet, Gesellschaft zu leisten. Ich erhob mich, um den Heimweg anzutreten - blieb aber gebannt durch die Schönheit des letzten, matten Lichtes am westlichen Himmel, der hinter der dunklen Linie des Brückengeländers hervorleuchtete, stehn.I was no longer unworthy of her, as I had once been. The effect produced on me by the sight of my portrait was in itself due to moral and mental changes in me for the better, which had been steadily proceeding since the time when my wound had laid me helpless among strangers in a strange land. Sickness, which has made itself teacher and friend to many a man, had made itself teacher and friend to me. I looked back with horror at the vices of my youth; at the fruitless after-days when I had impiously doubted all that is most noble, all that is most consoling in human life. Consecrated by sorrow, purified by repentance, was it vain in me to hope that her spirit and my spirit might yet be united again? Who could tell? I rose once more. It could serve no good purpose to linger until night by the banks of the river. I had left the house, feeling the impulse which drives us, in certain excited conditions of the mind, to take refuge in movement and change. The remedy had failed; my mind was as strangely disturbed as ever. My wisest course would be to go home, and keep my good mother company over her favorite game of piquet. I turned to take the road back, and stopped, struck by the tranquil beauty of the last faint light in the western sky, shining behind the black line formed by the parapet of the bridge.
In dem großartigen Zusammenfließen der nächtlichen Schatten, in dem tiefen Schweigen des scheidenden Tages, stand ich allein und beobachtete das sinkende Licht.In the grand gathering of the night shadows, in the deep stillness of the dying day, I stood alone and watched the sinking light.
Als ich so dastand, wechselte die Szenerie. Eilig und leicht glitt eine lebende Gestalt über die Brücke. Sie kam hinter der dunklen Linie des Brückengeländers hervor und wurde von dem letzten Strahle des westlichen Lichtes beleuchtet. Sie überschritt die Brücke, stand still und kehrte halbwegs zurück. Wiederum stand sie still. Es vergingen Minuten - und immer noch stand die Gestalt dort hinter dem Brückengeländer wie ein bewegungsloser, dunkler Gegenstand.As I looked, there came a change over the scene. Suddenly and softly a living figure glided into view on the bridge. It passed behind the black line of the parapet, in the last long rays of the western light. It crossed the bridge. It paused, and crossed back again half-way. Then it stopped. The minutes passed, and there the figure stood, a motionless black object, behind the black parapet of the bridge.
Ich trat ein Wenig vorwärts, bis ich nahe genug war um den Anzug, in den die Gestalt gekleidet war, zu erkennen. Aus der Kleidung ging mir hervor, dass die einsame Gestalt ein weibliches Wesen war.I advanced a little, moving near enough to obtain a closer view of the dress in which the figure was attired. The dress showed me that the solitary stranger was a woman.
Sie sah mich im Schatten, den die Bäume auf das Ufer warfen, nicht. Sie stand, die Arme in ihren Mantel gehüllt und blickte in den dunklen Fluss. Warum wartete sie hier, am späten Abend, so allein?She did not notice me in the shadow which the trees cast on the bank. She stood with her arms folded in her cloak, looking down at the darkening river. Why was she waiting there at the close of evening alone?
Als ich darüber nachdachte, bewegte sie den Kopf. Sie blickte von einem Ende bis zum andern über die Brücke. Erwartete sie jemand, den sie hier treffen wollte? Oder fürchtete sie beobachtet zu werden und wollte sich überzeugen, dass sie allein war?As the question occurred to me, I saw her head move. She looked along the bridge, first on one side of her, then on the other. Was she waiting for some person who was to meet her? Or was she suspicious of observation, and anxious to make sure that she was alone?
Ein plötzlicher Zweifel über den Grund, weshalb sie diesen einsamen Ort aufsuchte - ein plötzliches Misstrauen gegen die verlassene Brücke und den sanft rauschenden Fluss machte mein Herz rascher schlagen und bewog mich zum sofortigen Entschluss. Ich stieg schnell den Weg vom Ufer zur Brücke hinan, in der Absicht sie anzureden, da es noch Zeit war.A sudden doubt of her purpose in seeking that solitary place, a sudden distrust of the lonely bridge and the swift-flowing river, set my heart beating quickly and roused me to instant action. I hurried up the rising ground which led from the river-bank to the bridge, determined on speaking to her while the opportunity was still mine.
Sie bemerkte mich erst, als ich ganz nahe bei ihr stand. Ich war ihr mit einem unwiderstehlichen Gefühl der Erregung genaht, weil ich nicht wusste wie sie meine Anrede aufnehmen würde. Im Augenblick, als sie sich zu mir umwendete, kam mir die Fassung zurück. Mir war als hätte ich mit der Voraussetzung einem Fremden zu begegnen, plötzlich einen Freund gefunden.She neither saw nor heard me until I was close to her. I approached with an irrepressible feeling of agitation; not knowing how she might receive me when I spoke to her. The moment she turned and faced me, my composure came back. It was as if, expecting to see a stranger, I had unexpectedly encountered a friend.
Und doch war sie eine Fremde. Ich hatte nie vorher in dieses edle, erregte Antlitz geschaut, nie die hohe Gestalt gesehen, deren ungewöhnliche Anmut und deren vollkommenes Ebenmaß, selbst der lange Mantel nicht ganz zu verhüllen im Stande war. Sie war vielleicht eine vollendete Schönheit. Ihr Äußeres hatte Mängel, die selbst in dem erlöschenden Lichte sichtbar waren. Auch ihr Haar, wie es unter dem großen Gartenhut hervorblickte, schien nur kurz, wie Männerhaar, zu sein und die Farbe war jenes einförmige, glanzlose Braun wie man es so oft bei englischen Frauen von gewöhnlichem Schlage sieht. Trotz dieser Mängel aber, lag ein geheimnisvoller Reiz in ihrem Ausdruck, ein angeborener Zauber in ihren Bewegungen, die mich unendlich sympathisch berührten und mich zur Bewunderung hinrissen. Der erste Blick, den ich auf sie richtete, hatte mich für sie eingenommen.And yet she was a stranger. I had never before looked on that grave and noble face, on that grand figure whose exquisite grace and symmetry even her long cloak could not wholly hide. She was not, perhaps, a strictly beautiful woman. There were defects in her which were sufficiently marked to show themselves in the fading light. Her hair, for example, seen under the large garden hat that she wore, looked almost as short as the hair of a man; and the color of it was of that dull, lusterless brown hue which is so commonly seen in English women of the ordinary type. Still, in spite of these drawbacks, there was a latent charm in her expression, there was an inbred fascination in her manner, which instantly found its way to my sympathies and its hold on my admiration. She won me in the moment when I first looked at her.
»Darf ich fragen, ob Sie Ihren Weg verfehlt haben?« fragte ich."May I inquire if you have lost your way?" I asked.
Mit einem wunderbar forschenden Ausdruck ruhten ihre Augen auf mir. Sie schien weder erstaunt noch verwirrt, dass ich gewagt hatte, sie anzureden.Her eyes rested on my face with a strange look of inquiry in them. She did not appear to be surprised or confused at my venturing to address her.
»Ich kenne die Gegend sehr genau,« fuhr ich fort. »Kann ich Ihnen irgendwie nützlich sein?«"I know this part of the country well," I went on. "Can I be of any use to you?"
Sie sah mich noch immer mit ruhigen forschenden Blicken an. Für einen Augenblick schien mein Gesicht, fremd, wie ich ihr war, sie zu beunruhigen; es war ihr, als hätte sie dieses Gesicht einstmals gesehen und wieder vergessen. Mit einer leichten Kopfbewegung verwarf sie den Gedanken, wenn sie ihn überhaupt gehabt hatte, und sah in den Fluss hinab, als ob ich sie nichts weiter anginge.She still looked at me with steady, inquiring eyes. For a moment, stranger as I was, my face seemed to trouble her as if it had been a face that she had seen and forgotten again. If she really had this idea, she at once dismissed it with a little toss of her head, and looked away at the river as if she felt no further interest in me.
»Tausend Dank. Ich habe den Weg nicht verfehlt und gehe oft abends allein aus. Gute Nacht.«"Thank you. I have not lost my way. I am accustomed to walking alone. Good-evening."
Sie sprach kalt, aber höflich. Ihre Stimme war herrlich; ihre Verneigung, als sie sich von mir verabschiedete, war vollendet in ihrer ungekünstelten Anmut. Sie ging von der Seite die Brücke hinab, von der sie sie betreten hatte und folgte langsam der dunklen Spur des Weges.She spoke coldly, but courteously. Her voice was delicious; her bow, as she left me, was the perfection of unaffected grace. She left the bridge on the side by which I had first seen her approach it, and walked slowly away along the darkening track of the highroad.
Ich war aber noch nicht ganz befriedigt. Hinter diesem reizenden Ausdruck und diesen bezaubernden Bewegungen lag etwas Anderes, was mir mein Instinkt als etwas Gefahrdrohendes bezeichnete. Als ich dem entgegengesetzten Ende der Brücke zuschritt, begannen sich Zweifel in mir zu regen, ob sie die Wahrheit gesprochen hatte. Verließ sie die Nähe des Flusses nicht etwa bloß, um mich los zu werden?Still I was not quite satisfied. There was something underlying the charming expression and the fascinating manner which my instinct felt to be something wrong. As I walked away toward the opposite end of the bridge, the doubt began to grow on me whether she had spoken the truth. In leaving the neighborhood of the river, was she simply trying to get rid of me?
Ich beschloss meinen Argwohn auf die Probe zu stellen. Von der Brücke aus hatte ich nur den Weg zu überschreiten, um in eine Schonung am Ufer des Flusses zu gelangen. Hier konnte ich, versteckt hinter dem nächsten Baum, der stark genug war, mich zu decken, die ganze Brücke übersehen und ich musste es sicher bemerken, wenn sie zum Fluss zurückkehrte, weil noch ein Lichtstrahl die Stelle erhellte. Es ging sich nicht leicht in der dunklen Schonung; ich musste mich förmlich bis zu einem geeigneten Baume durchtasten.I at once resolved to put this suspicion of her to the test. Leaving the bridge, I had only to cross the road beyond, and to enter a plantation on the bank of the river. Here, concealed behind the first tree which was large enough to hide me, I could command a view of the bridge, and I could fairly count on detecting her, if she returned to the river, while there was a ray of light to see her by. It was not easy walking in the obscurity of the plantation: I had almost to grope my way to the nearest tree that suited my purpose.
Kaum hatte ich auf dem unebenen Boden festen Fuß hinter dem Baume gefasst, als die Stille der Dämmerungsstunde plötzlich durch den fernen Ton einer Stimme unterbrochen wurde.I had just steadied my foothold on the uneven ground behind the tree, when the stillness of the twilight hour was suddenly broken by the distant sound of a voice.
»Es war eine Frauenstimme. Sie erhob sich durchaus nicht zu besonderer Höhe - der Ausdruck war der Ausdruck des Gebets - und die Worte, die ich vernahm, waren:The voice was a woman's. It was not raised to any high pitch; its accent was the accent of prayer, and the words it uttered were these:
»Christus, sei mir gnädig!«"Christ, have mercy on me!"
Darauf war Alles still. Eine namenlose Angst beschlich mich, als ich nach der Brücke sah.There was silence again. A nameless fear crept over me, as I looked out on the bridge.
Sie stand am Geländer. Ehe ich mich bewegen, ehe ich rufen, ja selbst ehe ich frei atmen konnte, sprang sie in den Fluss.She was standing on the parapet. Before I could move, before I could cry out, before I could even breathe again freely, she leaped into the river.
Der Strom floss mir entgegen. Ich sah sie aus dem Wasser emportauchen, während ein Lichtstrahl auf die Mitte der Strömung fiel. Ich stürzte am Ufer hinab. Als ich eben Hut, Mantel und Schuh abwerfen wollte, versank sie wieder. Ich war ein geübter Schwimmer und sobald ich im Wasser war, gewann ich meine Fassung wieder - ich war wieder ich selbst geworden.The current ran my way. I could see her, as she rose to the surface, floating by in the light on the mid-stream. I ran headlong down the bank. She sank again, in the moment when I stopped to throw aside my hat and coat and to kick off my shoes. I was a practiced swimmer. The instant I was in the water my composure came back to me--I felt like myself again.
Ich wurde mitten in die Strömung getrieben und schwamm dadurch erheblich schneller. Als sie zum zweiten Male auftauchte, war ich dicht hinter ihr - ich sah sie nur als einen dunklen Gegenstand, der noch vor mir auf der Oberfläche des Wassers trieb. Noch ein Stoß und - ich hatte sie mit meinem rechten Arm umfasst, und hielt ihr Gesicht über dem Wasser. Sie war bewusstlos. Ich konnte sie bequem so halten, dass ich Herr meiner Bewegungen blieb und konnte mich, wenn nicht Ermüdung oder ein Windstoß mich hinderten, sicher der Aufgabe unterziehen, sie ans Ufer zurückzubringen.The current swept me out into the mid-stream, and greatly increased the speed at which I swam. I was close behind her when she rose for the second time--a shadowy thing, just visible a few inches below the surface of the river. One more stroke, and my left arm was round her; I had her face out of the water. She was insensible. I could hold her in the right way to leave me master of all my movements; I could devote myself, without flurry or fatigue, to the exertion of taking her back to the shore.
Mein erster Anlauf machte mir klar, dass ich die Hoffnung aufgeben musste, beladen, wie ich war, dem starken Strome entgegen zu schwimmen, der von beiden Ufern zur Mitte trieb. Ich versuchte es von einer und von der andern Seite und - gab es auf. Mir blieb nur der Ausweg mich mit ihr in den Strom hinabtreiben zu lassen. Einige fünfzig Ellen weiter abwärts machte der Fluss eine Biegung um einen Landvorsprung, auf dem ein kleines Gasthaus stand, das Angler in der Zeit des Fischens besuchten. An der Stelle angelangt, machte ich einen wiederum vergeblichen Versuch zu landen. Jetzt blieb unsere letzte Hoffnung nur noch, dass die Bewohner des Gasthauses mich hörten. Ich rief mit aller Kraft meiner Stimme, als wir vorbeitrieben. Der Ruf wurde beantwortet. Ein Mann bestieg ein Boot. Fünf Minuten später hatte ich sie sicher am Ufer und der Mann und ich trugen sie in das Gasthaus am Ufer. My first attempt satisfied me that there was no reasonable hope, burdened as I now was, of breasting the strong current running toward the mid-river from either bank. I tried it on one side, and I tried it on the other, and gave it up. The one choice left was to let myself drift with her down the stream. Some fifty yards lower, the river took a turn round a promontory of land, on which stood a little inn much frequented by anglers in the season. As we approached the place, I made another attempt (again an attempt in vain) to reach the shore. Our last chance now was to be heard by the people of the inn. I shouted at the full pitch of my voice as we drifted past. The cry was answered. A man put off in a boat. In five minutes more I had her safe on the bank again; and the man and I were carrying her to the inn by the river-side.
Die Wirtin und ihr Dienstmädchen waren sehr bereitwillig uns zu helfen, aber ebenso ungeschickt, um es richtig anzufangen. Zum Glück befähigten meine medizinischen Kenntnisse mich, sie anzuleiten. Ein gutes Feuer, warme Decken, Wärmflaschen, Alles stand zu meiner Verfügung. Ich zeigte den Frauen, wie sie das Belebungswerk anzufangen hatten, wir arbeiteten Alle beharrlich daran. Leider aber lag sie noch immer in ihrer ganzen Formenschönheit da, ohne ein Lebenszeichen von sich zu geben - allem Anscheine nach war sie ertrunken.The landlady and her servant-girl were equally willing to be of service, and equally ignorant of what they were to do. Fortunately, my medical education made me competent to direct them. A good fire, warm blankets, hot water in bottles, were all at my disposal. I showed the women myself how to ply the work of revival. They persevered, and I persevered; and still there she lay, in her perfect beauty of form, without a sign of life perceptible; there she lay, to all outward appearance, dead by drowning.
Eine letzte Hoffnung blieb noch - die Hoffnung, sie durch den Prozess, den man »künstliches Atmen« nennt, wieder zu beleben, wenn es mir nur gelang den dazu nötigen Apparat rechtzeitig herzustellen. Als ich im Begriff stand der Wirtin klar zu machen, was ich brauchte, wurde ich mir einer seltsamen Schwerfälligkeit mich auszudrücken bewusst; die gute Frau trat plötzlich von mir zurück und stieß einen Schrei des Schreckens aus.A last hope was left--the hope of restoring her (if I could construct the apparatus in time) by the process called "artificial respiration." I was just endeavoring to tell the landlady what I wanted and was just conscious of a strange difficulty in expressing myself, when the good woman started back, and looked at me with a scream of terror.
»Guter Gott, Herr, Sie bluten!« schrie sie. »Wo kommt das Blut her? Wo sind Sie verwundet?«"Good God, sir, you're bleeding!" she cried. "What's the matter? Where are you hurt?"
In dem Augenblick, als sie das sagte, wusste ich was geschehen war. Die alte indische Wunde, wahrscheinlich durch die heftige Anstrengung, die ich mir zugemutet hatte, beschädigt, war wieder aufgegangen. Ich kämpfte mit einer plötzlichen Ohnmacht, die mich zu befallen drohte; ich versuchte den Bewohnern des Gasthauses noch zu sagen, was zu tun sei. Vergebens. Ich sank in die Knie; mein Kopf fiel an die Brust der Frau, die bewusstlos vor mir auf dem niedrigen Lager lag. Der Scheintod, der sie umfangen hielt, umfing nun auch mich. Der Welt um uns her verloren, lagen wir vereint durch die Zaubermacht des Todes, während mein Blut auf sie niederströmte! Wo weilten unsere Geister in jenem Augenblick? Waren sie vereint und sich einander bewusst? Kannten wir uns in jener Entzückung wieder, die uns durch ein geistiges Band vereinte, wir Zwei, die wir uns ahnungslos und unentdeckt auf der verhängnisvollen Brücke begegnet waren? Ihr die Ihr geliebt und verloren habt - deren einziger Trost gewesen ist an andre Welten über diese hinaus zu glauben - könnt Ihr Euch unwillig von meiner Frage abwenden? Könnt Ihr wahrheitsgemäß sagen, dass Ihr nicht auch einmal so gefragt habt?In the moment when she spoke to me I knew what had happened. The old Indian wound (irritated, doubtless, by the violent exertion that I had imposed on myself) had opened again. I struggled against the sudden sense of faintness that seized on me; I tried to tell the people of the inn what to do. It was useless. I dropped to my knees; my head sunk on the bosom of the woman stretched senseless upon the low couch beneath me. The death-in-life that had got her had got me. Lost to the world about us, we lay, with my blood flowing on her, united in our deathly trance. Where were our spirits at that moment? Were they together and conscious of each other? United by a spiritual bond, undiscovered and unsuspected by us in the flesh, did we two, who had met as strangers on the fatal bridge, know each other again in the trance? You who have loved and lost--you whose one consolation it has been to believe in other worlds than this--can you turn from my questions in contempt? Can you honestly say that they have never been your questions too?


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